Die einen lieben sie, die anderen hassen sie: Über Sinn und Unsinn der Relegation wird unter den Fußballfans seit Jahren diskutiert. Es gibt gute Gründe, sie wieder abzuschaffen. Es gibt aber auch gute Gründe, sie beizubehalten.

Ein Kommentar

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Contra: Schafft die Relegation ab! (von Swen Thissen)

Zugegeben, die Relegationsspiele sind an Spannung nicht zu überbieten, weshalb sich ein Fußballfan diese Highlights gerne anschaut. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Relegation das Leistungsprinzip mit Füßen tritt.

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Selten wurde das so deutlich wie in dieser Saison. Der Hamburger SV und der TSV 1860 München hätten sich den Abstieg redlich verdient gehabt. Beiden Vereinen fehlte ein sportliches Konzept, sie stolperten 34 Spieltage lang durch die Liga und glänzten ausschließlich durch Chaos im Umfeld. Dennoch bekamen beide Klubs eine allerletzte Chance auf den Klassenerhalt geschenkt. Fair ist das nicht. Wer es nicht schafft, Platz 15 zu belegen, hat nicht bewiesen, gut genug für die Liga zu sein.


Darüber schwebt zudem die heftige Benachteiligung des Dritten der unterklassigen Liga: Er muss gegen einen Verein antreten, der allein aufgrund der ausgeschütteten TV-Gelder im Durchschnitt mit doppeltem Etat arbeiten konnte. Ist das der gerechte Lohn für eine Mannschaft, die Tabellendritter wurde?

Ich habe verstanden, warum die Relegation zur Saison 2008/2009 erneut eingeführt wurde: Die beiden Partien um den 18. Startplatz in der Liga sollen den zugespitzten Kampf ums sportliche Überleben krönen. Solche Spiele lassen sich prima an die öffentlich-rechtlichen TV-Sender verkaufen, um (noch) mehr Geld zu scheffeln.

Es ist erschreckend, dass wir Fußballfans uns daran gewöhnt haben, dass im modernen Fußball zuerst an die Einnahmequellen gedacht wird. Doch in diesem Fall hört mein Verständnis auf. Ich kann es einfach nicht gut finden, wenn in einem künstlich erzeugten Relegationswahnsinn eine Schiedsrichterentscheidung in der Nachspielzeit über das Resultat einer Saison entscheiden kann. Für mich hat eine Saison 34 Spiele - dann sollte Schluss sein.


Pro: Die Relegation muss beibehalten werden! (von Tim Frische)

Ja Swen, das sehe ich alles ein. Und bis gestern Abend bin ich auch eher Gegner als Befürworter der Relegation gewesen. Denn wer es nicht gebacken bekommt, in 34 Liga-Spielen drei Teams hinter sich zu lassen, der hat nichts anderes verdient als den Abstieg. Doch meine Meinung hat sich mittlerweile geändert. Der Auslöser: das Spiel des TSV 1860 München gegen Holstein Kiel.

Ich war mit Freunden im Stadion. Ohne die und das Bierchen in meiner Hand hätte ich diesen grauenhaften Kick wohl nicht ertragen. Was die "Löwen" 70 Minuten lang ablieferten, war nicht mal eines Drittligisten würdig. Eine spielerisch solch schwache Leistung habe ich wohl noch nie live gesehen. Kiel, das ebenfalls keineswegs überzeugt, führte völlig verdient mit 1:0.


Doch dann drehte es sich. Plötzlich bewiesen die 1860-Profis Moral und ließen den Willen erkennen, die benötigten zwei Treffer zum Klassenerhalt zu erzielen. Das schwappte auch auf die gut 50.000 "Löwen"-Fans im Stadion über. Als der Ausgleich durch Daniel Adlung fiel, herrschte in der Allianz Arena eine Stimmung, die dieses Stadion ganz selten erlebt. Das Team wurde nach vorne gepeitscht, die spielerisch begrenzten Mittel machten die 1860-Profis mit unbändiger Leidenschaft weg. Und dann die erste Minute der Nachspielzeit: Pfostenschuss Valdet Rama, der Ball kommt zu Kai Bülow, Schuss, Tor! Was dann in der Arena abging, war ganz großes Fußball-Kino. 50.000 Menschen jubeln, hüpfen, liegen sich in den Armen und feuern ihr Team lautstark bis zum Abpfiff an. Als Schiedsrichter Knut Kircher die Partie beendet, steht die Erleichterung, die Freude in den Gesichtern jedes einzelnen "Löwen"-Fans ins Gesicht geschrieben. Diese Bilder werde ich so schnell nicht vergessen.

Natürlich ist es legitim zu behaupten: 1860 München hätte den Abstieg aus der 2. Liga verdient gehabt. Genauso wie der Hamburger SV aus der Bundesliga. Diese Meinung teile ich ebenfalls. Doch das, was am Montagabend erst in der Partie des HSV beim Karlsruher SC und dann auch noch einen Tag später bei den "Löwen" gegen Kiel passierte, ist schlichtweg geil! Dafür lieben wir doch alle den Fußball. Große Spannung, großes Drama, große Emotionen. Genau dafür ist die Relegation Jahr für Jahr gut. Und genau deshalb muss die DFL auch weiter an ihr festhalten.

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