Deutlich weniger zu haben als die meisten drumherum - diese Erfahrung machen in Deutschland etliche Menschen. Betroffen sind auch viele ältere Leute.

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Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Altersarmut bedroht. Im vergangenen Jahr hatten rund 3,2 Millionen Ältere ab 65 Jahren nur maximal 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung. Das zeigen vom BSW angefragte Eurostat-Daten, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegen. Doch wie es bei Alterssicherung und Rente politisch weitergeht, ist nach dem Ampel-Crash völlig offen.

Laut der Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts für die Bundestagsgruppe um Sahra Wagenknecht waren 2023 exakt 3,245 Millionen Angehörige der Generation 65 plus von Armut bedroht. Im Jahr davor waren es etwas weniger (3,157 Millionen), 2021 rund 3,3 Millionen.

Diese Zahlen waren in der Vergangenheit niedriger, wie die Eurostat-Daten zeigen. 2013 waren erst rund 2,4 Millionen Ältere armutsbedroht, in den Jahren davor schwankten die Zahlen um diesen Wert oder etwas darunter. Die Maßgröße, nach der Menschen mit Einkommen nach Sozialleistungen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens gezählt werden, gilt als internationaler Standard.

Armutsrisikoquote steigt

Wagenknecht sprach von einem "dramatischen Anstieg der Altersarmut". Zu berücksichtigen sind allerdings auch die immer zahlreicheren älteren Menschen in Deutschland insgesamt. So ist die Zahl der 65-Jährigen und Älteren seit 1991 von 12 Millionen auf 18,7 Millionen 2022 deutlich gestiegen, wie das Statistische Bundesamt an anderer Stelle festhält. Doch der Trend hin zu mehr von Armut bedrohten Menschen im Alter 65 plus ist nicht wegzudiskutieren.

Auskunft gibt die Armutsrisikoquote: Bundesweit um mehr als elf Prozent ist sie allein zwischen 2014 und 2022 gestiegen, wie eine Regierungsantwort an die Linken vom Juli vergangenen Jahres zeigt. Das heißt: Der Anteil der Armutsbedrohten unter den Älteren ist gestiegen. Überdurchschnittlich betroffen: Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Menschen mit geringer Bildung.

Die Rente schützt nicht immer vor Armut

Wie könnten die Betroffenen zu einem höheren Einkommen gelangen? Etwa durch mehr Sozialleistungen oder eine höhere Rente. Vor diesem Hintergrund warf Wagenknecht der Regierung rentenpolitisches Versagen vor. "Altersarmut betrifft inzwischen sogar die Mittelschicht", sagte Wagenknecht der dpa. Weder Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) hätten Antworten. Mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar sagte Wagenknecht, gute Renten seien für das BSW einer der Schwerpunkte.

Heute schützt die Rente nicht immer vor Bedürftigkeit. So bezogen im ersten Quartal 2023 über 684.360 Seniorinnen und Senioren Grundsicherung, wie eine Linken-Anfrage vergangenes Jahr ergab. Tendenz: steigend bis zum aktuellen Rekord. Besonders häufig betroffen: Frauen. Viele Ältere haben laut Experten aber Scham und Angst vor Stigmatisierung. Sie scheuen sich, überhaupt Grundsicherung oder andere Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Betroffene müssen am nötigsten sparen

Wie viel bekommen Betroffene pro Monat maximal an Einkommen aufs Konto? Was sind weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens? 2023 waren das für Alleinlebende netto 1.310, für zwei Erwachsene mit zwei kleinen Kindern 2.751 Euro im Monat. In der gesamten Bevölkerung war 2023 etwa jede siebte Person armutsgefährdet - 14,3 Prozent.

Vor allem bei hoher Inflation ist für die Menschen mit mehr Einkommen laut Forschenden ihr Puffer wichtig. Im unteren Einkommensbereich fehlt es dagegen an Rücklagen. Werden Lebensmittel, Dienstleistungen oder Energie teurer, müssen von Armut bedrohte Menschen oft am Nötigsten sparen oder sich verschulden. Von März 2022 bis August 2023 lag die Inflationsrate in Deutschland konstant über fünf, in der Spitze fast bei neun Prozent. Derzeit steigt die Teuerungsrate nach deutlichem Rückgang wieder etwas an - 2,0 Prozent waren es im Oktober. Expertinnen und Experten erwarten aktuell einen weiteren Anstieg.

Reformdruck ist hoch

Im Bundestag mahnte unter anderem Dietmar Bartsch regelmäßig Reformen gegen Armut und Altersarmut an. "Jedes Quartal kommen Menschen in der Größenordnung einer Kreisstadt bei der Altersarmut dazu", stellte er vergangenes Jahr fest. Infolge von Inflation und Krieg könnten vor allem Rentnerinnen und Rentner - neben Ukraine-Flüchtlingen - die Preise kaum noch bezahlen. Auch Wagenknecht bekräftigt ihre Reformforderungen: "Deutschland braucht ein Rentensystem wie in Österreich, wo alle Erwerbstätigen einzahlen und die Renten bei langjährig Versicherten im Schnitt 800 Euro höher sind als hierzulande."

In der Tat bekommen die Rentnerinnen und Rentner im Nachbarland spürbar frühere und höhere Renten. Fast alle Erwerbstätigen zahlen in Österreich in die gesetzliche Rente ein. Aber sowohl der Steuerzuschuss für die Rente als auch die Beitragssätze sind noch höher als in Deutschland. Eine Rente bekommt man in Österreich auch erst nach 15 Jahren.

NRW und Saarland bei Rente Spitze

In Deutschland zahlte die Rentenversicherung Ende vergangenen Jahres rund 18,7 Millionen Altersrenten, daneben 1,8 Millionen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Bei der durchschnittlichen Altersrente brutto nach mindestens 35 Versicherungsjahren liegen das Saarland und Nordrhein-Westfalen an der Spitze - und zwar mit 1.677 beziehungsweise 1.644 Euro. Hier gibt es besonders viele früher meist langjährige Industriebeschäftigte. Die neuen Länder liegen bis auf Ostberlin hinten - mit dem Schlusslicht Thüringen (1.427 Euro). Das Statistische Bundesamt errechnete auch, mit wie wenig sich Menschen in Rente oft zufriedengeben müssen. 42,3 Prozent haben weniger Netto-Einkommen als 1.250 Euro im Monat. Von den knapp 7,5 Millionen Betroffenen sind mehr als 5,2 Millionen Frauen.

Allerdings: Rechnet man Betriebsrenten, Einkünfte eines Partners, Hinterbliebenenleistungen und anderes dazu, kamen Ehepaare in Deutschland im Schnitt zuletzt auf 2.907 Euro im Monat netto. Unter den alleinstehenden 65-Jährigen und Älteren beziehen Männer im Schnitt ein Gesamteinkommen von 1.816 Euro, Frauen von 1.607 Euro.

Reform sollte Rente sichern

Damit die Menschen im Alter im Verhältnis zur Lohnentwicklung in Deutschland nicht abgehängt werden, hatte die Ampel-Koalition ein konstantes Rentenniveau versprochen. Beim Rentenpaket II war es SPD und Grünen folglich wichtig, dass das Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent gehalten werden soll. Dies würde zu stabilen Renten führen. Allerdings würde es etliche Milliarden mehr kosten.

Nach dem Bruch der Ampel müssen die Bürgerinnen und Bürger nun aber wohl erst mal abwarten. Denn bei der Rente sind die Vorstellungen von SPD und Grünen sowie der Union oder auch der FDP oder der Linken, vom BSW oder der AfD sehr unterschiedlich. Wagenknecht und andere stellen sich auf einen Rentenwahlkampf ein. Offen ist: Wie schnell nimmt eine neue Regierung die Lage der Rentenkasse genauer unter die Lupe? Welche Reformkonzepte setzen sich durch - von der längerfristigen Anhebung des Rentenalters zum Beispiel bis zur milliardenschweren staatlichen Stützung der Rente? (Basil Wegener, dpa/bearbeitet von jum)

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