Für die CSU ist das Schicksal der Kanzlerin nur eine Wegmarke auf dem Weg zur eigenen neuen Zukunft. Nachdem Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündigt hat, richten sich nun die Augen auf Seehofer.

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Es ist schon paradox: So zerstritten sie auch waren, das Schicksal hat Angela Merkel und Horst Seehofer aneinander gekettet. Über viele Jahre, fast Jahrzehnte hinweg. Vor allem in der vergangenen Dekade, seit sie parallel die Schwesterparteien CDU und CSU anführten, waren beide - und das trotz allen Streits - auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Jetzt, nach den Wahlpleiten in Bayern und Hessen, hängt beider Schicksal mehr denn je zusammen: Nachdem die Kanzlerin ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündigt hat, gilt vielen Christsozialen auch ein Verbleib Seehofers an der CSU-Spitze als undenkbar.

Nicht nur Merkel in der Kritik

"Das kommt für uns alles ein Jahr zu spät", sagt ein CSU-Vorstand zu Merkels Entscheidung. Wer sich seit der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober in der Partei umhört, spürt schnell, wie tief der Frust sitzt. Ohne Merkels Flüchtlingspolitik wäre die CSU niemals auf 37,2 Prozent abgestürzt, hätte sie vielleicht sogar nie ihre absolute Mehrheit verloren, mutmaßen viele Christsoziale. Wer sich den Ärger über Merkel anhört, erfährt aber auch, dass sich die Wut nicht nur gegen die CDU-Chefin richtet, sondern auch gegen Seehofer. Auffällig ist dabei, dass auf allen Ebenen mehr oder weniger bewusst ausgeblendet wird, dass die Partei Seehofers Kurs faktisch immer mitgetragen hat.

Nachdem die Frage zur Zukunft in der CSU seit der Wahl von den Koalitionsverhandlungen im Freistaat überdeckt wurde, ist sie nach der Hessen-Pleite der CDU wieder omnipräsent. Und nachdem Merkel ihrerseits ihren Abschied auf Raten verkündet hat, richten sich in der CSU die Blicke auf Seehofer. "Kann schon sein, dass nun auch Seehofer schneller einsieht, dass seine Zeit gekommen ist", sagt ein anderer hochrangiger Funktionär. Ob er aus Überzeugung spricht oder aus Hoffnung, ist nicht zu erkennen. Entscheidend sei: Seehofer müsse einsehen, dass er den Rückhalt seiner Partei verloren habe - "nicht erst jetzt bei der Landtagswahl, schon im letzten Jahr zur Bundestagswahl".

Wann entscheidet sich Seehofer?

Doch was heißt das für die Praxis? CSU-intern wird nach den Koalitionsverhandlungen in Bayern mit einer Entscheidung über Seehofers Zukunft gerechnet. Dies könnte bereits am Wochenende der Fall sein. Seehofer scheint sich mehr Zeit nehmen zu wollen. Er selbst nennt Mitte November als spätmöglichsten Termin für den Start der Debatte zur inhaltlichen, strategischen und personellen Zukunft. "Ich glaube erst, dass er das Amt aufgegeben hat, wenn sein Nachfolger gewählt ist", spottet beinahe verzweifelt ein Parteivorstand. So oft habe Seehofer sich am Ende wieder gerettet, eine Hintertür gefunden. Doch dies scheint jetzt praktisch unmöglich. Oder?

Bleibt Seehofer nur der Schlussstrich?

Tatsache ist, dass Seehofer keine großen Spielräume mehr hat. Konnte er Ende 2017 durch seinen Verzicht auf das Ministerpräsidenten-Amt und den Wechsel ins Bundesinnenministerium im März 2018 zumindest das Amt des Parteichefs retten, dürfte es nun von CSU-Seite keine Kompromisse mehr geben. In den CSU-Bezirksverbänden laufen bereits die Planungen, sogar in der CSU-Landesgruppe hat Seehofer keine echten Unterstützer mehr, in der Landtagsfraktion ohnehin nicht. Viele sind überzeugt: Sollte Seehofer nicht selbst einen Schlussstrich ziehen, wird dies die Partei für ihn zügig erledigen, ungeachtet aller ihm zugeschriebenen Erfolge in den vergangenen Jahren.

In der CSU rechnen sie deshalb fest mit einem Sonderparteitag zur Wahl eines neues Parteichefs Anfang Dezember. Damit das möglich ist, muss Seehofer aber mitziehen. Seine Amtszeit endet erst Ende 2019, rechtlich sind der Partei ohne sein Zutun die Hände gebunden. Ein monatelanger offener Streit wäre die Folge. Der CSU bleibt daher nur das Prinzip Hoffnung. Mehrfach zeigte sich Seehofer in den vergangenen Tagen diskussionsbereit, auch personelle Konsequenzen schloss er nicht aus. Er sagte aber auch, dass er sich nicht alleine für die Lage der CSU verantwortlich machen wolle.

Söder mit besten Chancen auf Parteivorsitz

Um eine Schlammschlacht auf offener Bühne auf dem Parteitag zu verhindern, könnte Seehofer vorab seinen Rücktritt erklären. Dann müsste die CSU bis Anfang Dezember nur noch entscheiden, wer ihm folgen soll. Die größten Chancen werden seinem Dauerrivalen Markus Söder zugesprochen. Der Franke beerbte Seehofer bereits im Amt des Ministerpräsidenten. Würde er auch Parteichef, wie von vielen in der CSU gewünscht, lägen die beiden Ämter wieder in einer Hand. Doch Söder hat bislang immer abgewunken, wenn es um den Posten des Parteichefs ging. Er betont gerne, dass seine Aufgabe in Bayern liege. Diese Sicht könnte sich freilich schnell wandeln, wenn die Partei nur laut genug rufe, heißt es aus seinem Umfeld.

Sollte Söder aber weiterhin abwinken, wäre wohl Manfred Webers große Stunde gekommen. Der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament hat große Ziele, in der kommenden Woche will er sich in Helsinki zum EVP-Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019 küren lassen. Im günstigsten Fall könnte er Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission beerben. Seehofer kündigte schon vor Wochen an, Weber am 8. November begleiten zu wollen. Es könnte seine letzte Dienstreise als CSU-Chef sein.  © dpa

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