Warnungen vor einer Zuspitzung der Corona-Lage werden lauter. Reicht ein regionales Gegensteuern, wenn sich das Virus auf breiter Front ausbreitet? Bund und Länder planen das nächste Krisengespräch. Die Kanzlerin hat offenbar klare Vorstellungen. Kommt ein "Lockdown light"
Angesichts rasant zunehmender Corona-Infektionen will
Es gehe darum, was Bund und Länder gemeinsam tun könnten, um möglichst schnell den Trend zu brechen, sagte Regierungssprecher
Was bedeutet ein "Lockdown light" laut Merkel?
Nach "Bild"-Informationen will das Kanzleramt bei den Ländern für mögliche weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens werben. Im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr sollten Schulen und Kitas dann jedoch weiter geöffnet bleiben, außer in Regionen mit katastrophal hohen Infektionszahlen, berichtete die Zeitung am Montagabend. Auch der Einzelhandel solle mit neuen Einschränkungen offen bleiben. Laut "Bild" will das Kanzleramt vor allem bei Gastronomie und Veranstaltungen hart vorgehen.
Seibert sprach von einem "drastischen Anstieg" der Neuinfektionen und einer "sich zuspitzenden ernsthaften Lage". In zahlreichen Kommunen sei ein Nachverfolgen der Kontaktpersonen jedes einzelnen Infizierten nicht mehr möglich, da die Zahlen einfach zu hoch seien.
Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen mitteilte, meldeten die Gesundheitsämter 8.685 Neuinfektionen binnen eines Tages - etwa doppelt so viele wie am Montag vor einer Woche mit 4.325. Dabei sind die Zahlen sonntags und montags niedriger, auch weil an Wochenenden weniger getestet wird. Am Samstag war mit 14.714 Neuinfektionen ein Höchstwert seit Beginn der Pandemie in Deutschland erreicht worden.
Merkel hatte am Wochenende nochmals eindringlich an alle Bürger appelliert, Kontakte generell zu reduzieren. Am Montag mahnte sie nach Informationen der "Bild" auch in den CDU-Gremien, der Anstieg der Infektionen müsse dringend gestoppt werden. Die Situation sei "hochdynamisch" und "dramatisch". Deutschland könne bald in eine "schwierige Lage" bei Intensivbetten in den Kliniken kommen. Auch Kanzleramtschef
Merkel und die Ministerpräsidenten hatten zuletzt am 14. Oktober gemeinsam beraten und einige zusätzliche Maßnahmen vor allem für regionale Corona-Hochburgen vereinbart. Die Kanzlerin hatte damals bereits deutlich gemacht, dass nach etwa zehn Tagen zu sehen sei, "ob neue weitere Schritte notwendig sind oder ob die beschlossenen Schritte bereits ausgereicht haben". Zu denkbaren zusätzlichen Maßnahmen äußerte sich die Bundesregierung vorab zunächst nicht.
Tschentscher: Müssen "bundesweit auf die Regeln gucken"
Hamburgs Erster Bürgermeister
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in München: "Ich glaube schon, dass es ziemlich ernst jetzt ist, und dass sich alle nochmal klarmachen müssen, um was es geht." Er sagte mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz: "Das ist die Entscheidungswoche."
Saar-Regierungschef Tobias Hans (CDU) sagte im Deutschlandfunk, er glaube nicht, "dass wir noch mal eine Lockdown-Situation brauchen oder bekommen werden wie im Frühjahr". Das gelinge aber nur, "wenn wir jetzt konzertiert als Bundesländer mit dem Bund zusammen klare Maßstäbe, die für jeden transparent sind, festlegen". Es habe keinen Sinn, wegen hoher Neuinfektionszahl-Zahlen in einem saarländischen Kreis einen sächsischen Kreis in den Stillstand zu bringen. Es solle aber jeder nachschauen können: "Ist dieser Landkreis rot, gelb oder grün?" - und Sicherheit haben, dass jeweils gleiche Maßnahmen gelten.
Union verschiebt Parteitag und Wahl eines neuen Vorsitzenden
Die Kanzlerin sieht die Coronakrise auch als Bewährungsprobe für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. "Die Pandemie mit ihren vielfältigen Folgen trifft uns alle, einige aber besonders hart - vor allem jene, die ohnehin nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die im Alltag Aufmerksamkeit und Unterstützung brauchen, die sie nun aber coronabedingt noch schwerer als sonst bekommen können. Und so gewinnt die soziale Frage an Schärfe", sagte Merkel in einer Videobotschaft bei der Verleihung des Sozialpreises 2020 der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege.
Angesichts der zugespitzten Lage verschiebt die CDU ihren für den 4. Dezember in Stuttgart geplanten Parteitag mit 1.001 Delegierten zur Wahl eines neuen Vorsitzenden ins nächste Jahr. Der Parteitag solle dann idealerweise in Präsenz stattfinden, teilte Generalsekretär Paul Ziemiak mit. Sei dies nicht möglich, solle ein digitaler Parteitag abgehalten werden. Die Linke wollte am Dienstagabend entscheiden, ob ihr am Freitag in Erfurt geplanter Parteitag abgesagt werden muss.
In acht Ländern begann nach den Herbstferien am Montag die Schule. Corona-Auflagen gelten vielerorts weiter oder wurden verschärft. So müssen in Berlin Schüler der Oberstufe sowie aller Berufsschulen und Oberstufenzentren auch im Unterricht Maske tragen. Grünen-Chef Robert Habeck forderte ein besonderes Augenmerk darauf, Schulschließungen zu verhindern. Dazu beitragen könnten Luftreinigungsanlagen in den Schulen. "Das hätte schon längst passieren müssen."
Lauterbach will "Teil-Lockdown"
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich in der "Passauer Neuen Presse" (Montag) für einen "sehr kurzen, zeitlich eng begrenzten Teil-Lockdown" aus. "Weniger Freunde treffen, weniger Restaurantbesuche, weniger ins Kino und zu Sportveranstaltungen gehen."
In Nordrhein-Westfalen bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster am Montag Sperrstunden für Gaststätten in Risikogebieten mit hohen Infektionszahlen. Das Verbot des Alkoholverkaufs zwischen 23:00 und 06:00 Uhr diene dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. (Az.: 13 B 1581/20.NE).
Wegen stark gestiegener Corona-Zahlen gelten nun auch im bayerischen Landkreis Rottal-Inn ab Dienstag strikte Ausgangsbeschränkungen. Schulen und Kindergärten werden geschlossen und Veranstaltungen abgesagt, wie es in einer Mitteilung heißt. Vergangene Woche wurden im Landkreis Berchtesgadener Land ähnliche Beschränkungen verhängt. (br/dpa)
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