Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will einen Qualitätsatlas zur Krankenhaus-Landschaft erstellen lassen. Dort sollen Patientinnen und Patienten die passende Klinik für einen planbaren Eingriff finden. Doch es gibt auch Kritik an den Plänen.
Es gibt in Deutschland rund 1.700 Krankenhäuser – aber nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers große Qualitätsunterschiede. Nicht jede Klinik ist für jedes Leiden, jede Operation gut aufgestellt. Würden zum Beispiel alle Schlaganfall-Patienten in einer spezialisierten "Stroke Unit" behandelt, könnten laut Studien pro Jahr 5.000 Leben gerettet werden, sagt
"Qualitätsatlas" soll leicht verständliche Übersicht bieten
Die Lösung des SPD-Politikers: Er will ein leicht verständliches und interaktives Transparenzverzeichnis im Internet veröffentlichen, also eine Art Krankenhaus-Check. Lauterbach spricht von einem "Qualitätsatlas".
Dort sollen Patientinnen und Patienten online ein passendes Krankenhaus für einen planbaren Eingriff finden: Welche Klinik im Umkreis hat sich zum Beispiel auf Meniskus-Operationen spezialisiert und ist dafür passend ausgestattet? Wie groß ist die Belegschaft? Wie viele Fälle davon haben Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte bearbeitet? Die nötigen Daten soll das "Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen" sammeln, auswerten und aufbereiten.
Das "Krankenhaustransparenzgesetz" hat das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg in die Gesetzgebung gebracht. Wenn der Bundestag den Plänen zustimmt, soll das Verzeichnis ab 1. April 2024 online sein und laufend aktualisiert werden.
Krankenhausgesellschaft: Übersicht gibt es schon
Die Verbraucherzentralen unterstützen die Idee. Der Gesundheitsexperte des Bundesverbands, Thomas Moormann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Transparenz ist bislang keine Stärke des Gesundheitssystems in Deutschland." Patientinnen und Patienten hätten es schwer, das für sie am besten geeignete Krankenhaus zu finden.
Der Verband der Deutschen Universitätsklinika begrüßt das Gesetz ebenfalls – auch weil die Häuser der Universitätsmedizin im Atlas gekennzeichnet werden sollen: "In Zukunft können Bürgerinnen und Bürger eindeutig erkennen, wo Maximalversorgung erbracht, interdisziplinär behandelt und an Innovationen geforscht wird", teilt der Vorsitzende Jens Scholz mit.
Gar nicht spektakulär findet dagegen die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft Lauterbachs Pläne für eine Transparenzübersicht. "Wir nehmen das mit Kopfschütteln zur Kenntnis, weil es diese Übersicht schon gibt", sagte der Vorsitzende Gerald Gaß Anfang August im Interview mit unserer Redaktion.
Gaß verweist auf das Deutsche Krankenhaus-Verzeichnis. Dort können Nutzerinnen und Nutzer bereits jetzt online für jedes Krankenhaus nachschauen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es hat, welche Eingriffe es anbietet und wie hoch zum Beispiel die Komplikationsraten sind.
Qualitätsatlas soll Krankenhäuser in Levels einteilen
Der Bundesgesundheitsminister nimmt für seinen Atlas aber in Anspruch, dass er aussagekräftiger sein wird als die bisherigen Angebote. Der Klinik-Check ist für Lauterbach auch ein Weg, möglichst viel seiner Ideen für eine Krankenhausreform zu retten: Der Gesundheitsminister wollte eigentlich eine Einteilung aller Kliniken in drei Levels durchsetzen (Vollversorger, spezialisierte Kliniken und Basisversorgung). Doch die Länder, die für die Krankenhausplanung zuständig sind, wollen sich nicht so weitgehende Vorgaben machen lassen.
Der im Sommer gefundene Kompromiss sieht vor: Bund und Länder legen Leistungsgruppen (zum Beispiel Kardiologie) und dafür geltende Qualitätsforderungen fest. Etwa bei Ausstattung, Personal und Behandlungserfahrungen. Die bundesweite Übersicht will sich Lauterbach aber nicht nehmen lassen – sie kann er auch ohne Zustimmung der Länder umsetzen. Auch die Einteilung der Krankenhäuser in verschiedene Levels soll sein Atlas bieten.
Sepp Müller (CDU): "Bürdet Krankenhäusern weitere Bürokratie auf"
Die oppositionelle CDU/CSU sieht das Gesetz kritisch. Lauterbach betreibe damit "Augenwischerei", sagt Sepp Müller, stellvertretender Vorsitzende der Unionsfraktion, unserer Redaktion. "Er lotst die Patienten nicht in die für sie besten, sondern in die größten Krankenhäuser." Das befeuere den kalten Strukturwandel durch die Hintertür, so Müller. Viele Kliniken bangen derzeit um ihre Existenz.
Mit der Pflicht, Daten für das Transparenzverzeichnis zu liefern, stellt Lauterbach aus Sicht des CDU-Politikers den Kliniken zusätzliche Aufgaben: "Anstatt Bürokratie abzubauen, so wie es der Minister immer wieder ankündigt, bürdet er den Krankenhäusern nur weitere auf. Das wird auch das schon am Limit arbeitende Pflegepersonal weiter belasten."
Lauterbach macht keinen Hehl daraus, dass nicht jedes Krankenhaus überleben wird. "Es gibt zu viele Krankenhäuser, die das Gleiche machen", sagte er im November im Interview mit unserer Redaktion. Wenn ein Chirurg zuerst eine Knie- und dann eine Darm-Operation vornimmt, ist das aus seiner Sicht nicht in seinem Sinne. "Wir müssen uns fragen: Wollen wir, dass diese Krankenhäuser sich füllen? Wollen wir uns da behandeln lassen oder unsere Familien?", fragt er am Mittwoch.
Überleben sollen aus Lauterbachs Sicht die Kliniken, die eine gute Behandlungsqualität bieten. "Wir wollen nicht, dass Krankenhäuser über die Runden kommen, weil sie Eingriffe machen, für die sie nicht das Personal haben und auf die sie nicht spezialisiert sind."
Verwendete Quellen:
- Pressekonferenz mit Karl Lauterbach in der Bundespressekonferenz
- Stellungnahme von Sepp Müller
- Pressemitteilung von "Die Universitätsklinika"
- Deutsches Krankenhaus-Verzeichnis
- Deutsche Presse-Agentur
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