Nach dem Wegbruch der Gaslieferungen aus Russland brauchte Deutschland alternative Lieferanten. In ihrer Not wandte sich die Regierung an Katar. Doch der Deal mit dem Emirat ist höchst umstritten und hat zuletzt sogar noch an Brisanz gewonnen.

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Es war ein Besuch, der Deutschland aus der Energiekrise helfen sollte: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im September 2022 in Doha, Seite an Seite mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani.

In den folgenden Wochen kam der umstrittene Gas-Deal mit Katar zustande, am 29. November wurde er offiziell verkündet. Dem Abkommen zufolge soll Katar ab 2026 große Mengen Flüssigerdgas liefern. Scholz zeigte sich "sehr froh" und sprach von einem "wichtigen Baustein" für die deutsche Energieversorgung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die 15 Jahre Laufzeit "super".

Doch nicht bei allen fiel das Urteil zu dem Deal so positiv aus. Mit Blick auf die Klimaschutzziele sei der Langzeitvertrag "hochproblematisch", sagte damals etwa Klimaökonomin Claudia Kemfert. Der energiepolitische Sprecher der FDP, Michael Kruse, kritisierte, Deutschland mache sich "abhängig von Staaten, die unsere Werte nicht teilen" - ein Verweis auf die anhaltende Kritik an Katar wegen der Menschenrechtslage. Klima-Aktivistin Luisa Neubauer monierte, der Deal werde eine schnelle Energiewende "planmäßig verstellen".

Und auch ein Jahr nach Abschluss des Abkommens steht diese Kritik noch im Raum.

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Kritik an der Menschenrechtslage in Katar

Hintergrund für das Zustandekommen des Deals mit Katar ist der Krieg in der Ukraine. Nach dessen Beginn wurden die Gaslieferungen aus Russland erst weniger und blieben dann ganz aus. Deutschland versucht, diese Lücken unter anderem mit Flüssiggas (LNG) zu füllen, für die an Nord- und Ostsee mehrere Terminals gebaut wurden und werden. Schnell richteten sich die Blicke auf das reiche Emirat Katar, einem der größten LNG-Exporteure.

Das Land verfügt nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Gasreserven weltweit. Doch der kleine Golfstaat ist und bleibt ein fragwürdiger Partner. Immer wieder haben Menschenrechtler Misshandlungen von Arbeitsmigranten wie Zwangsarbeit und Ausbeutung kritisiert.

Ein Jahr nach der Fußball-WM, die das Land weltweit in den Fokus rückte, seien Fortschritte diesbezüglich größtenteils zum Erliegen gekommen, kritisierte Amnesty International jüngst. Politisch liegt die Macht nahezu vollständig beim Emir, politische Parteien sind verboten, Wahlen gibt es so gut wie überhaupt nicht.

Mit dem Krieg im Gazastreifen ist der Deal noch problematischer geworden. Denn Katar gilt als einer der wichtigsten Geldgeber der islamistischen Hamas, die den Staat Israel vernichten will und die am 7. Oktober in Israel Massaker anrichtete und etwa 240 Menschen verschleppte.

Kanzler Scholz verteidigte sich im Oktober gegen Kritik, dass er Katars Emir in Berlin empfing zu Gesprächen über den Gaza-Krieg: "Es wäre unverantwortlich, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen können."

Regierung hält an umstrittenen Deal fest

Die Bundesregierung hält weiter an dem Gas-Deal fest. Katar sei eines von mehreren Ländern, mit denen die Bundesregierung in ihrem Bestreben, die Energieversorgung auf eine breitere Basis zu stellen, in engem Austausch sei, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Dabei gehe es um Flüssiggas, perspektivisch aber auch um die Lieferung von "grünem", also klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff. Weitere Ansprechpartner seien hier Norwegen, Kanada, die USA und weitere Länder im Nahen Osten und in Nordafrika.

Die LNG-Lieferungen aus Katar sollen bis zu zwei Millionen Tonnen im Jahr umfassen, was laut dem Branchenverband Zukunft Gas etwa drei Prozent des deutschen Jahresbedarfs entspricht. Das US-Unternehmen Conoco Phillips soll das Gas kaufen und es nach Brunsbüttel liefern. Katars Staatskonzern Qatar Energy bewirbt LNG als Energiequelle, die sauberer sei und ein wichtiger Teil der Lösung bei der Energiewende.

Aus der Gaswirtschaft heißt es, Deals wie mit Katar seien für niedrige Gaspreise wichtig. "Solange unser Stromnetz nicht vollständig auf erneuerbarer Energie basiert, werden die Energie- und damit auch die Strompreise eng mit dem Gaspreis verbunden bleiben", sagt der Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas, Timm Kehler.

Günstige Gaspreise seien daher auch ein wichtiger Baustein für günstige Strompreise. "Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien sind daher Langfristverträge im LNG-Bereich nötig, um günstige Gaspreise zu sichern und damit bezahlbare Strompreise zu gewährleisten." (dpa/thp)

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