Was war denn da los? Am Sonntagabend diskutierte Anne Will mit ihren Gästen über vergangene und kommende Corona-Schutzmaßnahmen und zwar völlig ruhig. Das hat man in Polittalkshows eher selten. Am Ende standen viel Sachlichkeit und viele Appelle.
Die Corona-Neuinfektionen nehmen weltweit, in Europa, aber eben auch in Deutschland, zu. Was bedeutet das für den Herbst, wenn sich das Leben in geschlossene Räume verlagert, welche Corona-Strategie ist die richtige und was passiert, wenn auch noch eine Grippe-Welle hinzukommt? Darüber diskutierte
Mit diesen Gästen diskutiert Anne Will:
Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler und BundesfinanzministerWolfgang Kubicki (FDP), stellvertretender Parteivorsitzender- Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie am Institut für Genetik an der Technischen Universität in Braunschweig
Alena Buyx , Professorin für Medizinethik und Vorsitzende des Deutschen Ethikrates- Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Um diese Themen geht es: Strengere Corona-Maßnahmen
Mit der Frage, ob es angesichts der Zahlen nun strengere Regeln brauche, läutet Will die Runde ein, die sich relativ schnell in einem zentralen Punkt einig ist: Egal, welche Maßnahmen ergriffen werden, sie müssen sinnvoll, verhältnismäßig und gut kommuniziert sein: "Wenn man sinnhafte Maßnahmen erlässt, werden die Menschen sie befolgen", erklärt zum Beispiel Andreas Gassen.
Olaf Scholz weist daraufhin, dass man bei allen Regeln mit Maß vorgehen soll, sprich "regional differenziert gucken" müsse und erhält dabei Unterstützung von Alena Buyx: "Es ist wirklich wichtig, dass man diese Regionalisierung drin hat", erklärt Buyx und weist auf einen Gefahrenherd hin: "Wenn man sich anguckt, was wir in der letzten Zeit an Clustern und an Ausbrüchen hatten, dann ist das nicht mehr in den Betrieben, sondern das sind die privaten Feiern." Hier sei es zulässig, über Personengrenzen zu diskutieren.
Melanie Brinkmann macht auf die anstehenden Herausforderungen aufmerksam: "Uns muss bewusst sein, dass es zum Herbst hin schwieriger wird. (…) Gerade der Winter ist ein großes Problem, weil wir wieder vermehrt in Innenräumen sind." Daher die Empfehlung der Virologin, nicht nur auf Masken und Hygiene zu achten, sondern auch auf ausreichendes und regelmäßiges Lüften.
Bisherige Corona-Maßnahmen
Auch hier herrschte in der Runde wieder weitgehende Einigkeit, vor allem darüber, dass es im Kampf gegen Corona und bei Vorsichtsmaßnahmen nicht das eine Wundermittel gebe. Egal, ob Schnelltests für zu Hause, Grippeimpfungen für Risikogruppen, die Corona-App oder Fieberambulanzen: "Nichts von den Maßnahmen ist alleine perfekt, sondern alles zusammen", erklärt Alena Buyx.
Schwedischer Weg
Einigkeit, die Dritte: Nein, der schwedische Weg sei nicht besser gewesen. Die Skandinavier hätten es "nicht auf dem Schirm gehabt", die älteren Menschen in Seniorenheimen besser zu schützen, glaubt Andreas Gassen. Melanie Brinkmann möchte aber den schwedischen Weg etwas relativieren, denn "die Menschen haben sich in Schweden verhalten, als hätte es einen Lockdown gegeben".
Ausblick auf Herbst und Winter
Der Blick der Runde nach vorne fällt angesichts der bisher bangen Prognosen für Herbst und Winter überraschend wenig negativ aus. So glaubt etwa Andreas Gassen, dass die Grippewelle wegen der gerade gut befolgten Hygienemaßnahmen möglicherweise weniger schlimm ausfallen könnte.
Melanie Brinkmann glaubt zudem, dass "flächendeckende Schulschließungen" in Deutschland nicht mehr passieren werden und zwar, "weil ich an unsere Bürgerinnen und Bürger glaube, dass es ihnen wichtig genug ist und dass es alle einsehen: Wir müssen uns an die Regeln halten".
Der Schlagabtausch des Abends:
Den gibt es nicht. Obwohl an diesem Abend der Spruch, es gebe keine endgültigen Wahrheiten so etwas wie ein Dauerbrenner ist, ist man sich überraschend einig. Das mag daran liegen, dass das obligatorische Parteien-Gezänk ausbleibt, weil sich Olaf Scholz und Wolfgang Kubicki weniger miteinander, als vielmehr mit den Einschätzungen aus der Wissenschaft auseinandersetzen müssen.
So schlägt sich Anne Will:
Nun ist Olaf Scholz nicht dafür bekannt, dass ihm schnell das Blut kocht. Gerade in turbulenten Zeiten ist das sicher eine gute Eigenschaft, aber Anne Will lässt sich von Scholz' bedachter Art ein wenig zu sehr einlullen. So ist es für Scholz ein Leichtes, zum Beispiel die Frage, ob man in Altenheimen mehr FFP2-Masken zur Verfügung stellen könnte, unbeantwortet zu lassen.
Stattdessen darf Scholz ein ums andere Mal erklären, dass es endgültige Wahrheiten angeblich nicht gebe und dass Deutschland gerade im internationalen Vergleich vieles gut gemacht habe. Und auch das bleibt von Will unhinterfragt, obwohl "im internationalen Vergleich" nicht bedeutet, dass man etwas gut gemacht hat, sondern nur besser als andere.
Das Fazit:
Es ist eine ausschließlich sachlich geführte Diskussion, in der – ganz untypisch für Polittalkshows – niemand dem anderen ins Wort fällt. Stattdessen gibt es Einigkeit, wohin das Ohr auch lauscht und vor allem mahnende, aber auch Mut machende Worte, sich an die Regeln zu halten und damit sich und andere zu schützen. Oder wie es Olaf Scholz formuliert: "Am Ende geht es nur, wenn alle mitmachen."
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