Die Debatte um ein eventuelles AfD-Verbotsverfahren wird kontrovers diskutiert. Wir haben die innenpolitischen Sprecher im Bundestag von SPD, CDU, Grüne, FDP und Linkspartei nach ihrem Standpunkt gefragt.
Recherchen um ein rechtes Vernetzungstreffen in Potsdam haben hohe Wellen geschlagen. Laut "Correctiv" sollen unter anderem AfD-Politiker im November mit Größen der rechtsextremen Szene zusammengekommen sein. Dort soll ein Plan besprochen worden sein, der auch die Deportation deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund vorsieht. Seitdem hat die Debatte um ein mögliches AfD-Verbot an Fahrt aufgenommen.
Grünen-Politikerin: "Alle Möglichkeiten auf den Tisch legen"
"Die erschreckenden Enthüllungen über das rechte Geheimtreffen mit Vertreter*innen der AfD muss uns alle wachrütteln", sagt Lamya Kaddor von den Grünen. "Dabei müssen alle rechtlichen Möglichkeiten auf dem Tisch liegen und laufend geprüft werden." Also auch ein mögliches Verbot der AfD.
Manuel Höferlin von der FDP nennt die AfD "eine rechtsextreme Partei, in der Faschisten wie
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Hartmann, sagt mit Blick auf die "Correctiv"-Recherche über die AfD, dass sich "die Verfassungsferne der Partei" immer deutlicher zeige. Er begrüßt, dass die AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe, äußert sich zu einem Verbotsverfahren aber nicht konkret.
CDU-Politiker Throm hält wenig von einer Verbotsdebatte
CDU-Innenpolitiker Alexander Throm wird da deutlicher: "Von einer Verbotsdiskussion halte ich persönlich wenig. Ich halte sie sogar für schädlich und politisch unklug." Ein solches Verfahren sei langwierig und die Erfolgsaussichten schwer abzuschätzen, glaubt Throm, der der größten Oppositionspartei im Bundestag angehört. Am Ende könnte die AfD gar profitieren. Die Partei hält Throm dennoch für gefährlich und tief in "rechtsextremistischen Netzwerken verwurzelt".
Martina Renner von der Linkspartei ist eine klare Befürworterin eines Verbotsverfahrens. Die AfD sei "mit ihren Verbindungen in einschlägige Rechtsterror-Vorhaben als organischer Teil und parlamentarischer Arm dessen zu werten" und ziele auf Abschaffung grundlegender Verfassungswerte.
Für ein Verbotsverfahren gibt es in Deutschland strenge Regeln. Zwar dürfen Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung ein solches beantragen, die Entscheidung kann aber nur das Bundesverfassungsgericht fällen. Dieses hat in der Vergangenheit festgelegt, dass für ein Verbot die bloße Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen nicht ausreicht. Es müssen eine "aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung" hinzukommen sowie die Aussicht, dass für die Partei die Erfüllung ihrer Ziele nicht gänzlich aussichtslos ist.
Martina Renner (Linke): Verbot der "Jungen Alternative" wäre wichtiges Signal
Linken-Politikerin Renner glaubt, dass diese hohen Hürden viele Politikerinnen und Politiker abschrecken, sich deutlich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD auszusprechen. "Für einige werden die Enthüllungen zu den konkreten Deportationsplänen aber sicher ein Weckruf gewesen sein", so die innenpolitische Sprecherin ihrer Partei. "Es braucht jetzt dringend eine schnelle fraktionsübergreifende Verständigung zu Möglichkeiten und Wirkung eines AfD-Verbots."
Im Vergleich zu einem Verbot der AfD wäre das der parteinahen Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA) relativ einfach umzusetzen. Bei der vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingeordneten Gruppe handelt es sich um einen Verein und keine Partei. Daher könnte ein Verbot von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verfügt werden, auch ohne ein Urteil des Verfassungsgerichts.
Martina Renner spricht sich dafür aus: "Für ein Verbot der JA nach dem Vereinsgesetz liegen meines Erachtens die Voraussetzungen vor." Das auch umzusetzen, hielte sie für "ein erstes wichtiges Signal seitens der Bundesregierung".
Das sieht auch die Grünen-Abgeordnete Kaddor so. Die Verbotsdebatte solle nicht auf die AfD verengt werden. Ein Verbot der JA sei "als konsequenter erster Schritt sinnvoll", sagt die Politikerin. Sebastian Hartmann von der SPD erwartet vom Bundesinnenministerium, dass dieses das Vorliegen der Voraussetzungen für ein JA-Verbot "kontinuierlich prüft, um gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten".
FDP-Politiker: AfD "aus der politischen Arena verdrängen"
Alle Befragten sind sich in einem Punkt einig, unabhängig davon, wie sie zum Verbotsverfahren stehen: Auf die AfD müsse eine politische Antwort gefunden werden.
Der Liberale Höferlin appelliert an alle Parteien, "die rechtsextremen Kräfte aus der politischen Arena zu verdrängen". Seine grüne Kollegin Kaddor fordert den Einsatz von Politik und Zivilgesellschaft. "Rechte Narrative müssen endlich ernst genommen, aktiv widerlegt und dekonstruiert werden", sagt sie. "Die Zeit des Ignorierens ist vorbei."
"Wir müssen die AfD und ihr Gedankengut politisch bekämpfen, alle gemeinsam", sagt auch Oppositionspolitiker Throm – kritisiert dabei aber auch die Ampel-Regierung scharf: "Wer die Menschen gängelt, auf ihre berechtigten Bedürfnisse nicht eingeht, darf sich nicht wundern, wenn dies eine Gegenreaktion provoziert. Bürgergeld, Heizungsbevormundung, Turboeinbürgerung und immer mehr Anreize für illegale Migration durch die Ampel befeuern geradezu die AfD."
Throm bemängelt unter anderem den Plan der Ampel, in Deutschland lebenden Ausländern schneller die Staatsbürgerschaft zu geben. Das befeuere die AfD weiter. Er fordere daher die Regierung auf, "auf die Turboeinbürgerung zu verzichten".
Über unsere Gesprächspartner
- Lamya Kaddor ist ehemalige Lehrerin und sitzt seit 2021 für Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Dort ist sie innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
- Manuel Höferlin war von 2009 bis 2013 und ist seit 2017 erneut Mitglied des Deutschen Bundestages für die FDP. Der studierte Rechtswissenschaftler sitzt für seine Partei im Ausschuss für Inneres und Heimat.
- Sebastian Hartmann ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Dort sitzt der ehemalige Organisationsberater seit 2013.
- Der Rechtsanwalt Alexander Throm war von 2011 bis 2016 Mitglied des baden-württembergischen Landtages. 2017 wechselte der CDU-Politiker in den Bundestag, wo er innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist.
- Martina Renner (Linke) ist seit 2013 Mitglied des Bundestages. Seitdem ihre Partei den Fraktionsstatus verloren hat, ist Renner Mitglied mit beratender Stimme im Innenausschuss.
Verwendete Quellen
- correcitv.org: Geheimplan gegen Deutschland
- bundesverfassungsgericht.de: Parteiverbotsverfahren
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