Am Dienstag war Friedrich Merz nur kurz im Kanzleramt - auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem vertraulichen Gespräch über die aktuelle Lage. Im kommenden Jahr will der CDU-Chef dort dauerhaft einziehen, als Hausherr. Das ist der Plan. Ob es tatsächlich so kommen wird? Die nächsten Wochen werden entscheidend sein für die Karriere des Friedrich Merz. Sie bergen jede Menge Risiken für den CDU-Chef, der in seiner eigenen Partei nicht so fest im Sattel sitzt, wie er sich das wünschen würde.

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Für Merz ist es eine Zeit der Bewährung. Drei schwierige Aufgaben muss der CDU-Chef nun meistern. Erstens: Er muss sich die Kanzlerkandidatur der Union sichern. Ein Selbstläufer ist das nicht, denn Merz ist anhaltend unbeliebt, auch bei den Anhängern der Union.

Zweitens: Die Ergebnisse der Wahlen am Sonntag in Sachsen und Thüringen - und am 22. September in Brandenburg - könnten der CDU zwar respektable Ergebnisse bescheren - aber auch eine schwierige Phase der Selbstbeschäftigung. Merz muss hier möglicherweise komplizierte Debatten über die Abgrenzung seiner Partei zu AfD und BSW steuern.

Drittens: Merz muss einen effektiven Umgang mit der ausgezehrten Ampel-Koalition finden. Sollte die Scholz-Koalition nach einem Wahldebakel im Osten implodieren, wäre die Union vielleicht schon bald als Mehrheitsbeschafferin im Bundestag gefragt.

Ein großes Hindernis auf dem Weg des CDU-Chefs ins Kanzleramt ist der Umstand, dass ihm die Wählerschaft und die eigenen Anhänger schlichtweg die Zuneigung versagen. In der letzten Forsa-Umfrage sprachen sich nur 27 Prozent der Befragten für einen Kanzler Merz aus - genauso viel wie für Olaf Scholz, der eine unpopuläre Koalition führt.

Forsa-Chef Manfred Güllner hebt hervor, dass die angestrebte Kanzlerkandidatur von Merz sogar "von einer Mehrheit der Mitglieder der eigenen Partei nicht befürwortet wird". Parteiintern gilt Merz aber als Favorit für die Kanzlerkandidatur, auch wenn CSU-Chef Markus Söder weiterhin mit seinen Ambitionen kokettiert.

In den Wochen nach den Ost-Wahlen wird Merz zeigen müssen, wie weit seine Autorität in der CDU reicht. Denn insbesondere in der Debatte um eine mögliche Zusammenarbeit mit Sahra Wagenknechts BSW hat die CDU im Osten ihrem Bundesvorsitzenden bereits die Grenzen seiner Macht aufgezeigt.

Merz hatte eine solche Zusammenarbeit nach der Europawahl zunächst klar ausgeschlossen, musste dann aber zurückrudern: Die CDU-Landesverbände im Osten wollen über diese Frage selbst entscheiden.

Die Politikprofessorin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, erwartet nach den Wahlen am Sonntag in Sachsen und Thüringen eine etwas paradoxe Situation für die Christdemokraten: Zwar werde die CDU "dort ganz gut abschneiden bei den Leuten", sagte Münch der Nachrichtenagentur AFP. Doch sie werde sich nicht auf einem Erfolg ausruhen können.

"Nach den Wahlen wird die CDU sehr stark mit sich selbst beschäftigt sein", sagte Münch voraus. "Die CDU-Landesverbände und die CDU-Bundesspitze werden das Thema haben: Wie gehen wir mit der AfD um?"

Das Risiko für Merz wird also darin bestehen, dass sich seine Partei in schwierigen internen Kursdebatten im Osten verzehrt - und dabei bundespolitisch nicht vom schlechten Erscheinungsbild der "Ampel" profitieren kann.

Dass Merz mit seiner CDU im Falle eines Bruchs der "Ampel" der SPD von Kanzler Scholz als Mehrheitsbeschafferin zur Seite springt, glaubt Politologin Münch nicht. "Die wären ja blöd, wenn sie das täten", sagte Münch. Schließlich liege die Union im Umfragen derzeit deutlich vorne - und hätte deswegen ein großes Interesse an Neuwahlen, sollte Scholz' Koalition ihre Mehrheit im Bundestag verlieren.   © AFP

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