Wolfgang Kubicki ist nicht dafür bekannt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch vor den Koalitionspartnern macht der FDP-Vize verbal oft keinen Halt. Nun hat er aber die Union scharf kritisiert und vor allem die SPD lobend hervorgehoben.

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Trotz der Probleme in der Ampel-Koalition sieht FDP-Vize Wolfgang Kubicki bei den Liberalen keine Sehnsucht nach einem Bündnis mit der Union. "Ich kenne niemanden in der FDP, der sich aktuell Schwarz-Gelb zurückwünscht", sagte er dem "Tagesspiegel".

Die Grünen seien zwar "anstrengend", aber die Union sei "unzuverlässig und hinterhältig". Da helfe es auch nicht, dass FDP und Union zuweilen ähnliche Sichtweisen auf die Wirtschaftspolitik hätten.

"Die Vorstellung, der Union nach 16-jähriger Untätigkeit wieder das Ruder zu überlassen, jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken", sagte Kubicki. "Wollen wir wirklich Friedrich Merz oder gar Markus Söder in Verantwortung sehen, der morgens Bäume umarmt, um sie nachmittags zu fällen?", fragte er mit Blick auf die Chefs von CDU und CSU. Die Ampel sei eine "erfolgreiche Koalition ohne gute Alternative".

FDP und Union stehen sich inhaltlich traditionell nah

Kubickis Aussagen kommen überraschend. FDP und Union gelten generell als Parteien mit inhaltlich vielen Überschneidungen und deshalb als prädestiniert für Bündnisse. Deutlich wurde das zuletzt in der Debatte um den Atomausstieg, in der beide Parteien ähnlich gegen selbigen argumentieren.

Zudem hatte es zwischen den Ampel-Partnern SPD, Grünen und FDP zuletzt vermehrt Streit gegeben. Vor allem FDP und Grüne waren in den vergangenen Wochen teils heftig aneinandergeraten.

In einer Marathon-Sitzung im Koalitionsausschuss hatten sich die Parteien in der vergangenen Woche schließlich auf ein 16-seitiges Papier verständigt. Dieses sieht etwa den beschleunigten Ausbau der Autobahnen an 144 Stellen, Milliardeninvestitionen in das Schienennetz und eine Lockerung der Klimaschutzregeln vor.

Kubicki lobt SPD und Kanzler Scholz

Mit Blick auf die langen Verhandlungen sagte Kubicki nun "FDP und SPD wären nach vier Stunden fertig gewesen". Bei den Grünen hätte es hingegen "intern unheimlich viel Abstimmungsbedarf" gegeben. Grünen-Politiker hatten sich im Nachhinein unzufrieden mit den Ergebnissen des Ausschusses gezeigt - vor allem mit Blick auf den Klimaschutz.

Insofern sieht Kubicki nach eigenen Worten eine "neue emotionale Annäherung zwischen SPD und FDP". "Als ich am Freitag aus dem Plenarsaal kam, hat mich (SPD-Generalsekretär, Anm. d. Red.) Kevin Kühnert mit einer Herzlichkeit begrüßt... Ich habe ein ganz neues Kevin-Kühnert-Gefühl", sagte er.

Nach 32 Jahren parlamentarischer Tätigkeit wisse er, dass Vereinbarungen mit der SPD relativ schwierig zu erzielen seien. "Aber wenn sie einmal stehen, stehen sie. Da wird nicht im Nachhinein nochmal an den Formulierungen gerüttelt, wie es bei Grünen und vor allem der Union häufig der Fall ist."

Auch für Kanzler Olaf Scholz (SPD) verteilte Kubicki in dem "Tagesspiegel"-Interview explizites Lob. Die Kritik an dessen Kommunikationsstil sei zwar berechtigt, dennoch sei er froh, "dass gerade in diesen kriegerischen Zeiten jemand im Kanzleramt sitzt, der lieber einen Tag länger überlegt". Insgesamt könnten sich die Freien Demokraten über Scholz nicht beschweren. (dpa/thp)

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