Mit der Werteunion könnte es bald eine neue rechts-konservative Partei in Deutschland geben. Deren Erfolgsaussichten betrachtet der Politologe Volker Kronenberg zurückhaltend. Zwischen CDU und AfD sei wenig Platz.

Ein Interview

Lange wurde über eine Parteigründung im rechts-konservativen Spektrum spekuliert. Anfang Januar kündigte der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen schließlich an, eine solche schaffen zu wollen: Er will den CDU-nahen Verein Werteunion in eine selbstständige Partei umwandeln.

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Doch gibt es genug Platz zwischen CDU und AfD? Der Politologe Volker Kronenberg von der Universität Bonn ist skeptisch: "Das politische Feld ist eng abgesteckt", sagt er im Interview mit unserer Redaktion. Andererseits sei die Unzufriedenheit vieler Wählerinnen und Wähler mit den etablierten Parteien derzeit besonders hoch.

Herr Kronenberg, wie viel Platz ist zwischen CDU und AfD?

"Die CDU will mit einer Maaßen-Partei nicht zusammengehen": Volker Kronenberg © Hans Schafgans

Volker Kronenberg: Zu Zeiten von Franz Josef Strauß hieß es bei der Union noch: Rechts von uns darf es keine eine andere Partei geben. Das hat sich in der Regierungszeit Angela Merkels jedoch bekanntlich verändert. Vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen hat sich die Union stark geöffnet, um anschlussfähig auch an die Grünen zu werden. Dabei hat man in Kauf genommen, dass rechts eben doch Platz entsteht, den die AfD schließlich ausgefüllt hat. Die CDU unter Friedrich Merz reagiert mittlerweile darauf und hat ihren Kurs modifiziert. Sie hat begriffen, dass es in konservativen Milieus viel Unzufriedenheit gibt, und dass man auf diese Wähler zugehen muss. Insofern bin ich skeptisch, dass der Raum zwischen CDU und AfD derzeit besonders groß ist.

Der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, selbst CDU-Mitglied, sagt dagegen: Die Union habe nie wirklich mit der Merkel-Ära gebrochen.

Das neue Grundsatzprogramm der CDU weist aber genau in diese Richtung. Dieses positioniert sich deutlich stärker konservativ, als das zuvor der Fall war. Vor allem gilt das beim Thema Migration und der Bedeutung, die die Idee der Leitkultur darin spielt. Selbst Unionspolitiker, die eher für den Merkel-Kurs stehen, wie etwa Daniel Günther, Hendrik Wüst oder Serap Güler, schreien da nicht auf. Das zeigt, dass die Neujustierung unter Merz in der Partei breit akzeptiert wird.

Kronenberg: "Es rumort in der politischen Landschaft Deutschlands"

Maaßen hat dennoch angekündigt, aus dem CDU-nahen Verein Werteunion, dem er vorsteht, eine eigene Partei machen zu wollen. Wie erfolgreich könnte diese werden?

Natürlich rumort es gerade in der politischen Landschaft Deutschlands. Man sollte aber nüchtern auf die Erfolgsaussichten neuer Parteienprojekte blicken. Eine Partei zu etablieren, braucht einen langen Atem. Es ist nicht damit getan, ein paar drängende Probleme zu identifizieren. Es gab auch mal ein großes Getue um die Piratenpartei, die letztlich keinen großen Erfolg hatte. In dem Spektrum, in dem eine mögliche Werteunion-Partei anzusiedeln wäre, wollen zudem noch andere mitmischen: Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht positioniert sich bei manchen Themen weit rechts. Welche neuen Parteien mittel- bis langfristig übrigbleiben, lässt sich aktuell noch nicht sagen.

Für welche Inhalte könnte eine Werteunion-Partei stehen?

Ich sehe da derzeit wenig Konsistenz. Der Impuls der angekündigten Parteigründung scheint im Kern ein Furor gegen Merkel und die Inhalte, für die sie stand, zu sein. Die Werteunion ist heute schon vor allem eine Vereinigung von unzufriedenen Merkel-Kritikern.

Recherchen von "Correctiv" zeigen, dass auch Werteunion-Mitglieder an dem Treffen eines rechtsextremen Netzwerkes teilgenommen haben. Könnte eine geplante neue Partei zum Bindeglied zwischen CDU, AfD und der rechtsextremen Szene werden?

Was sich Protagonisten der rechten Szene wünschen, ist das eine. Entscheidend ist, dass die Union das strikt ablehnt. Sie will weder mit der AfD noch mit einer möglichen Maaßen-Partei zusammengehen. Gerade vor dem Hintergrund eines solchen Geheimtreffens in Potsdam, wo klar verfassungsfeindliche Pläne besprochen wurden, wird die Union sicher nicht ernsthaft über Bündnisse dieser Art nachdenken. Der Gegenwind, der der AfD auch aus der Union entgegenschlägt, dürfte jetzt sogar zunehmen.

"Der Weg der AfD führt immer weiter nach rechts"

Inwiefern?

Der Weg der AfD führt immer weiter nach rechts. Das provoziert eine Gegenreaktion der etablierten Parteien und aus der Zivilgesellschaft. Angesichts der Radikalisierung der AfD stellt sich außerdem irgendwann die Frage, ob die Partei rechtlich überhaupt zulässig ist. Auch wenn ein Verbot das allerletzte Mittel einer streitbaren Demokratie sein sollte, wird das im Falle der AfD zunehmend denkbar.

Derzeit gibt es gleich mehrere neue Parteienprojekte. Woher kommt dieser Gründungsboom?

Das hat auch mit einer weit verbreiteten Unsicherheit in der Bevölkerung zu tun. Nicht nur ich, sondern viele Beobachter sehen derzeit eine wachsende Orientierungs- und politische Bindungslosigkeit. Das paart sich mit Unmut über die Politik. Die Regierungsarbeit der Ampel überzeugt die Menschen derzeit nicht. In Sachsen droht die SPD gar aus dem Landtag zu fliegen. Unsere Zeit ist von vielen Herausforderungen und Krisen geprägt, und die Antworten, die die etablierten Parteien geben, finden immer weniger Anklang. Diese Lücke wollen neue politische Akteure schließen.

Wo versagt die Politik in den Augen der Wähler am meisten?

Vor allem die Politikfelder Migration und Integration wurden sträflich vernachlässigt. In der Wahrnehmung der Bevölkerung herrscht hier ein besonders großer Problemdruck, der von den Regierenden nicht genügend adressiert wird. Es ist kein Zufall, dass sowohl die AfD als auch die neue Wagenknecht-Partei und Hans-Georg Maaßen dieses Thema so stark bespielen.

"Sich auf Bundesebene zu etablieren, ist schwierig"

Steht die deutsche Parteienlandschaft eventuell vor einem Umbruch?

Wenn man sich die Parteienlandschaft Deutschlands über die Jahrzehnte anguckt, wird deutlich: Sich dauerhaft auf Bundesebene zu etablieren, ist sehr schwierig. In 75 Jahren ist das nur den Grünen, der Linkspartei und der AfD gelungen. In Umfragen bekunden zwar viele unzufriedene Wähler sich vorstellen zu können, eine neue Partei wie das Bündnis Sahra Wagenknecht zu wählen. Ob sie dies dann aber wirklich tun, ist eine ganz andere Frage.

Wird es einen Bundestag mit acht oder mehr Parteien in Zukunft also eher nicht geben?

Dafür ist das politische Feld zu eng abgesteckt. Außerdem haben die neuen Mitbewerber große strukturelle Schwächen: Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist zu sehr auf eine Person zentriert, und ob die Freien Wähler, die ebenfalls bundesweit antreten wollen, wirklich Strahlkraft über Bayern hinaus entwickeln werden, bezweifle ich. Ein Bundestag mit acht oder neun Parteien ist auf absehbare Zeit unrealistisch.

Über unseren Gesprächspartner

  • Volker Kronenberg (Jahrgang 1971) ist außerplanmäßiger Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn sowie Honorarprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Seine Themenschwerpunkte liegen auf dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland und der Parteienforschung. Regelmäßig tritt Kronenberg als Experte im Fernsehen auf.
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