Wandern in Südtirol oder lieber Sightseeing in Mogadischu? Surfen an der Ostsee oder Marathon in Nordkorea? Die Reportage-Reihe "Uncovered" begleitete gestern Abend bei Pro7 Extrem-Touristen in Krisengebieten und Diktaturen. Warum macht man so etwas? Reporter Thilo Mischke fand ein paar Antworten.
Die beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen sind nun wirklich alles andere als ungewöhnlich. Ostsee, Spanien, Italien. Die Türkei erlebt derzeit einen Einbruch der Besucherzahlen, aber alles in allem sind die Urlaubswünsche der Deutschen doch recht vorhersehbar.
Es gibt aber auch Menschen, die können mit vorhersehbar wenig anfangen und wählen für ihren Urlaub Reiseziele, die mit ungewöhnlich nur unzureichend beschrieben sind: Afghanistan, Syrien oder Libyen – manche Leute tauschen lieber Usedom und Adria gegen das "Who ist who" der Reisewarnungen.
Und wo Warnung draufsteht, da ist einer nicht weit: Thilo Mischke. Der Reporter schluckt für seine "Uncovered"-Reportagen für Pro7 schon mal halluzinogene Pilze oder trifft sich mit der japanischen Mafia. Thilo Mischke, das ist eine Kombination aus Harry Hirsch und
Pauschalurlaub in Nordkorea
Gestern Abend nun begleitete Thilo Mischke ebenjene Touristen, für die die üblichen Pauschalreisen nur ein verregneter Strandspaziergang sind. Seine erste Station führt ihn deshalb nach Nordkorea. Das abgeschottete Land ist zuletzt wegen des rätselhaften Todes des Amerikaners Otto Warmbier und vor allem wegen seiner Raketentests in den Schlagzeilen gewesen.
Was zieht Menschen also in ein Land, in dem man wegen eines angeblich gestohlenen Propagandabanners zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt wird? Wieso will man als Tourist in ein Land reisen, von dem vielleicht ein Atomkrieg droht? All das will Thilo Mischke herausfinden und noch mehr: "Ich will wissen, wer ins Land reist und wie sich das Land präsentiert."
Dazu buchen Mischke und sein Team einen Pauschalurlaub in Nordkorea mitsamt Reiseprogramm und einheimischen Führern. Denn in Nordkorea sind die Reiseleiter für ihre Gäste verantwortlich. Ohne Beobachtung geht hier nichts. "Du probierst vieles nicht aus, weil du nicht weißt, ob es verboten ist", erklärt eine Touristin ihr angepasstes Reiseverhalten.
Mit einem Hochsicherheitstouristen in Somalia
Die Antworten auf Frage Nummer eins erhält Mischke ebenfalls von seinen Mitreisenden und anderen Touristen. Ob so eine Reise auch einen touristischen Wert habe, will Mischke zum Beispiel von einem Mann wissen. "Ja", antwortet dieser, "aber es bleibt befremdlich." Ein anderer will noch einen Eindruck von Nordkorea bekommen, bevor es in ein paar Jahren vielleicht ganz anders aussieht.
Reise Nummer zwei führt Mischke dann für 72 Stunden nach Somalia. Auch hier gibt es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes: Terrorakte, Krieg, Piraterie und kriminelle Gewalt, um nur einige der Gründe zu nennen. Warum also sollte man ausgerechnet dorthin reisen?
Einer, der die Antwort kennt, ist der englische Geschäftsmann Andrew Drury. Der Brite ist ein sogenannter Hochsicherheitstourist und reist gerne in Krisengebiete wie Syrien oder Afghanistan. Thilo Mischke begleitet ihn in die Somalische Hauptstadt Mogadischu, um seine Gründe zu erfahren.
Eine wirklich eindeutige Antwort bekommt Mischke aber nicht, Drurys Aussagen sind zum Teil widersprüchlich. "Ich habe das gemacht, um zu sehen wie hier das Rechtssystem ist", erklärt Drury beim Besuch eines somalischen Gefängnisses, "aber ich würde lügen, wenn es nicht auch voyeuristisch ist." Auf der einen Seite wolle er den Menschen nahe sein, auf der anderen Seite ist es aber auch eine Art Trophäenjagd für ihn.
"Uncovered": Reportage mit ganz viel Mischke
Ein bisschen wie eine Trophäe empfindet es auch Mischke, als er einmal selbst mit dem Auto durch Mogadischu fahren darf. Da hätte er die Antwort auf seine Fragen auch ein bisschen bei sich selbst suchen können, denn schließlich hätte er ja auch eine Reportage in Nordhessen drehen können, entschied sich aber für Nordkorea und Somalia.
Ohnehin ist Mischke selbst das wohl häufigste Motiv in der gestrigen Reportage: Mischke im Hotelzimmer in Nordkorea, Mischke beim Marathon in Pjöngjang, Mischke beim Souvenirkauf in Mogadischu und so weiter. Als er dann in der ehemaligen Berliner U-Bahn, die heute durch Pjöngjang fährt, auch noch nach Fensterritzereien aus seiner Jugend sucht, ist es dann ein bisschen viel Mischke.
"Nordkorea ist ein widersprüchliches Land"
Dazu kommen noch einmal zu oft belanglose Sätze wie "Durch Miss Kim habe ich gelernt, dass dahinter Menschen mit Gefühlen und keine ferngesteuerten Roboter stecken" und eine Off-Sprecherin, die stets von einem "wir" redet, ohne dass der Zuschauer weiß, wer die Dame überhaupt ist, noch, ob sie denn bei den Reisen dabei war.
Trotzdem darf sie Sätze sagen wie "Nordkorea ist ein widersprüchliches Land". Das mag ja sein, aber das hätten wir gerne durch die Eindrücke der Reportage gelernt und nicht durch eine Behauptung der Off-Sprecherin.
Dennoch: Auch wenn gerade die Somalia-Reportage mit ein bisschen zu viel Effekthascherei mit Zeitlupen und dramatischer Musik zurechtgemacht wurde: Zumindest einen kleinen Eindruck konnte man sich über die Motive der Extrem-Touristen machen. Ob Extrem-Tourismus, wie bei "Uncovered" mitunter suggeriert wurde, auch zu einer Normalisierung in den Krisenherden beitragen kann, darüber darf seit gestern gestritten werden.
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