Großunternehmen wie BMW kollektivieren, den Besitz von Immobilien beschränken: Juso-Chef Kevin Kühnert steht nach seinen Sozialismus-Thesen massiv in der Kritik. Die Rede ist zum Beispiel von einem "verschrobenen Retro-Weltbild eines verirrten Fantasten".

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Juso-Chef Kevin Kühnert hat für seine Sozialismus-Thesen massive Kritik geerntet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung: "Zum Glück haben wir den Sozialismus überwunden, bei dem zwar alle gleich, aber alle gleich arm waren. Die Forderung, Betriebe wie BMW zu kollektivieren, zeigt das rückwärtsgewandte und verschrobene Retro-Weltbild eines verirrten Fantasten. Das kann ich alles gar nicht ernst nehmen."

Kühnert: Große Firmen sollten kollektiviert werden

Kühnert hatte in einem Interview mit der "Zeit" gesagt, dass er große Firmen kollektivieren möchte. Er wolle eine Kollektivierung von Unternehmen wie BMW "auf demokratischem Wege" erreichen. Ohne Kollektivierung sei "eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar".

Am Beispiel des Autobauers hatte er weiter ausgeführt: "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW "staatlicher Automobilbetrieb" steht oder "genossenschaftlicher Automobilbetrieb" oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht." Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt."

Außerdem will Kühnert den Besitz von Immobilien in Deutschland beschränken. "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten", hatte er gesagt. "Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt." Noch besser seien genossenschaftliche Lösungen, im Optimalfall gebe es überhaupt keine privaten Vermietungen mehr, sagte der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation.

Teuteberg: "SPD muss Verhältnis zum Eigentum klären"

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte laut "Bild"-Zeitung: "Die SPD muss dringend ihr Verhältnis zum Eigentum klären und Herr Kühnert das Godesberger Programm statt Karl Marx lesen. Wir Freien Demokraten werden die Soziale Marktwirtschaft gegen solche sozialistischen Auswüchse verteidigen." "30 Jahre nach dem Niedergang der DDR wollen die Linken wieder den demokratischen Sozialismus", meinte CDU-Vize Thomas Strobl. Erst spreche Grünen-Chef Habeck von Enteignungen, "jetzt kommen diese Stimmen auch aus der SPD und von der kommunistischen Linken sowieso."

Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte den Juso-Chef scharf kritisiert. "Kühnert soll in die Linkspartei eintreten. Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen und kann eine Regierung nicht funktionieren", erklärte er der Deutschen Presse-Agentur. Die systemverändernden Sozialismus-Fantasien des Juso-Vorsitzenden seien ein schwerer Rückfall der SPD in klassenkämpferische Zeiten. "Die SPD-Spitze muss sich deutlich von solchen Hirngespinsten distanzieren." Mit solchen Vorstößen mache sich die SPD lächerlich und verunsichere gleichzeitig diejenigen, die Wohnraum schaffen wollten.

SPD-Kritik an Kühnert: "Was hat der geraucht?"

Auch aus der SPD kam deutliche Kritik. "Was für ein grober Unfug. Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein", twitterte Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD.

Ebenso ging die SPD-Führung auf Distanz. "Er spricht in einem Interview über eine gesellschaftliche Utopie", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag in Berlin über Kühnert: "Diese ist nicht meine und auch keine Forderung der SPD."

SPD-Vize Stegner verteidigt den Juso-Chef

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat den Juso-Chef hingegen verteidigt. "Die Debatte ist ein Sturm im Wasserglas", sagte Stegner am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Kühnert beschreibt skandalöse Missstände, die es gibt. Aber er stellt keine tagespolitischen Forderungen auf", sagte Stegner.

Er betonte: "Alle wissen, dass die SPD keine Unternehmen verstaatlichen will. Auch die Enteignung von Immobilienkonzernen bringt keine neuen Wohnungen." Die SPD fordere aber längst einen Mietenstopp, eine bessere Besteuerung der Bodenwerte und die Förderung von Gemeinschaftsunternehmen.

"In der Tagespolitik unterstützt Kevin Kühnert als entschlossener Wahlkämpfer unseren EU-Wahlkampf", so Stegner. Diskussionen über den Tag hinaus seien berechtigt und müssten in einer Partei wie der SPD erlaubt sein. Auch unter Juso-Vorsitzenden wie Gerhard Schröder oder Andrea Nahles habe es solche programmatischen Debatten gegeben.

"Viele junge Menschen sind überzeugt, dass der Kapitalismus, den wir heute erleben, längst an seine Grenzen gestoßen ist", sagte Stegner. "Kühnert mobilisiert diese Menschen."

(mgb/hub/dpa)

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