Die AfD legt in den Umfragen kontinuierlich zu. Was charakteristisch für ihre Wähler ist und von welchen Parteien diese kommen, erklärt Parteienforscher Carsten Koschmieder im Gespräch mit unserer Redaktion. Er rät, sich von einer Vorstellung zu lösen.

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Die "Alternative für Deutschland" (AfD) profitiert. Von der Unentschlossenheit der etablierten Parteien. Und von einem einzigen Thema: der Flüchtlingskrise.

13 Prozent der Stimmen würde sie erzielen, wäre morgen Bundestagswahl. Das ergab die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa.

Vor allem Männer befürworten demnach ihre Politik. Im Schnitt sind 63 Prozent der AfD-Wähler männlich. Doch was lässt sich über diesen Wähler noch sagen? Antworten eines Experten.

Wer ist der typische AfD-Wähler?

"Pauschalisieren ist immer falsch, deswegen gibt es nicht den einen AfD-Wähler", sagt Parteienforscher Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin im Gespräch mit unserer Redaktion – und versucht, einzugrenzen.

Demnach sei die AfD nicht per se eine rechtsextreme Partei, aber Menschen mit rechtsextremen Einstellungen seien unter Wählern der AfD überrepräsentiert.

"Aber nicht alle Menschen, die die AfD wählen, sind rechtsextrem und auch nicht alle Menschen, die rechtsextrem sind, wählen die AfD", erklärt der Politikwissenschaftler.

Zweierlei lasse sich beobachten: Erstens, dass AfD-Wähler meist männlich seien; zweitens, dass es junge Wähler seien.

"Oft haben sie keine Parteiidentifikation nach dem Motto, ich wähle schon immer die Sozis", schildert er. Die Partei habe umgekehrt weniger Chancen bei älteren Wählern.

Die These vom meist männlichen Wähler bestätigt eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid, wonach 17 Prozent der wahlberechtigten Männer für die AfD stimmen würden, aber nur zwei Prozent der wahlberechtigten Frauen.

Emnid sieht die AfD insgesamt bei zehn Prozent.

Warum ist der weibliche Anteil unter AfD-Wählern geringer?

Frauen sind dazu erzogen, nicht zu sehr zu Extremen zu neigen, erklärt Koschmieder. "Gerade bei rechtsextremen und ausländerfeindlichen Einstellungen verstärkt sich dieser Eindruck", sagt er.

"Frauen neigen zwar genauso dazu wie Männer, Ausländer abzuwerten. Aber als Frau drückt man sowas nicht so offen aus, vor allem nicht so radikal, wie es die AfD tut."

Frauen würden seiner Meinung nach eher die CSU wählen, weil diese auch skeptisch gegenüber Ausländern sei, das aber moderater formuliere.

Lässt sich der AfD-Wähler auf gesellschaftliche Schichten begrenzen?

Koschmieders Antwort lautet: Nein! "Rechtsextreme Einstellungen sind nicht nur ein Problem der Unterschicht.

Typisch für AfD-Wähler ist oft nicht der reale soziale Abstieg, sondern die Furcht vor einem solchen", erklärt er.

Die chauvinistische Vorstellung, man dürfe nichts vom Wohlstand an Ausländer oder Schwule abgeben, finde sich vor allem in der gebildeteren Mittelschicht.

Man müsse sich von der Vorstellung verabschieden, AfD-Wähler seien vorwiegend "dumme, ostdeutsche Männer".

Nach der Landtagswahl in Brandenburg im September 2014, bei der die AfD 12,2 Prozent erreichte, analysierte das Statistische Landesamt Wählerstrukturen.

Demnach sind AfD-Wähler dort, wo wenige Bürger Hartz IV beziehen. Für AfD-Hochburgen sei ein hoher Anteil an Eigenheimen charakteristisch und AfD-Wähler seien zwischen 30 und 65 Jahre alt.

Hat sich das AfD-Klientel seit dem Rechtsruck verändert?

"Die Wählerschaft ist ostdeutscher, jünger und radikaler geworden", erklärt Koschmieder auf Nachfrage.

Da der gemäßigte Flügel unter dem ehemaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke nicht mehr da sei, sei die liberale Wählergruppe weggebrochen, sagt er, diejenigen, die einst die FDP wählten.

Koschmieder warnt nochmal: "Nicht alle AfD-Wähler haben rechtsextreme Einstellungen."

Eindeutigere Erkenntnisse ließen sich aber erst aus den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ziehen.

Wechselwähler, Nicht-Wähler – was trifft im Fall der AfD zu?

Beides. "Es sind sowohl Menschen, die davor nicht gewählt haben, aber auch Wähler der anderen Parteien", erklärt Koschmieder. Was die AfD nicht habe, seien Stammwähler.

Die Konsequenz: Die Gefahr, dass die Wähler zu etablierten Parteien zurückkehren, sei vergleichsweise hoch. Koschmieder: "Würde die CSU bundesweit antreten, könnte ich mir vorstellen, dass sich viele AfD-Wähler für sie entscheiden würden."

SPD, CDU, FDP – zu Lasten welcher Partei gehen die AfD-Zuwächse?

"Die AfD zieht von allen Parteien Wähler", sagt der Berliner Politikwissenschaftler. Stimmen kämen vor allem von ursprünglichen CDU-Wählern.

Die AfD würde aber auch der SPD und selbst der Linken Wähler nehmen, diejenigen, die Ausländer ablehnten.

Einzige Ausnahme: Die Grünen. "Es gibt recht wenige Wähler der Grünen mit fremdenfeindlicher Einstellung." Würde das Thema Flüchtlingspolitik wegfallen, fiele die AfD in ein Loch, prophezeit er.

Was ist für die AfD bei den Landtagswahlen zu erwarten?

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz liegt sie aktuell bei etwa zehn Prozent und in Sachsen-Anhalt bei 15 Prozent.

"Das wird mehr, gerade, wenn sich die Regierungsparteien weiter so streiten und die CSU weiter so gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel opponiert", meint er.

"Ich gehe von einem noch stärkeren Ergebnis für die AfD aus."

Diplom-Politologe Carsten Koschmieder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl des renommierten Parteienforschers Prof. Dr. Oskar Niedermayer an der Freien Universität Berlin. Der 31-Jährige forscht zu verschiedenen Themen der politischen Soziologie, unter anderem zu Eigenheiten und Entwicklungen des deutschen Parteiensystems.
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