Die NSA-Affäre ist mit Wucht zurück auf der Tagesordnung: Hat der US-Geheimdienst das Handy der Kanzlerin abgehört? In Berlin ist die Wut groß, das Verhältnis zu Washington empfindlich gestört. Angela Merkel und ihr Außenminister Guido Westerwelle schlagen drastische Töne an.

Mehr aktuelle News

Bei der Bundeskanzlerin stößt der mutmaßliche Lauschangriff des US-Geheimdiensts NSA auf Fassungslosigkeit. "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht", sagte Angela Merkel unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel. In einem Telefongespräch am Mittwoch habe sie US-Präsident Barack Obama deutlich auf ihre Verärgerung hingewiesen. "Nun muss Vertrauen wieder hergestellt werden", betonte die Kanzlerin.

Mittlerweile scheint auch klar zu sein, was der Auslöser für den neuerlichen Skandal um die Praktiken des amerikanischen Geheimdiensts war. Nach einem Bericht der "Welt" soll die Telefonnummer Merkels in Dokumenten des ehemaligen NSA-Beschäftigten Edward Snowden enthalten gewesen sein. Dass es sich bei der Nummer nicht um ihr aktuelles Diensthandy, sondern um ein anderes Gerät gehandelt haben soll, macht die Angelegenheit nicht weniger delikat. Unter der besagten Nummer sei Merkel zwischen Oktober 2009 und Juli 2013 auf einem Nokia-Telefon erreichbar gewesen sein.

Parteitelefon bespitzelt

Wie "FAZ.net" meldet, habe Merkel das Telefon in ihrer Eigenschaft als CDU-Vorsitzende genutzt. Da dieses Telefon nicht über die umfassenden Sicherheitsmerkmale des Kanzlerhandys verfüge, habe Washington sein Augenmerk auf eben dieses Gerät gelegt.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kommentierte die Sachlage deutlich verstimmt. In der "Bild" warnte Westerwelle vor einer Beschädigung der bislang als hervorragend bezeichneten deutsch-amerikanischen Beziehungen: "Das gehört sich nicht, und unter Freunden schon gar nicht, sonst nimmt die Freundschaft Schaden." Folgerichtig bestellte Westerwelle den amerikanischen Botschafter in Berlin zum Rapport ein.

Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich erschüttert über den Skandal. In der "ARD" sagte er: "Wenn das zutrifft, was wir da hören, wäre das wirklich schlimm." Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) bezeichnete die Vorwürfe nach der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste (PKGr) als "völlig inakzeptables Vorgehen" und "schweren Vertrauensbruch". Man unternehme alle möglichen Anstrengungen, um die Affäre vollständig aufzuklären.

"Angriff auf die Souveränität"

Der Vorsitzende des PKGr, Thomas Oppermann (SPD), wählte ebenfalls deutliche Worte. Wie "Spiegel Online" meldet, sei die Überwachung der NSA einer Ansicht nach "völlig aus dem Ruder gelaufen". Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, sei das ein "Angriff auf die Souveränität eines demokratischen Staates".

Die Liste empörter Spitzenpolitiker ist schier endlos lang. In der "Leipziger Volkszeitung" wertete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die US-Aktion als "schweren Vertrauensbruch" und forderte Einsicht aus Washington: "Eine Entschuldigung der USA ist überfällig." Gleich die gesamte politische Kultur der USA stellte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) infrage: Der "Bild" sagte er: "Die offensichtliche Unkontrollierbarkeit der US-Geheimdienste ist ein Alarmsignal." Es sei damit zu rechnen, dass Diktaturen demokratische Politiker ausspähten. "Wenn sich aber bestätigt, dass befreundete Demokratien demokratische Politiker ausspionieren, wie in diesem Fall die USA Angela Merkel, dann ist das ein bestürzender Vorgang, der den Verfall der demokratischen Kultur sichtbar macht."

Unterdessen schaltete sich die Bundesanwaltschaft in den Vorgang ein. Die Justizbehörde mit Sitz in Karlsruhe wolle alle von anderen Instanzen gesammelten Erkenntnisse sichten. Dazu habe man einen sogenannten Beobachtungsvorgang angelegt, zitiert die "Süddeutsche Zeitung" einen Sprecher der Behörde.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.