Die Türkei und Russland haben sich auf die gemeinsame Kontrolle von Gebieten an der türkisch-syrischen Grenze geeinigt und eine weitere Eskalation des Nordsyrien-Konflikts zunächst vermieden.
In der am Dienstagabend zwischen Kremlchef Wladimir
Russland unterstützt im Syrien-Konflikt den umstrittenen Machthaber
Türkei kommt Sicherheitszone an der Grenze näher
Mit dem Abkommen kommt die Türkei ihrem Ziel einer sogenannten Sicherheitszone an der Grenze näher. Sie hatte am 9. Oktober einen - international massiv kritisierten - Feldzug gegen die YPG im Norden des Landes begonnen. Die Türkei betrachtet die YPG, die an der Grenze zur Türkei ein großes Gebiet kontrolliert, als Terrororganisation. Ziel der Offensive war es, entlang der Grenze eine Zone zu schaffen, aus der sich alle Kurdenmilizen zurückziehen sollten. Aus Sicht der Türkei soll sich diese rund 30 Kilometer tiefe Zone ab dem Euphrat-Fluss ostwärts über mehr als 400 Kilometer bis an die irakische Grenze erstrecken.
Sowohl das russisch-türkische als auch das amerikanisch-türkische Abkommen von vergangener Woche machten allerdings in ihrer kurzen schriftlichen Form - jeweils nicht mehr als rund eine DIN-A4-Seite - nicht deutlich, um welche Gebiete genau es sich handelte.
Aus Sicht der USA und der Kurden bezog sich das von den USA mit der Türkei ausgehandelte Abkommen auf einen Teilabschnitt der Grenze zwischen den Städten Tall Abjad und Ras al-Ain, auf den die Türkei ihre Offensive zunächst weitgehend konzentriert hatte. Erdogan machte nach der Einigung mit den USA aber mehrfach klar, dass er den YPG-Abzug aus einem weitaus größeren Gebiet erwarte.
Recep Tayyip Erdogan: "... dann erden wir die nötigen Schritte setzen"
Dass trotz des neuen Abkommens mit Russland weitere kriegerische Handlungen nicht ausgeschlossen sind, zeigte eine Warnung, die Erdogan am späten Abend auf dem Rückweg nach Ankara ausstieß: "Die Frist des Abkommens mit den USA endet heute Nacht um 22.00 Uhr. Die gegebenen Versprechen wurden nicht vollständig eingehalten. Sobald wir zurückkehren, werden wir die endgültigen Ergebnisse bekommen, und wenn es so ist, dann werden wir die nötigen Schritte setzen", sagte er laut der Zeitung "Hürriyet". Die Türkei hatte mehrfach mit der Wiederaufnahme ihrer Offensive gedroht, falls die Kurden ihre Kämpfer nicht vollständig abziehen sollten.
Nach US-Angaben hat sich die YPG inzwischen aber aus den vereinbarten Gebieten zurückgezogen. Der Kommandeur der von den Kurden dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, habe US-Vizepräsident Mike Pence in einem Schreiben darüber informiert. Pences Büro teilte am Dienstag mit: "Der Vizepräsident begrüßt diese Entwicklung und sieht darin die Erfüllung der Bedingungen des Abkommens vom 17. Oktober, was den Rückzug der YPG betrifft."
Das Verteidigungsministerium in Ankara nahm dies am frühen Mittwochmorgen zur Kenntnis, ließ aber offen, ob es die Bedingungen an die Kurden tatsächlich als erfüllt betrachtet. Nach der Einigung mit Russland gebe es derzeit jedenfalls keinen Anlass, "außerhalb des derzeitigen Offensiven-Gebiets" eine neue Operation zu beginnen. Weitere militärische Schritte innerhalb dieses Gebiets - zwischen Tall Abjad und Ras al-Ain - schließt diese Formulierung nicht aus.
AKK-Vorschlag: Stabilisierungeinsatz im umkämpften Nordsyrien
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich für einen internationalen Stabilisierungseinsatz im umkämpften Nordsyrien ausgesprochen - und wird dafür weiter massiv kritisiert. Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, sagte der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch): "Schutzzonen in Syrien werden seit mehreren Jahren immer wieder gefordert und sind immer daran gescheitert, dass es zwischen dem Westen, Russland und der Türkei nie einen Konsens hierüber gab. Wieso jetzt plötzlich diese Blockade sich auflösen soll, nur weil die deutsche Verteidigungsministerin mit dem Vorschlag erneut um die Ecke kommt, erschließt sich mir nicht."
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte vor allem die fehlende Abstimmung zwischen Außen- und Verteidigungsministerium. "Eine Verteidigungsministerin, die mit halb garen Vorschlägen zum internationalen Krisenmanagement an die Öffentlichkeit geht, trägt dazu bei, dass Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft einen schweren Schaden erleidet", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch).
Unterstützung bekam die Ministerin vom ehemaligen Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Freilich müsse man abwarten, wie der Vorschlag konkret ausgestaltet werde, sagte Merz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch). "Wichtig ist aber das Signal, dass wir bereit sind, außen- und sicherheitspolitisch Verantwortung zu übernehmen." (sap/dpa)
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