Israel und die USA verhandeln mit Vermittlung von Katar und Ägypten über eine befristete Waffenruhe im Gaza-Krieg. Die Hamas soll während dieser Zeit 40 israelische Geiseln freilassen, während Israel mehrere hundert palästinensische Häftlinge entlassen soll.
Während die Unstimmigkeiten zwischen Israel und den USA über die Vorgehensweise im Gaza-Krieg immer offener zutage treten, hat sich eine israelische Delegation erneut auf den Weg nach Doha gemacht, um über eine befristete Waffenruhe und eine Geiselfreilassung zu verhandeln.
Unter Führung des Chefs des Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, soll sich die Abordnung in der katarischen Hauptstadt mit CIA-Direktor William Burns, Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und dem ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel treffen.
USA ist vorsichtig optimistisch
Die USA, Katar und Ägypten vermitteln in den sich schon über mehrere Wochen hinziehenden indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas. Sie zielen darauf ab, dass die Islamisten während einer sechswöchigen Waffenruhe 40 israelische Geiseln freilassen. Israel soll im Gegenzug mehrere hundert palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlassen.
Die Hamas fordert darüber hinaus, dass das israelische Militär die in den Süden des Gazastreifens vertriebenen Palästinenser in ihre Wohnorte in der Mitte und im Norden des Küstengebiets zurücklässt. Israel will derzeit nur Frauen und Kinder zurückkehren lassen.
Aus Washington kamen zuletzt vorsichtig optimistische Signale. "Wir glauben, dass wir (einer Einigung) näher kommen, dass die Differenzen kleiner werden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Die Art und Weise, wie die Gespräche verliefen, sei ein "gutes Zeichen". Allerdings gebe es kein Datum für einen Abschluss, den es erst geben könne, wenn über das gesamte Paket eine Einigung erzielt wird.
Streit im Kriegskabinett über Verhandlungsspielraum
Israels Ministerpräsident
Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels. Die Terroristen töteten 1.200 Menschen und verschleppten 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Israel griff das Küstengebiet an, um die Hamas zu zerschlagen. Dabei kamen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 32.000 Palästinenser ums Leben, wobei diese Zahl sowohl Zivilisten als auch Kämpfer enthält. Von den Geiseln, die die Hamas nach einer ersten Runde von Freilassungen im November noch in ihrer Gewalt hält, dürften nach israelischen Schätzungen noch knapp 100 am Leben sein.
Offener Streit mit Washington über Rafah-Offensive
Der Verlauf des Krieges mit vielen zivilen Toten und massiven Zerstörungen von Wohnbauten und Infrastruktur im Gazastreifen stößt mittlerweile auf starke internationale Kritik. Selbst die USA, Israels engster Verbündeter, beanstanden offen die häufig von Israel vorgenommene Beschränkung des Zugangs für humanitäre Hilfe. Besonders ablehnend verhält sich Washington zu der von Netanjahu mehrfach angekündigten Bodenoffensive in der südlichen Stadt Rafah, um die letzten vier Bataillone der Hamas zu zerschlagen.
In dem Ort an der Grenze zu Ägypten halten sich derzeit 1,5 Millionen Menschen auf. Die meisten von ihnen sind aus anderen Teilen des Gazastreifens geflohen und hausen dort unter elenden Verhältnissen. "Eine größere Bodenoffensive (...) würde den Tod von noch mehr Zivilisten, noch größeres Chaos bei der Bereitstellung von humanitärer Hilfe riskieren", sagte US-Außenminister Antony Blinken bei einem Besuch in Tel Aviv. Für Israel bedeute sie auch das Risiko einer weiteren weltweiten Isolierung.
Internationale Unterstützung bröckelt
Netanjahu beteuert immer wieder, dass sein Militär Pläne für eine sichere Evakuierung der Zivilisten aus Rafah habe. "So einen glaubwürdigen Plan haben wir noch nicht gesehen", sagte US-Sicherheitsratssprecher Kirby. Anfang kommender Woche soll Israel hochrangige Delegationen nach Washington schicken, um die entsprechenden Pläne zu zeigen. Die USA möchten den Israelis Optionen aufzeigen, wie die Hamas ohne eine Bodenoffensive in Rafah zu bezwingen wäre.
Bei Blinkens Treffen mit dem israelischen Kriegskabinett prallten die divergierenden Ansichten offen aufeinander, wie das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle berichtete, die mit dem Inhalt des Gesprächs vertraut sein soll. Demnach habe Blinken Israel davor gewarnt, den Krieg ohne ersichtliche Strategie fortzuführen. Würde er weiter so verlaufen wie bisher, würde die Hamas die Kontrolle im Gazastreifen behalten oder es würde Anarchie ausbrechen, die noch mehr Terrorismus erzeugen würde. Der Quelle zufolge soll Netanjahu geantwortet haben, dass "wir auf Jahrzehnte alle Hände voll zu tun haben werden".
UN-Weltsicherheitsrat ringt um Resolution für Waffenruhe
Der UN-Sicherheitsrat will sich erneut mit der Lage in Gaza befassen. Medienberichten zufolge soll das Gremium auch über eine neue Resolution abstimmen. Der Entwurf der Beschlussvorlage fordert eine "von allen Seiten respektierte sofortige Waffenruhe für den (muslimischen Fasten-)Monat Ramadan".
Diese solle zu einer "dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe" führen, hieß es. Zudem fordert der Entwurf die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und betont die Notwendigkeit eines Ausbaus der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Die Resolution sollte von nichtständigen Mitgliedern des mächtigsten UN-Gremiums eingebracht werden. Es galt jedoch als wahrscheinlich, dass die USA, die nach wie vor Israels Schutzmacht in dem Gremium sind, den Beschluss mit ihrem Veto blockieren würden. Nur einen Tag zuvor hatten die Vetomächte Russland und China eine von Washington vorgeschlagene Resolution scheitern lassen, die deutlich umfassender war, aber auch eine Waffenruhe forderte.
Guterres fordert erneut Waffenruhe
UN-Generalsekretär António Guterres erneuert bei seinem Besuch in Ägypten Forderungen nach einer Waffenruhe im Gaza-Krieg. "Jetzt ist es mehr denn je an der Zeit für eine sofortige humanitäre Feuerpause", sagte Guterres bei einem Besuch am Rafah-Grenzübergang. "Die Palästinenser in Gaza, Kinder, Frauen, Männer, stecken in einem nicht enden wollenden Albtraum fest. Gemeinden wurden ausgelöscht, Häuser zerstört, ganze Familien und Generationen ausgelöscht."
Guterres forderte auch die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas. Dies sei im "Geist des Mitgefühls" des islamischen Fastenmonats Ramadan. Israel forderte er erneut dazu auf, dringend benötigte Hilfsgüter in den Gazastreifen passieren zu lassen. "Ich möchte, dass die Palästinenser in Gaza wissen: Ihr seid nicht allein", fügte der UN-Chef hinzu. (dpa/phs)
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