Experten und Politiker warnen seit einiger Zeit vor einem wirtschaftlichem Abschwung in Deutschland. Doch einige der Projekte der Bundesregierung, wie die komplette Abschaffung des Soli, würden Milliarden verschlingen. Dennoch beharren Union und SPD auf ihre Forderungen. Das sorgt für viel Gesprächsstoff für das Treffen der Koalitionsspitzen.

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Die vor wenigen Tagen veröffentlichte neue Steuerschätzung prophezeit der Regierung in den kommenden Jahren schrumpfende finanzielle Spielräume. Sollten die Voraussagen zutreffen, hätte Finanzminister Olaf Scholz in seiner Planung bis 2023 eine Lücke von 10,5 Milliarden Euro - weil Deutschland durch die eingetrübte Konjunktur deutlich weniger Steuern einnimmt als geplant.

Anders als bisher muss die Koalition deshalb stärker Prioritäten setzen und entscheiden, was sie wann finanziert. Am Dienstagabend kommen Union und SPD zu einem Koalitionsausschuss zusammen, um zu beraten, welche Kernanliegen Vorrang haben und wo Kompromisse möglich sind.

Am Koalitionsausschuss nehmen die Parteichefs von CDU, CSU und SPD - Annegret Kramp-Karrenbauer, Markus Söder und Andrea Nahles - teil. Auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sitzen mit am Tisch. Scholz dürfte dabei als oberstem Kassenwart eine besondere Rolle zukommen.

Die Zeichen stehen auf Streit

Dabei stehen die Zeichen auf Streit, denn in vielen Fragen sind die Fronten verhärtet. So rückt die SPD bislang nicht von ihrem Vorhaben einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ab. Hubertus Heil (SPD) will dafür Berichten zufolge unter anderem auf Beitragsmittel aus den Sozialkassen zurückgreifen.

Die Union lehnt das strikt ab und fordert vor allem Entlastungen für die Wirtschaft und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Auch beim Thema "Paketboten" herrscht Uneinigkeit in der Bundesregierung. Arbeitsminister Heil will die großen Paketdienste verpflichten, Sozialabgaben für ihre Subunternehmer nachzuzahlen, wenn diese beim Mindestlohn betrügen.

So sollen die Arbeitsbedingungen für die Zusteller besser werden. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dagegen warnt vor einer Belastung der Unternehmen in Zeiten schwächerer Konjunktur.

Kramp-Karrenbauer betonte, die CDU werde nur einer "Gesamtlösung" zustimmen, die die Firmen an anderer Stelle auch entlaste. Dazu gebe es bisher aber keine "zielführenden Vorschläge".

Koalitionsbruch wegen Klimaschutz?

Eine Steuer auf den CO2-Ausstoß, den EU-Handel mit Emissionszertifikaten ausweiten - oder nichts davon? Klimaschutz-Ziele für Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft per Gesetz festzurren - oder nicht?

Der richtige Weg im Kampf gegen die Erderwärmung ist zwischen SPD, CDU und CSU extrem umstritten. Offiziell geht die Debatte am 29. Mai im Klimakabinett der Fachminister weiter, aber auch Nahles, Dobrindt und Kramp-Karrenbauer liegen weit auseinander.

Für manche in der SPD ist das Thema sogar mitentscheidend dafür, ob die große Koalition über den Herbst hinaus bestehen soll. Im Streit, ob eher eine CO2-Steuer oder ein erweiterter Emissionshandel für den Klimaschutz sinnvoll ist, positionierte sich vor dem Ausschuss auch Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann.

Er sprach sich gegen eine CO2-Steuer und rein deutsche Maßnahmen aus. Wichtiger sei es, Lösungen auf europäischer Ebene zu finden, sagte er am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin".

Grüne drängen auf Ergebnisse

Allgemeine Kritik an der Ausrichtung der deutschen und europäischen Klimapolitik kommt vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. "Eine totale Fixierung auf die CO2-Reduzierung ohne Rücksicht auf Gesellschaft und Wirtschaft führt ins Chaos", sagte Gesamtmetall-Chef Oliver Zander dem Berliner "Tagesspiegel".

Autos mit Verbrennungsmotor würden nicht so schnell verschwinden, wie viele meinten. "Wir brauchen noch mehrere Jahrzehnte saubere Diesel", sagte Zander.

Die Grünen dringen auf Ergebnisse in Sachen Klimapolitik: "Niemand in der Koalition hat derzeit den Willen und die Autorität, wirksamen Klimaschutz durchzusetzen", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter der dpa.

Die Union mutiere zur "reinen Dagegen-Partei" beim Klimaschutz. "Ich fordere die Spitzen der Koalition auf, sich im Koalitionsausschuss zu einem Akt gemeinsamer Vernunft durchzuringen", sagte Hofreiter. (dpa/thp)

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