Der früheren AfD-Vorsitzenden stehen turbulente Zeiten bevor. In Dresden muss sich Frauke Petry einem Gerichtsprozess stellen, bei den Landtagswahlen im Herbst hofft sie auf einen Erfolg ihrer Blauen Partei. Doch ist das Wählerpotenzial wirklich so groß?

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In der öffentlichen Wahrnehmung mag es ruhig geworden sein um Frauke Petry. Doch wenn es nach der früheren AfD-Vorsitzenden geht, soll sich das in diesem Jahr ändern.

Am Montag steht zunächst ein unangenehmer Termin an: In Dresden muss sich Petry vor Gericht verantworten – weil ihr eine falsche Zeugenaussage unter Eid im sächsischen Wahlprüfungsausschuss vorgeworfen wird.

Vor allem aber will sie wieder politisch von sich reden machen: Das Wahljahr 2019 wird zum wichtigen Test, vielleicht schon zum Schicksalsjahr ihrer "Blauen Partei".

Frauke Petry: Nische zwischen Union und AfD?

2017 verließ Petry die AfD, seitdem sitzt sie als parteilose Abgeordnete im Bundestag. Kurz nach ihrem Rückzug gründete sie die Blaue Partei: als gemäßigtere Alternative zur AfD, mit dem Slogan "frei und konservativ" und ganz auf sie zugeschnitten.

Ihr Bundestagskollege Mario Mieruch sowie Landtagsabgeordnete in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen folgten ihr. Die Vorfeldorganisation "Blaue Wende" soll als Bürgerforum auch parteilosen Bürgern offenstehen. Doch eine mächtige Konkurrenz zur AfD ist bisher nicht entstanden.

Eine Partei aufzubauen, ist mühsam. Zudem wird die Nische, die Petry besetzen will, kleiner: Die CDU hat sich bei ihren Werkstattgesprächen einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik verordnet.

Hat eine Blaue Partei da überhaupt ein Potenzial? Die 43-Jährige zweifelt daran nicht: Werkstattgespräche würden selten in Tagespolitik umgesetzt, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Die Hoffnung, dass die CDU wieder eine konservative Kraft wird, ist genauso klein wie die Hoffnung, dass die AfD wieder eine bürgerliche Kraft wird", so Petry.

"AfD hat kein bürgerliches Personal mehr"

Die Chemikerin hatte die Entwicklung der Partei nach rechts einst selbst mit vorangetrieben, als sie 2015 den Vorsitzenden Bernd Lucke stürzte. Der Begriff völkisch müsse wieder positiv besetzt werden, sagte Petry 2016. Anfang 2017 trat sie mit europäischen Rechtspopulisten in Koblenz auf.

Doch die Fundamentalopposition des extrem rechten "Flügels" um Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke war nicht ihre Sache. Von der Rhetorik ihrer früheren Partei distanziert sich Petry.

Bis auf ein paar Abgeordnete habe die AfD kein bürgerliches und erst recht kein freiheitliches Personal mehr, sagt sie: "Ich kann mich als ehemalige Vorsitzende von der Verantwortung für die Entwicklung der AfD nicht freisprechen. Aber dass ich Höcke ab 2015 innerhalb der Partei bekämpft habe, lässt sich nachprüfen. Vielleicht habe ich das nach außen zu wenig deutlich gemacht."

Gegen höheren Mindestlohn

Das Thema Migration spielt für die Blaue Partei eine Schlüsselrolle. Petry sagt aber auch: "Die Probleme des Landes lassen sich nicht alleine aus einer verfehlten Migrationspolitik erklären." Sie spricht sich zum Beispiel gegen einen höheren Mindestlohn aus.

Im Bildungsbereich beklagt sie, Leistung spiele eine zu kleine Rolle. "Wir entwickeln uns zu einer immer sozialistischeren Gesellschaft, in der der Staat dem Bürger sagt, was gut und richtig ist und so versucht, ihn umzuerziehen." Petry will ihre Partei rechts von der Union positionieren – dabei aber regierungsfähig bleiben.

An einer Koalition auf Landesebene mit Union und FDP teilzunehmen, schließt sie nicht aus: "Wir haben die parlamentarische Erfahrung dafür. Wenn die CDU eine bürgerliche Politik machen will, ist das nur zusammen mit bürgerlichen Parteien möglich, die die CDU wieder zu konservativer Politik zwingen."

Einzug in Landtage fraglich

Petry hält in Sachsen am 1. September ein "zweistelliges Ergebnis" für die Blauen für möglich – später in Thüringen sogar ein noch besseres.

Dieses Ziel erscheint nach jetzigem Stand mehr als ehrgeizig: In den meisten Umfragen zur sächsischen Landtagswahl taucht die Blaue Partei gar nicht erst auf. Im August kam sie bei einer Umfrage von uniQma im Auftrag der Leipziger Volkszeitung auf nur 0,4 Prozent.

Petry verweist lieber auf eine Umfrage des Instituts INSA, wonach sich neun Prozent der Wähler zumindest vorstellen können, ihre Partei zu wählen.

Der Parteienforscher Oskar Niedermayer, emeritierter Professor an der Freien Universität Berlin, bleibt skeptisch: "Ein gewisses Wählerpotenzial wäre sicher da. Aber ich glaube nicht, dass es von Petry und ihrer Partei abgerufen werden kann", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die organisatorischen Voraussetzungen seien bei einer Partei, die sich noch im Aufbau befinde, nicht gegeben.

Sechstes Kind auf dem Weg

Petry und ihr Mann Markus Pretzell erwarten im Juni ihr zweites gemeinsames Kind – für Petry ist es das sechste. Sie wohnt in Leipzig, pendelt zur Arbeit in den Bundestag nach Berlin, in den Landtag nach Dresden oder auf Termine im ganzen Land.

Dass man danach fragt, wie sie das alles meistert, findet sie selbst nicht verwunderlich. "Natürlich ist das ein immenses Pensum, aber ich habe auch den Bundestagswahlkampf 2017 gemeistert, als ich mit meinem fünften Kind schwanger war. Ich kenne es nicht anders als viel zu arbeiten und habe das Glück, relativ selbstständige Kinder zu haben."

Quellen:

  • Gespräch mit Frauke Petry
  • Gespräch mit Prof. Dr. Oskar Niedermayer, Freie Universität Berlin
  • Homepage "Die blaue Partei"
  • Berliner Morgenopost: Frauke Petry hofft auf einen Neustart mit der Blauen Partei
  • Bild.de: Neun Prozent würden auch Petry wählen
  • NOZ.de: Frauke Petry steht in Dresden vor Gericht
  • NTV.de: Le Pen beschwört Erwachen der Völker
  • Wahlrecht.de: Umfragen Sachsen
  • Welt.de: Petry will den Begriff "völkisch" positiv besetzen
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