Bund, Länder und Kommunen erzielen Milliarden Mehreinnahmen über Steuern. Längst ist im Bundestagswahlkampf die Diskussion entbrannt, wofür das Geld verwendet werden soll – und nun auch bei Anne Will. Am Sonntagabend entwickelt sich ein unterhaltsames Wortgefecht zwischen der Journalistin und FDP-Chef Christian Lindner.

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Er ist seit dem Riesen-Erfolg der FDP in Nordrhein-Westfalen der aufstrebende Star unter den deutschen Bundespolitikern: Christian Lindner. Sein Wahlkampfkonzept, vor allem Steuererleichterungen für die Mittelschicht zu versprechen, hat sich für seine Partei bislang prächtig bezahlt gemacht.

Wenig verwunderlich also, dass Anne Will auch den 38-Jährigen geladen hat, als es in ihrer Sendung um den "Streit um Schäubles Steuermilliarden" geht.

Selbstsicherer Christian Lindner

Will diskutiert mit ihren Gästen darüber, wie die Bürger künftig von den Steuererleichterungen profitieren könnten. Es wird über bezahlbaren Wohnraum gesprochen, über gebührenfreie Kitaplätze, über Altersarmut, über Versprechen, die man besser nicht machen sollte, weil man sie nicht halten könnte.

Mittendrin: ein selbstsicherer Lindner. Ebenjenes Selbstbewusstsein äußert sich in Attacken auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und dessen CDU. Das bemerkenswerte dabei: In NRW sollen zwischen beiden Parteien Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Doch Lindner ist in seiner Selbstsicherheit auch davon nicht zu bremsen.

Anne Will "kitzelt" Christian Lindner

Anne Will ist indes bekannt dafür, besonders jene Gäste thematisch zu kitzeln, bei denen es gerade richtig gut läuft. Also ist diesmal Lindner dran. Das Ergebnis: Ein unterhaltsames Wortgefecht, das zugleich eine Gefahr für den FDP-Mann offenbart. Will löchert Lindner förmlich. Dass die FDP das, was sie anderen vorhalte, früher selbst nicht umgesetzt habe.

Mit Verweis auf SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz fragt sie in die Runde, ob es nun einen "Lindner-Hype" statt einen "Schulz-Hype" gebe. Schulz feierte bekanntlich ein Umfragehoch nach dem anderen, um binnen kürzester Zeit bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und in NRW bittere Niederlagen zu kassieren.

Christian Lindner kontert süffisant

Lindner kontert süffisant, meint einmal, er hole nun seinen schlauen Zettel heraus, was er dann auch tat. Ein anderes Mal gibt es vereinzelten Applaus aus dem Publikum, woraufhin er erklärt, er habe schon wieder Freunde dazugewonnen.

Lindner, der mitunter einem Charmeur gleicht, wird an einer Stelle aber eben doch noch düpiert. Und zwar nicht von Will, sondern von der Journalistin Ulrike Herrmann. Die Wirtschaftskorrespondentin der "taz" erklärt, dass die Steuerquote zwischen 2009 und 2013 auch schon bei 22 Prozent gelegen habe – und damit sehr hoch gewesen sei. Damals regierte die FDP als Juniorpartner mit der CDU. "Das haben Sie nicht erwähnt", sagt sie und schafft es, dass Lindner für einen kurzen Moment wankt.

FDP-Chef gerät ins Wanken - aber nur kurz

Mit dieser Gegenwehr hatte der Chef der Liberalen offenbar nicht gerechnet. Herrmann müht sich, gegen den Politiker anzukommen, sendet dabei entscheidende Botschaften. Etwa, als sie sagt: "Viele werden zur SPD abwandern, wenn sie feststellen, dass die FDP wieder regieren könnte."

Das ist sehr subjektiv gedacht, keine Frage - aber es scheint in diesen Tagen tatsächlich viele unentschlossene Wähler zu geben, keine klassischen Stammwähler mehr. Solche, die ebenso schnell wieder von der FDP abwandern könnten, wie sie es zuvor umgekehrt bei Schulz getan haben. Das Zwischenhoch der AfD während der sogenannten Flüchtlingskrise samt folgendem Absturz nicht zu vergessen.

Verdienst von Anne Will

Diese unentschlossenen Wähler gilt es für alle Parteien zu gewinnen, wollen sie sich die Chance auf eine Regierungsbeteiligung erhalten. Aktuell bekommt vor allem die FDP ihre Themen transportiert und profitiert davon. Sie darf aber nicht in Selbstgefälligkeit abgleiten.

Ein bisschen mehr Demut würde besonders Lindner gut tun. Das herauskristallisiert zu haben, ist der Verdienst dieser Will-Sendung. Denn: Wie die Steuererleichterungen konkret aussehen sollen, wurde wenig konkret skizziert. Wenigstens war es unterhaltsam.

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