Seit 2011 befindet sich Syrien im Ausnahmezustand: Bomben landen auf Schulen und Kliniken, Kinder sterben. Wir haben zwei Nahost-Experten befragt, wie sie die Chancen auf eine baldige Beilegung des Konfliktes einschätzen.
Wer kämpft eigentlich gegen wen?
Im Zentrum des Konflikts stehen die Regime-Unterstützer, die Präsident
Hinzu kommen die internationalen Unterstützer auf beiden Seiten. Auf Seiten des syrischen Regimes stehen der Iran, der Irak, Russland und die Hisbollah aus dem Libanon.
Die internationalen Unterstützer der Rebellen richten sich nicht in erster Linie gegen Assad, sondern vor allem gegen die Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS). Dazu zählen die USA, die Golfstaaten und die Türkei.
Neben dem Krieg zwischen Assad und den Rebellen werden weitere Konflikte in Syrien ausgetragen: Der IS kämpft sowohl gegen das Regime als auch gegen dessen Gegner, um den Nationalstaat Syrien abzuschaffen und ein länderübergreifendes Kalifat zu errichten.
Warum hält sich der Westen bisher zurück?
Die USA und Europa fordern bereits seit Beginn der Aufstände 2011 den Rückzug Assads und den Aufbau einer stabilen demokratischen Regierung. "Die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens hätte vor allem zu diesem Zeitpunkt bestanden", so Prof. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.
"Mit einer Flugverbotszone und der Androhung weiterer Schritte, wie beispielsweise einer Seeblockade, hätte man Assad dazu zwingen können, einen politischen Weg zu gehen." Diese Chance aber sei laut Krause verpasst worden.
"Aus guten Gründen, wie den militärischen Risiken angesichts der effektiven syrischen Luftraumverteidigung. Und aus schlechten Gründen, wie die bei uns vorherrschende formelhafte Beschwörung, dass man mit militärischen Mitteln keine Probleme lösen könne."
Jetzt ist der Krieg laut Krause so weit fortgeschritten, dass eine externe Militärintervention wenig ausrichten und extrem risikohaft sein würde.
"Wie sollte 'der Westen' eingreifen? Durch Einsatz der Nato gegen das syrische Regime?", sagt hingegen Prof. Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt (ZEFAW). "Das würde zwar das Ende von Assad bedeuten, aber das Machtvakuum würde durch radikale islamistische Milizen gefüllt und Syrien wäre endgültig ein gescheiterter Staat."
Ein direkter Angriff auf die Regierungstruppen, gibt Meyer zu bedenken, würde auch einen Angriff auf deren Verbündete, allen voran Russland, bedeuten. "Auf eine solche militärische Konfrontation will sich die US-Regierung auf keinen Fall einlassen. Deshalb ist das offizielle Ziel der von den USA angeführten Allianz nur der Kampf gegen den IS."
Werden die USA unter Clinton oder Trump stärker eingreifen als unter Obama?
"Zumindest Trump hat immer wieder betont, dass er die stärkste Streitmacht der Welt bedenkenlos einsetzen würde, wenn dies im Interesse der USA wäre", so Prof. Günter Meyer. Zugleich hat der Präsidentschaftskandidat der Republikaner auch Sympathien gegenüber dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin bekundet – und das würde gegen ein Durchgreifen gegen das von Russland unterstützte syrische Regime sprechen.
"Angesichts der völligen Unberechenbarkeit von Trump sind Vorhersagen zu seinem politischen Handeln aber ohnehin höchst spekulativ", so Meyer.
Und was passiert, wenn
Gibt es denn eine denkbare politische Lösung, um den Konflikt in Syrien in näherer Zukunft beizulegen?
Dass der Krieg in Syrien bald beendet sein könnte, halten Experten für nahezu ausgeschlossen. Zu verworren sind die Verstrickungen der vielen Konfliktparteien inzwischen. Szenarien für politische Lösungen allerdings gibt es.
"Eine wäre beispielsweise die Verständigung zwischen dem Assad-Regime und den moderaten Kräften der syrischen Opposition, wobei die Chancen dafür momentan sehr gering sind", so Prof. Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel.
Auch Prof. Günter Meyer vom ZEFAW ist wenig optimistisch. "Die extremste Lösung wäre wohl eine ethnisch-religiöse Dreiteilung Syriens: In einen kurdischen Norden, das westliche Küsten- und Bergland unter der Kontrolle der Alawiten und als Rückzugsgebiet von Christen und anderen Minderheiten, sowie der restliche Bereich unter Kontrolle der Sunniten."
Ein Szenario, das weder Assad und seinen Verbündeten noch der Türkei gefallen würde, die eine autonome oder selbstständige Kurdenregion an ihrer Südgrenze kaum akzeptieren würde.
"Wenn Russland und die USA aber tatsächlich an einer friedlichen Lösung interessiert wären, dann könnten sie die verfeindeten Regionalmächte dazu bringen, dass sie den UN-Friedensplan akzeptieren", so Meyer weiter. Die noch erhaltenen staatlichen Strukturen würden laut dem Experten weiter funktionieren und Assad bliebe zumindest für eine Übergangszeit bis zur Schaffung neuer staatlicher Strukturen noch an der Macht.
"Durch eine Stabilisierung der politischen Lage in Syrien würden jedoch die Einflussmöglichkeiten von Moskau und Washington in der Region geschwächt – und das wird kaum in deren Interesse sein", so Meyer weiter.
Für den Nahost-Experten gibt es daher momentan nur einen Schluss: "Für das Leiden der syrischen Bevölkerung ist vorerst kein Ende absehbar."
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