In den Umfragen verlieren die Ampel-Parteien an Zustimmung, die AfD legt weiter zu. Mit Werten von um die 20 Prozent hat die Partei derzeit zwar keine Aussicht auf eine Regierungsübernahme im Bund – dennoch legt die AfD ein Sofortprogramm für eine von ihr geführte Bundesregierung vor.

Mehr aktuelle News

Die AfD-Bundestagsfraktion hat der Ampelkoalition vorgeworfen, das Land "in den Ruin" zu führen und bei einer Klausurtagung Gegenvorschläge zur aktuellen Politik vorgelegt. Dafür präsentierte die Fraktion am Freitag im thüringischen Oberhof ein dreiseitiges Papier unter der Überschrift "Zehn-Punkte-Sofortprogramm einer AfD-geführten Bundesregierung", in dem sie im Wesentlichen ihre bekannten Positionen bekräftigt.

Schwerpunkt der Strategie ist die Senkung der Energiekosten, um eine "Deindustrialisierung Deutschlands" zu stoppen. Die AfD will zudem eine rigide Flüchtlingspolitik, die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen und Volksabstimmungen sowie eine Wiederinbetriebnahme und einen Neubau von Atomkraftwerken. Die Staatsausgaben in den Bereichen Migration, Klima- und Entwicklungspolitik werde man "drastisch" streichen und "die Nord-Stream-Leitungen reparieren und wieder in Betrieb nehmen", heißt es weiter.

Ablehnende Haltung zur EU

In dem Papier bekräftigt die AfD-Fraktion auch ihre ablehnende Haltung zur EU und verspricht im Falle einer Regierungsverantwortung "Verhandlungen zur Reduktion der EU-Beiträge und zur Neugründung einer Europäischen Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft".

Wegen der deutschen Exportabhängigkeit gibt es Warnungen vor einem solchen Kurs. "Die internationale Vernetzung der deutschen Industrie ist entscheidend für unseren Wohlstand und den Erfolg unserer Wirtschaft. Daraus ergibt sich eine klare Distanz zu dem Selbstverständnis, den Zielen und dem Auftreten der AfD", hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Ende Juli beim Kurznachrichtendienst X geschrieben.

Die AfD werde das "unsägliche Öl- und Gasheizungsverbot kassieren", ebenso wie das "völlig unnötige Verbrennerverbot", betonte Parteivorsitzende Alice Weidel. Ein solches Verbot für Neuwagen ab 2035 wurde allerdings auf EU-Ebene beschlossen. In dem Zusammenhang kritisierte Weidel die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die keinen Widerspruch dagegen geäußert habe.

Auch die CO2-Abgabe auf Heizöl, Erdgas, Benzin oder Diesel soll nach dem Willen der AfD gestrichen werden. Zudem solle die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer auf 50 Cent erhöht werden.

AfD will umfassenden Grenzschutz

Tino Chrupalla sagte, die AfD werde zudem die "sofortige Reparatur und Inbetriebnahme von Nord Stream" in die Wege leiten. Die unter der Ostsee verlaufenden Leitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 für den Transport von russischem Erdgas nach Deutschland waren Ende September 2022 durch Explosionen zerstört worden.

Die AfD will Chrupalla zufolge die Ausgaben des Bundes "in den Bereichen Migration, Klima und Entwicklungspolitik" senken. Als Maßnahme gegen den Flüchtlingszuzug solle ein umfassender Grenzschutz eingeführt werden. Weidel ergänzte, dass Migranten in einem AfD-geführten Deutschland "keine Geldleistungen mehr beziehen" sollten: "Wenn wir in Regierungsverantwortung sind, werden sofort Sachleistungen für Migranten und Flüchtlinge eingeführt."

Zudem werde ihre Partei das Einbürgerungsgesetz "sofort rückgängig machen", sagte Weidel. Mit dem Gesetzesvorhaben will die Ampelkoalition Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen und die Integration fördern.

Im AfD-Sofortprogramm heißt es außerdem, man werde "Bargeld als Zahlungsmittel grundgesetzlich verankern", was auf eine angeblich politisch gewollte Abschaffung des Bargeldes anspielt. Nach Angaben der Bundesbank von Ende Juli wird es aber auch weiterhin Bargeld geben und für Grundgesetzänderungen bräuchte die AfD außerdem Zweidrittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

Waffenstillstand in der Ukraine – ohne nähere Details

Mit Blick auf die Corona-Maßnahmen der vergangenen Jahre sagte Weidel, diese müssten aufgearbeitet werden. Sie betonte, dass es "mit der AfD in der Regierung" niemals eine Impfpflicht geben werde. In Deutschland hatte es bis Ende 2022 lediglich vorübergehend eine Impfpflicht für Beschäftige in Gesundheitsberufen gegeben.

Eine von der AfD geführte Bundesregierung werde sich zudem "für einen Waffenstillstand in der Ukraine einsetzen", heißt es in dem Papier, ohne nähere Angaben dazu, wie dieser konkret aussehen könnte.

In Deutschland will die Partei "direkte Demokratie ermöglichen und die Bürger durch Volksabstimmungen entscheiden lassen". Zudem will die AfD "den Einfluss der Gender-Ideologie zurückdrängen" und die "Gender-Sprache an allen Ministerien, Behörden und Institutionen verbieten".

Scharfe Attacken gegen Ampelregierung

Weidel und Chrupalla verbanden die Vorstellung ihres "10-Punkte-Sofortprogramms einer AfD-geführten Bundesregierung" mit scharfen Attacken gegen die derzeitige Regierung. Der Ampelkoalition könne es "nicht schnell genug gehen, dieses Land plattzumachen", wetterte Weidel. An die FDP adressierte sie, diese "sollte sich in Grund und Boden schämen, dass sie Steigbügelhalter" für eine solche Regierung sei. Der CDU und deren Parteichef Friedrich Merz warf Weidel vor, sie seien "Oppositionsverweigerer".

"Diese Bundesregierung hat fertig", sagte Chrupalla. CDU-Chef Friedrich Merz werde seinen Kurs der Brandmauer nicht durchhalten können, sagte Weidel mit Blick auf aktuelle Umfrageergebnisse in Sachsen. "Da gehen ihm die ostdeutschen CDU-Funktionäre völlig zu Recht von der Stange." Die AfD liegt in Sachsen ein Jahr vor der Landtagswahl einer Insa-Umfrage zufolge mit 35 Prozent vorn und wirbt für eine Zusammenarbeit mit der CDU, die das ablehnt. CDU/CSU-Bundestagsfraktionschef Merz wurde am Freitag nach einer Klausur seiner Fraktion gefragt, was er zu dem Regierungsplan der AfD sage. Der CDU-Chef antwortete: "Gar nichts."

Eine AfD-geführte Bundesregierung ist derzeit ausgeschlossen. Die Partei konnte ihre Umfragewerte zwar auf aktuell 21 bis 22 Prozent steigern (Bundestagswahlergebnis 2021: 10,3). Um allein regieren zu können, brauchen Parteien aber mindestens 50 Prozent oder einen Koalitionspartner. Eine Koalition mit der AfD schließen die anderen Parteien jedoch aus. (dpa/AFP/tas)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.