Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Montag das neue taktische Nato-Hauptquartier in Rostock eingeweiht. Die deutsche Marine übernimmt in der Ostsee für die nächsten vier Jahre eine Führungsrolle für das Militärbündnis. Darauf hat Russland nun reagiert – und den deutschen Botschafter einbestellt.

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Aus Protest gegen die Einweihung des maritimen Nato-Hauptquartiers in Rostock hat die russische Regierung den deutschen Botschafter in Moskau einbestellt.

"Der Botschafter Deutschlands in Moskau ist ins russische Außenministerium einbestellt worden, wo ihm entschiedener Protest übermittelt wurde", erklärte das Ministerium am Dienstag. Die "Ausweitung militärischer Nato-Infrastruktur im ehemaligen Ostdeutschland wird die negativsten Folgen haben", hieß es in der Mitteilung.

Die Eröffnung des Nato-Stützpunktes auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sei ein weiterer Schritt bei der "schleichenden Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs und der Militarisierung des Landes", erklärte das Ministerium weiter.

Aus russischer Sicht verstößt die Inbetriebnahme des Nato-Hauptquartiers in Rostock gegen den 2+4-Vertrag von 1990. Mit dem Vertrag, der die deutsche Vereinigung international besiegelte, wurde die Stationierung von "Streitkräften anderer Staaten" auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ausgeschlossen. "Wir haben von Berlin sofortige und umfassende Erklärungen verlangt", teilte das Ministerium mit.

Auswärtiges Amt: Russland ist "einem Missverständnis aufgesessen"

Das Auswärtige Amt bestätigte die Einbestellung von Botschafter Alexander Graf Lambsdorff. In der Mitteilung hieß es, dass der deutsche Botschafter der russischen Seite erläutert habe, "dass sie einem Missverständnis im Hinblick auf das deutsche Marinehauptquartier in Rostock aufgesessen ist". Es handele sich dabei nicht um eine Einrichtung der Nato, "sondern um eine deutsche militärische Einrichtung, in der 26 Verbindungs- und Austauschoffiziere aus anderen Staaten mitarbeiten". Diese seien dem deutschen Kommandeur des Marinehauptquartiers unterstellt.

Graf Lambsdorff habe betont, dass eine von Russland vermutete Verletzung des 2+4-Vertrags nicht vorliege. Denn: "Eine Einzelabstellung von Personal anderer Nato-Mitglieder in ein nationales Hauptquartier stellt gerade keine 'Truppenstationierung' im Sinne des 2+4-Vertrages dar", hieß es weiter in der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Montag das neue Hauptquartier in Rostock eingeweiht. Die Sicherheit im Ostseeraum werde inzwischen "nahezu täglich durch Russland herausgefordert", sagte Pistorius. Für die maritime Sicherheit und den Schutz der Nato-Ostflanke sei das Hauptquartier "von unschätzbarem Wert", so der Minister. "Es führt in Frieden, Krise und Krieg die Operation von Seestreitkräften." Das Hauptquartier wird durch den deutschen Admiral Stephan Haisch geführt für zunächst vier Jahre. Danach soll das Kommando mit Polen und Schweden rotieren.

Im Ostseeraum stehen sich die Nato und Russland, das die Nato zum Feind erklärt hat, unmittelbar gegenüber. Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat das Gewicht des Bündnisses in der Region zum Ärger Russlands weiter erhöht. Regelmäßig kommt es hier zu Zwischenfällen.

Bereits im Vorfeld Debatten um 2+4-Vertrag

Neben Deutschland sind nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums noch elf weitere Nationen personell am Hauptquartier "CTF Baltic" beteiligt: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen und Schweden. Deutschland hatte das Kommando zum 1. Oktober übernommen.

Soldatinnen und Soldaten aus diesen und weiteren Partnerländern sollen laut Ministerium 60 multinationale Dienstposten von insgesamt 180 Posten im Hauptquartier in Friedenszeiten besetzen. Im Krisen- und Konfliktfall könne der Stab auf bis zu 240 Dienstposten aufwachsen.

Die Präsenz der ausländischen Soldatinnen und Soldaten sorgte bereits im Vorfeld für Debatten wegen des 2+4-Vertrags. Die Linkspartei griff diesen Punkt am Montag auf: Der Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, erklärte: "Alle Verantwortungsträger sind aufgerufen, sich an die Festlegungen des 2+4-Vertrags zu halten, wonach weder atomwaffenfähige Raketen noch ausländische Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden dürfen."

Pistorius: Einrichtung ist im Kern ein "deutsches Hauptquartier"

Pistorius betonte in Rostock, bei der Nato-Einrichtung handle es sich im Kern um ein "deutsches Hauptquartier, an dem sich Partner beteiligen". Mit der Übernahme des Kommandos zeige Deutschland seine Verantwortung als eine führende Nation in der Ostsee, sagte er weiter.

Die Ostsee sei "ein wichtiger Korridor für den Handel, die militärische Mobilität und die Energiesicherheit", betonte Pistorius. Sie sei ein "strategisches Gebiet von großer geopolitischer Bedeutung" und stehe "an vorderster Stelle in unserer kollektiven Verteidigung gegen aufkommende Bedrohungen". (AFP/bearbeitet von tas)

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