• Der Expertenrat der Bundesregierung hat Alarm geschlagen, Bund und Länder reagieren noch vor Weihnachten.
  • Um die Ausbreitung der hoch ansteckenden Corona-Variante Omikron zu bremsen, sollen Kontaktbeschränkungen bald auch für Geimpfte und Genesene gelten.
  • Diesen und weitere Vorschläge diskutieren Kanzler Olaf Scholz und die Regierungschefs der Bundesländer bei dem am Dienstag anberaumten Treffen, wie aus der Beschlussvorlage hervorgeht.

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Omikron-Alarm in Deutschland: Wie die vorhergesagte massive fünfte Corona-Welle eingedämmt werden soll, diskutieren am Dienstag Bund und Länder. Das Treffen wurde am Wochenende angesichts der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus kurzfristig angesetzt. Dem Expertenrat der Regierung zufolge droht Deutschland durch Omikron eine "neue Dimension" des Pandemiegeschehens.

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer werden nun wohl schärfere Maßnahmen beschließen, wie ein am Montag laut Deutscher Presseagentur vom Kanzleramt verschickter Beschlussentwurf zeigt.

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Über die Vorschläge in dem sechsseitigen Papier, das auf 11:00 Uhr datiert ist und unserer Redaktion vorliegt, stimmen sich die Regierungschefinnen und -chefs der Länder am Dienstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab. Das sind die zentralen Punkte:

1. Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene

Nicht mehr nur Ungeimpfte, sondern auch Geimpfte und Genesene werden in Kürze ihre Kontakte reduzieren müssen. Große Silvesterfeiern mit vielen Menschen seien laut Beschlussvorlage "nicht zu verantworten".

Konkret heißt das: Es wird eine Obergrenze geben, ab dem 28. Dezember dürfen sich nur noch insgesamt maximal zehn Geimpfte und Genesene treffen – egal ob drinnen oder draußen. Von der Regelung ausgenommen werden Kinder unter 14 Jahren. Und: Sobald eine ungeimpfte Person an einem Treffen teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte: ein Haushalt plus maximal zwei Personen eines weiteren Haushaltes.

Der Zugang zu Veranstaltungen, Restaurants und zum Einzelhandel (ausgenommen Geschäfte des täglichen Bedarfs) wird weiterhin nur Geimpften und Genesenen gestattet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einem Besuch in Rom, man werde sich am Dienstag unter anderem mit den privaten Kontakten auch von Geimpften befassen. "Die große Silvestersause" wird es auch in diesem Jahr nicht geben können, machte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Montag im ARD-"Morgenmagazin" deutlich. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von Kontaktbeschränkungen insbesondere zu Silvester.

2. Weihnachten

Die strengeren Regeln sollen erst nach den Weihnachtsfeiertagen in Kraft treten. Dennoch appellieren Scholz und die Länderchefinnen und -chefs, die Festtage "verantwortungsbewusst zu begehen" und die Zahl der Kontakte bei Familienfeiern "eigenverantwortlich" zu begrenzen.

Neben den bekannten Regeln (zum Beispiel Abstand, Mund-Nasen-Schutz) ruft die Politik zudem dazu auf, "vor dem Zusammentreffen mit anderen Familienmitgliedern, Freundinnen und Freunden sowie Verwandten einen Test durchzuführen". Das gleiche gilt auch für Silvester, egal ob geimpft oder nicht.

3. Silvester

Clubs und Diskotheken sollen in Innenräumen schließen. In einigen Bundesländern darf schon seit einiger Zeit nicht mehr getanzt werden. Schließungen sind nach dem letzten Bund-Länder-Beschluss von Anfang Dezember aber an den Inzidenzwert von 350 gekoppelt. Nun dürfte bundesweit erst einmal grundsätzlich die Musik ausgehen. Ein Verbot des Verkaufs von Feuerwerk und Pyrotechnik war bereits zuvor beschlossen worden. "Vom Zünden von Silvesterfeuerwerk wird generell dringend abgeraten", heißt es in der Beschlussvorlage.

4. Impfkampagne

Die Impfkampagne soll dem Entwurf zufolge weiter intensiviert werden. Das Ziel: "Bund und Länder wollen weitere 30 Millionen Impfungen (Booster-, Erst- und Zweitimpfungen) bis Ende Januar 2022 erreichen." Praxen und Impfzentren sollen deshalb möglichst zwischen Weihnachten und Silvester geöffnet bleiben. Darüber hinaus sollen Impfangebote für Kinder auf- und ausgebaut werden.

Bund und Länder fordern alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich "dringend" zu impfen beziehungsweise sich "so schnell wie möglich" ihre Auffrischungsimpfung geben zu lassen und nicht auf mögliche, an die Omikron-Variante angepasste Corona-Vakzine zu warten.

5. Große Sport- und Kulturveranstaltungen

Zuschauerträchtige Events werden kleiner ausfallen müssen, sie werden laut dem Entwurf "deutlich eingeschränkt". Veranstaltungen in geschlossen Räumen und im Freien sollen nur noch mit einer um 50 bis 70 Prozent verminderten Kapazität stattfinden dürfen. Für Drinnen könnte sogar eine absolute Grenze beschlossen werden. Überall gilt: mindestens medizinische Masken und 2G.

In Bundesländern mit einem "hohen Infektionsgeschehen" sollen Kulturveranstaltungen nach Möglichkeit abgesagt und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer durchgeführt werden.

Für Veranstaltungen in Innenräumen gilt derzeit eine Obergrenze von 50, an Freiluftveranstaltungen dürfen bis zu 200 Menschen teilnehmen. Diese Zahlen dürften deutlich reduziert werden.

SPD-Chefin Saskia Esken sprach sich für eine "wesentliche Beschränkung der Großveranstaltungen zum Beispiel im Sport" aus. Umgesetzt werden müssen die Beschlüsse wie immer in den Bundesländern durch eigene Verordnungen. Die genauen Regeln und auch das Datum des Inkrafttretens können sich im Ergebnis unterscheiden.

6. Omikron

Bund und Länder zeigen sich in dem Entwurf äußerst besorgt über die Verbreitung der Omikron-Variante: "In anderen Staaten zeigt sich, dass sich die Zahl der Infizierten innerhalb von zwei bis drei Tagen verdoppelt, das ist eine nie dagewesene Verbreitungsgeschwindigkeit", heißt es darin. "Die neue Virusvariante unterläuft außerdem einen bestehenden Infektionsschutz. Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen."

Allgemeine Lockdown-Maßnahmen wie zum Beispiel in den Niederlanden sind in Deutschland trotzdem zunächst nicht geplant. Finanzminister Lindner sagte: "Wir wollen keine pauschalen Schließungen von Schulen, wir wollen auch keine pauschale Schließung von Gastronomie, Hotellerie und Handel." Der Schlüssel zur Bewältigung der vierten und fünften Welle sei, nicht nachzulassen beim Impfen und Boostern und Kontaktbeschränkungen vorzunehmen, "damit es eben nicht zu pauschalen Lockdowns wie in den Niederlanden kommen muss", so der FDP-Chef.

NRW-Ministerpräsident Wüst wies darauf hin, dass solche Maßnahmen in Deutschland momentan "aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht möglich" seien

Warnung des Expertenrates

Am Wochenende hatte der Expertenrat in seiner ersten Stellungnahme vor einer Ansteckung von zweifach Geimpften sowie Genesenen durch Omikron gewarnt. "Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen." Eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser sei zu erwarten.

"Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne". Einen Lockdown vor Weihnachten hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Sonntag ausgeschlossen.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt: "Angesichts der äußerst hohen Übertragbarkeit von Omikron werden wir um einen Lockdown nach Weihnachten vermutlich nicht herumkommen." Eine solche Maßnahme wird allerdings in dem bisher vorliegenden Entwurf nicht erwähnt.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), zugleich Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, sagte in der ARD, es werde bei dem Treffen am Dienstag vor allem um Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich gehen. Eine weihnachtliche Kaffeetafel oder ein Abendessen im Kreis der Familie werde auch dieses Jahr möglich sein. "Aber die große Silvestersause wird es nicht geben können."

Niedersachsen hat bereits verschärfte Corona-Maßnahmen auf den Weg gebracht – diese gelten von Heiligabend bis zum 2. Januar. Über die Feiertage dürfen drinnen maximal 25 Menschen zusammenkommen – im Außenbereich sind es 50 Menschen. Clubs und Diskotheken müssen in diesem Zeitraum landesweit unabhängig von der Inzidenz schließen.

Mit Material von dpa und AFP.
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