Angela Merkel wirkt gelöster als bei früheren Generaldebatten im Bundestag. Bei einem Thema wird sie dann sogar emotional - als es um den UN-Migrationspakt geht. Bei der Debatte kommt eigentlich nur von der AfD Gegenwind. Doch Merkel könnte wegen des Themas bald auch in der eigenen Partei ein Problem bekommen.

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Angela Merkels Ansprache bei der Generaldebatte ist über den Haushalt 2019 ihr erster größerer Auftritt im Bundestag seit der Ankündigung ihres Rücktritts auf Raten.

Der am 29. Oktober angekündigte Verzicht auf den CDU-Vorsitz und die Ansage, das sei ihre letzte Legislaturperiode als Kanzlerin, sollte eigentlich ein Befreiungsschlag sein.

Sie wollte wieder mehr Bewegungsfreiheit für das Regierungshandeln bekommen und sich nicht die ganze Zeit mit unionsinternen Querelen rumschlagen müssen. Doch nun könnte ihr ein Problem auf die Füße fallen, das eigentlich gar kein so großes zu sein scheint - der Globale Migrationspakt.

Fataler Eindruck des Migrationspakts entstanden

Die Kanzlerin geht am Mittwoch in der Generaldebatte zunächst in ihrer bekannt unaufgeregten Art auf die künftigen Wohltaten der Regierung ein.

Dann streicht sie die Digitalisierung wieder als große Zukunftsaufgabe heraus, sie blickt auf die Gedenktage zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren zurück und hebt die dringende Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit heraus - bis sie zum Thema Migrationspakt kommt. Und hier wird die Kanzlerin emotional.

Der Streit darum ist nach Überzeugung des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt vor allem auf ein Kommunikationsversagen des Auswärtigen Amtes und dessen SPD-Ressortchef Heiko Maas zurückzuführen.

Das Außenamt hat den Pakt in den Vereinten Nationen verhandelt, die gesamte Regierung aber hat es versäumt, ihn den Bürgern nahezubringen. So sei "der fatale Eindruck entstanden, die Regierung habe etwas zu verheimlichen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn dem "Cicero".

Man habe sehr wohl über den Pakt für Migration gesprochen, hält Merkel dem entgegen. Ein Ansatz der Vereinbarung sei, dass "sich Menschen verpflichten, überall mit Menschen vernünftig umzugehen".

"Nationalismus in reinster Form"

Grundsätzlich gelte: Flucht und Migration in der Welt müssten selbstverständlich international gelöst werden.

"Entweder man gehört zu denen, die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken. Das ist Nationalismus in reinster Form. Das ist kein Patriotismus. Denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere mit einbezieht und Win-Win-Situationen akzeptiert."

Die AfD hatte die Debatte über den Migrationspakt angeheizt, ohne dass zunächst aus der großen Koalition eine nennenswerte Gegenreaktion kam.

FDP-Chef Christian Lindner warnt in der Debatte, das Handelsabkommen TTIP sei von der politischen Linken durch Desinformation kaputt gemacht worden. "Das darf jetzt beim UN-Migrationspakt nicht von der politischen rechten Seite sich wiederholen."

Die Souveränität Deutschlands sei von dem Pakt nicht berührt, er sei nicht verbindlich, macht Merkel deutlich. Diesen Punkt greift AfD-Chef Alexander Gauland in der Debatte genüsslich auf.

Der Pakt solle weltweite Migration ordnen, illegale Einwanderung eindämmen und das Schlepperwesen bekämpfen, heiße es. Aber "könnten Sie der Öffentlichkeit einmal erklären, wie das funktionieren soll mit einem völlig unverbindlichen Papier", fragte er in Richtung Regierungsbank.

Spahn könnte von Diskussion um Pakt profitieren

Nicht weniger genüsslich verweist Gauland auf Kritiker im Lager der Kanzlerin. Spahn wolle auf dem CDU-Parteitag über den Pakt abstimmen lassen, sagt der AfD-Chef.

Und der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer argumentiere, das Papier öffne Flüchtlingen Tür und Tor. "Hören Sie auf, Ihre Politik an Illusionen auszurichten", ruft er Merkel zu.

Spahn, der sich um den CDU-Vorsitz bewirbt, lehnt den Pakt nicht grundsätzlich ab, wie er selbst sagt. Er sieht aber erheblichen Diskussionsbedarf, auch in der eigenen Partei.

Dafür solle auf dem Parteitag in gut zwei Wochen in Hamburg Platz eingeräumt werden, meint er. Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) unterstützt Spahn, er forderte sogar eine Abstimmung über den Pakt auf dem Parteitag.

Spahn, der während der Debatte auf der Regierungsbank kurz mit Merkel spricht, könnte die Gemengelage gelegen kommen, um im Rennen um den Parteivorsitz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz aufzuholen.

Sollte es auf dem Parteitag in Hamburg wider Erwarten zu einer Abstimmung kommen - in der CDU scheint inzwischen ja vieles möglich - und das Abkommen dann in der jetzigen Form abgelehnt werden, hätte Merkel ein Problem.

Der Pakt, mit dem die Vereinten Nationen erstmals Grundsätze für den Umgang mit Migranten und Flüchtlingen festlegen wollen, soll nämlich schon wenige Tage später bei einem Gipfeltreffen in Marokko verabschiedet werden. (dpa/thp)

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