- CDU und CSU stecken in turbulenten Wochen.
- Am Donnerstag ist mit Tobias Zech bereits der vierte Abgeordnete der Union innerhalb kurzer Zeit nach schweren Vorwürfen zurückgetreten.
- Wir zeichnen nach, was ihm und seinen drei – teils ehemaligen – Parteikollegen vorgeworfen wird.
Das Unheil für die Union begann am 25. Februar. An dem Tag hob der Bundestag die Immunität des CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein auf. Seitdem kommen CDU und CSU nicht mehr zur Ruhe.
Innerhalb von nur zwei Wochen haben vier Abgeordnete die Unionsfraktion verlassen, zwei gaben sogar ihr Parteibuch ab – und das nur gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl.
Was mit der Maskenaffäre um Nüßlein und seinem CDU-Kollegen Nikolas Löbel begann, setzte sich mit Lobbyismus-Vorwürfen um den Thüringer Parlamentarier Mark Hauptmann fort und endete schließlich nach weiteren Enthüllungen mit dem Rücktritt des CSU-Abgeordneten Tobias Zech am Donnerstag.
Zumindest vorerst. Denn die Fälle der vier ehemaligen Unionsabgeordneten bilden offenbar nur die Spitze des Eisberges, wie das Gebahren von Joachim Pfeiffer, die Ermittlungen bei Bayerns Ex-Jusitzminister Alfred Sauter und weitere Maskendeals mit CSU-Vermittlern zeigen.
Fall 1: Nüßlein
Der Vorwurf: Im Fall Nüßlein geht es um Bestellungen unter anderem des Bundesgesundheitsministeriums und des bayerischen Gesundheitsministeriums. Der 51-Jährige hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums im März 2020 ein Angebot über Corona-Schutzausstattung an die Bundesregierung vermittelt.
Nüßleins Anwalt, Gero Himmelsbach, bestätigt das. Nüßlein war demnach über ein eigenes Beratungsunternehmen an der Bestellung von FFP2-Masken durch öffentliche Stellen beteiligt. Er habe "mehrfach Kontakte zwischen den Beschaffungsstellen des Bundes und potenziellen Auftragnehmern" hergestellt.
"Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten", sagt Himmelsbach. Hierfür habe Nüßleins Beratungsunternehmen eine Provision erhalten, laut "Spiegel" wohl insgesamt 660.000 Euro.
Wegen laufender Verhandlungen zu Qualitätsfragen sei der Vertrag zumindest mit dem Bundesgesundheitsministerium aber noch nicht vollständig abgewickelt worden. Das Ministerium habe keine Provisionszahlungen geleistet, teilte ein Sprecher mit.
Nüßlein selbst soll laut dessen Anwalt nicht an Entscheidungen zur Beauftragung von Lieferungen oder an Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen sein. Die Vorgänge hätten auch nicht die parlamentarische Tätigkeit berührt. Die Vorwürfe der Bestechung wies Anwalt Himmelsbach deshalb entschieden zurück.
Die Folgen: Bereits seit Ende Februar laufen Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München gegen Nüßlein. Es geht um den Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und der Bestechung von Mandatsträgern bei den Geschäften mit Corona-Schutzmasken. Dabei wurden auch mehr als ein Dutzend Objekte in Deutschland und in Liechtenstein durchsucht. Nüßlein ist aus der CSU ausgetreten und hat die Fraktion verlassen, er ist aber weiterhin Mitglied des Bundestags.
Fall 2: Löbel
Der Vorwurf: Der Mannheimer CDU-Abgeordnete Löbel hat seine Beteiligung an Maskengeschäften ebenfalls eingeräumt. "Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", teilte der 34-Jährige am 5. März mit. "Diesen Fehler mache ich mir selbst zum Vorwurf."
Löbels Firma hatte nach dessen Darstellung Provisionen in Höhe von rund 250.000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Es habe sich hierbei um eine "nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung" für die Projektmanagement-GmbH gehandelt, teilte Löbel mit. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines Mandates.
Die Folgen: Löbel trat aus der CDU aus und gab sein Bundestagsmandat zurück, "um weiteren Schaden von meiner Partei abzuwenden".
Fall 3: Hauptmann
Der Vorwurf: Der Südthüringer Politiker soll beim Kauf von Masken vermittelt haben. Zugleich wurden Lobbyismus-Vorwürfe gegen ihn erhoben. Laut eines "Spiegel"-Berichts geht es dabei unter anderem um Werbeanzeigen für Tourismus-Aufenthalte in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan im von Hauptmann herausgegebenen "Südthüringen Kurier".
In einem Interview mit der "Welt" bestritt Hauptmann, Geld von ausländischen Stellen angenommen zu haben. "Ich habe nie Geld bekommen, und es gab nie eine Einflussnahme auf mein politisches Handeln", sagte er.
Zudem wurde bekannt, dass der 36-Jährige Corona-Schutzmasken einer Frankfurter Firma an zwei Landratsämter in seinem Wahlkreis vermittelt haben soll. Hauptmann bestreitet, dafür eine Provision bekommen zu haben. Allerdings erhielt der Suhler CDU-Kreisverband eine Spende in Höhe von 7000 Euro. Hauptmann war der Vorsitzende des Kreisverbandes.
Die Folgen: Die Generalstaatsanwaltschaft Jena prüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Bestechlichkeit vorliegt. "Wir haben einen entsprechenden Prüfvorgang angelegt", erklärte eine Sprecherin. Sie betonte, bei der Prüfung handele es sich nicht um ein Ermittlungsverfahren. Hauptmann zog sich aus der Politik zurück, er legte dabei unter anderem sein Bundestagsmandat nieder.
Fall 4: Zech
Der Vorwurf: Zech sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, Mandat und unternehmerische Tätigkeiten miteinander verquickt zu haben. In einer SMS an Parteifreunde, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schrieb Zech, er habe sich bei seinen Nebentätigkeiten keine Vorwürfe zu machen.
Diese seien stets beim Bundestagspräsidenten angezeigt und seitens des Bundestages veröffentlicht worden. "Allerdings würde ich aus heutiger Sicht und im Lichte der aktuellen Debatte meine beauftragten Nebentätigkeiten aus dem Jahre 2016 anders bewerten und nicht mehr ausführen."
Laut "Passauer Neuer Presse" (PNP) war Zech mit seiner Beraterfirma damals etwa im mazedonischen Wahlkampf für die konservative Regierungspartei VMRO tätig, nahm parallel aber auch einen Wahlkampftermin als Abgeordneter wahr.
"Obwohl ich jederzeit darauf geachtet habe, meine unternehmerischen Tätigkeiten von der Ausübung meines Mandats strikt getrennt zu halten, erkenne ich, dass es bei einer gleichzeitigen wirtschaftlichen Betätigung immer schwerer fällt, im täglichen Betrieb klar gezogene Grenzen auch jederzeit als solche transparent und glaubhaft nach außen zu vermitteln", schrieb Zech weiter. Der "PNP" sagte der 39-Jährige über den Vorfall 2016: "Ich halte es juristisch für unkritisch. Politisch aber darf man sich so nicht verhalten."
Die Folgen: Zech legte wegen möglicher "Interessenkollisionen" sein Mandat und seine Parteiämter nieder. (dpa/mf)
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