Die CDU kommt zum Bundesparteitag in Berlin zusammen – und strotzt vor Selbstbewusstsein. Parteichef Friedrich Merz dürfte mit einem guten Ergebnis wiedergewählt werden. Vor heiklen Entscheidungen steht die Partei erst nach dem Sommer.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Ort hat es schon mal in sich. Das Estrel-Hotel bezeichnet sich selbst als größtes Hotel Europas. Wie ein Schiff aus Glas und Beton ragt es in Berlin-Neukölln in die Höhe. Die Flasche Champagner gibt es in der Hotelbar für 85 Euro. Doch die Sonnenallee, Berlins berühmt-berüchtigte Döner-und-Shisha-Meile, ist auch um die Ecke.

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Im benachbarten Estrel-Kongresszentrum trifft sich die CDU ab Montag zum Bundesparteitag. Vielleicht passt dieser Ort der Extreme und Gegensätze ganz gut zum Anspruch der Partei: Die Union sieht sich als letzte Volkspartei des Landes. Sie will Menschen zusammenführen – und setzt deshalb bei der nächsten Bundestagswahl wieder auf Ergebnisse deutlich über 30 Prozent. In der zunehmend fragmentierten Parteienlandschaft würde sie die Mitbewerber damit in der Tat um einen Kopf überragen.

Wiederwahl von Friedrich Merz: Ein unangefochtener Parteichef

Der Höhepunkt steht gleich am Montag an: Die 1001 Delegierten werden einen neuen Bundesvorstand wählen – beziehungsweise den bisherigen Vorsitzenden bestätigen.

Friedrich Merz hat 2022 bei seiner ersten Wahl zum Parteichef 94,6 Prozent der Stimmen bekommen. Wenn er an dieses Ergebnis erneut heranreicht oder es gar übertrifft, wäre das mehr als ein Fingerzeig: Merz ist in der Partei derzeit unangefochten. Wenn er sie sich zumuten will, wäre ihm auch die nächste Kanzlerkandidatur nicht zu nehmen.

Der Sauerländer hat es erst im dritten Anlauf an die Parteispitze geschafft. Und bei liberalen CDU-Mitgliedern sowie auf dem Arbeitnehmerflügel stieß er zunächst auf Skepsis und Vorbehalte. Doch Merz hat die Reihen hinter sich geschlossen, die Umfragewerte der CDU zumindest wieder an die 30-Prozent-Marke gebracht.

Auch wenn das zum Teil dem zerstrittenen Bild der Ampel-Koalition geschuldet ist: Die Partei hat sich in der Opposition gesammelt und in die Ära von Angela Merkel abgehakt. Die frühere Bundeskanzlerin wurde übrigens zum Parteitag eingeladen, hat aber abgesagt.

In der Partei wird gar über folgendes Szenario spekuliert: Der Vorsitzende hält eine umjubelte Rede und wird vom Parteitag gleich noch zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Merz hat bisher gesagt, dass er die K-Frage erst nach den Ost-Landtagswahlen im September klären will. Und Markus Söder will wohl zumindest seinen Segen geben. Immerhin: Das könnte er. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident soll gleich zweimal auf dem Parteitag der Schwesterpartei reden.

Grundsatzprogramm steht auf Parteitag zur Abstimmung

Geschlossenheit und solide Umfragewerte dürften auch Carsten Linnemann ein gutes Wahlergebnis bescheren. Er hat im Juli 2023 das Amt des Generalsekretärs übernommen – jetzt müssen die Delegierten ihn noch offiziell bestätigen.

Linnemann hat der Partei in den vergangenen anderthalb Jahren zudem ein neues Grundsatzprogramm verpasst. Am Dienstag soll der Parteitag die neuen Glaubenssätze absegnen. Es dürfte die eine oder andere Diskussion über den Umgang mit dem Islam und den Begriff der Leitkultur geben. Doch auch hier gilt: Widerspruch ist kaum zu erwarten.

Eine letzte kleine Bruchstelle dürfte mit den Vorstandswahlen gekittet werden. Leise, aber vernehmbar gab es zuletzt eine gewisse Unzufriedenheit auf dem Sozialflügel der Partei: Soziale Themen würden in der CDU eine zu kleine Rolle spielen. Nun aber soll Karl-Josef Laumann, Sozialminister in Nordrhein-Westfalen und prominentestes Gesicht der christdemokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), in die Riege der fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden aufrücken.

Koalitionsfragen stellen sich nach Landtagswahlen

Die Partei wirkte schon auf den Konferenzen zum neuen Grundsatzprogramm mit sich im Reinen, stellenweise fast berauscht von sich selbst. Auch, weil sie von der durchwachsenen Stimmung in der Bevölkerung profitiert. Carsten Linnemann erwähnt am Freitag in der Bundespressekonferenz eine Umfrage des Allensbach-Instituts: "Die Mehrheit der Deutschen schaut zum ersten Mal pessimistisch in die Zukunft. Das ist bitter, das trifft ins Mark", sagt er. Umso mehr sehe sich die Partei in der Aufgabe, dem Land "Optimismus zu schenken".

In der Opposition sind Parteien zwar fern von der Macht. Doch dafür können sie sich stärker mit sich selbst beschäftigen – und die eigene Programmatik in Reinform vertreten, ganz ohne die Zwänge des Regierens und der Kompromisssuche. Davon profitiert gerade die CDU.

Spätestens nach dem Sommer aber wird es wieder um die Macht gehen, spätestens dann wird die CDU heikle Fragen beantworten müssen. Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Nach aktuellen Umfragen könnte die AfD deutlich erstarken. Auf jeden Fall dürfte die Mehrheitssuche in den Landtagen schwer werden.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen sowohl Merz als auch Linnemann kategorisch aus – obwohl einige Mitglieder an der ostdeutschen Basis da weniger Berührungsängste haben. Würde die CDU mit den von ihr häufig verteufelten Grünen koalieren? Bleibt es beim Nein zu einer Kooperation mit der Linken? Und was ist eigentlich mit dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht?

Diese Frage wird die CDU zumindest in der kommenden Woche noch nicht beantworten. "Ich sehe die Problematik nicht, im Gegenteil", sagt Linnemann am Freitag in der Bundespressekonferenz. Eine Debatte über eine Zusammenarbeit mit der Linken, BSW oder gar mit der AfD erwartet der Generalsekretär nicht. "Wir werden uns auf uns konzentrieren."

Verwendete Quelle

  • Pressekonferenz mit Carsten Linnemann in der Bundespressekonferenz
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