Ein Wirtschaftswissenschaftler bringt die Politik gegen sich auf. Und Franziska Giffey sagt nicht Nein, als es um den SPD-Vorsitz geht: Die Runde bei Anne Will diskutiert, wie lange die schwarz-rote Bundesregierung noch durchhält.
Was ist das Thema bei "Anne Will"?
Es geht – mal wieder – um die Zukunft der Großen Koalition. "Schafft sie es, das Land zu einen? Oder sind alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt?", fragt
Seit den Europawahlen hat die SPD ihre Parteichefin verloren, die Sozialdemokraten grübeln, ob es besser wäre, das Bündnis mit der Union zu beenden. Und sogar die CDU ist so verunsichert, dass sie schon über die Kanzlerkandidatur 2021 diskutiert.
Wer sind die Gäste bei "Anne Will"?
Clemens Fuest: Der Leiter des Münchener ifo-Instituts ist ein Mann der Marktwirtschaft. Er sagt zwar einerseits: "Die Sorgen der Bevölkerung hört die Regierung nicht." Den konkreten Vorschlag der SPD, die Mieten gesetzlich zu deckeln, lehnt er aber ebenfalls ab. Mehr Wohnraum, so Fuest, könne man nur schaffen, "wenn mehr gebaut wird".
Dagmar Rosenfeld: Die Chefredakteurin der "Welt" sieht die GroKo in einem schlechten Zustand. Das liegt ihrer Einschätzung nach auch daran, dass nicht mehr nur die SPD um sich selbst kreist: "Der Richtungsstreit in der CDU hat fast schon Züge, wie es sonst nur die Genossen vormachen."
Albrecht von Lucke: Der Politikwissenschaftler gehört zur Redaktion der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Die vermeintlichen Volksparteien SPD und CDU sieht er in einem "personellem Vakuum". Denn nicht nur Ex-SPD-Chefin
Was war das Rede-Duell des Abends bei "Anne Will"?
Clemens Fuest bringt gleich beide GroKo-Politiker gegen sich auf, als er kritisiert, die Bundesregierung würde lediglich Geld mit der Gießkanne ausgeben. "Die wichtigen Fragen werden nicht angegangen", behauptet der Volkswirt.
Ob die Verbesserung der Pflege keine wichtige Frage sei, will Franziska Giffey daraufhin wissen. Fuest aber lässt sich nicht beirren. Die Sozialpolitik besteht für ihn nur aus einem "Sammelsurium" von Leistungen: "Es überzeugt nicht, sie haben kein Konzept."
Da schaltet sich auch der sonst so ruhige Volker Bouffier ein. "Das ist mir zu billig, mit Verlaub", schimpft der CDU-Vize: Die GroKo versuche, das Land zusammenzuhalten – und das sei an sich schon ein wichtiges Projekt.
Was war der Moment des Abends?
Albrecht von Lucke bringt früh Schwung in die Runde, als er Franziska Giffey auffordert, für den SPD-Parteivorsitz zu kandidieren. Die Ministerin ist amüsiert bis geschmeichelt. Auf die Frage von Anne Will, ob sie wirklich ihren Hut in den Ring werfen will, antwortet sie ausweichend.
Giffey gilt als fleißig und beliebt – aber auch als politisch angeschlagen, solange die Freie Universität Berlin noch prüft, ob ihre Doktorarbeit als Plagiat einzustufen ist. Zudem habe sie einen neunjährigen Sohn, sagt Giffey.
Also Ja oder Nein? "Ich werde dazu heute keine Aussage in dieser Form treffen", lautet ihre Antwort. Wenn man diesen Satz vom Politikersprech ins Deutsche übersetzt, kann man zu dem Schluss kommen: Giffey hätte durchaus Interesse.
Wie hat sich Anne Will geschlagen?
Die drängenden Fragen kommen in dieser Runde nicht immer von der Moderatorin, sondern häufig von den Gästen selber. Trotzdem kann Anne Will zufrieden sein.
Häufig legt sie geschickt den Finger in die Wunde, einmal erntet sie damit auch Applaus aus dem Publikum: Volker Bouffier sagt zu der Frage, was gegen steigende Mieten zu unternehmen sei, dass er sich mehr Wohneigentum wünsche. Kaufen statt Mieten also? "Das ist keine Antwort für jemanden, der sich schon die Miete kaum leisten kann", merkt Anne Will geschickt an.
Was ist das Ergebnis?
Mal wieder kann der Zuschauer den Eindruck bekommen: Bei der Großen Koalition läuft alles wie geschmiert. Das liegt aber auch daran, dass das Bündnis mit Giffey und Bouffier von zwei Politikern vertreten wird, die auf Ausgleich bedacht sind. Profilierte GroKo-Gegner aus beiden Parteien hätten in dieser Runde wohl ganz anders argumentiert.
Trotzdem geht es durchaus unterhaltsam zu – was nicht zuletzt am meinungsfreudigen Publizisten Albrecht von Lucke liegt. Der schont auch seine eigene Zunft – die Experten und Journalisten – nicht. Von Luckes Kritikpunkt: Es sei falsch, die Politik ständig für alles zu kritisieren. "Wir machen es uns als kommentierende Klasse manches Mal auch ausgesprochen leicht, wenn wir sagen: Wir wussten alles – die ganze Zeit schon."
Leider redet diese "kommentierende Klasse" allerdings auch an den Zuschauern vorbei. Vor allem als es am Ende um den Klimawandel geht. Da ist von "sektorspezifischen Reduktionszielen", von Zertifikatehandel, von schweizerischen und schwedischen CO2-Steuermodellen die Rede – ohne dass das alles anschaulich für den Zuschauer erklärt wird.
Wer sich nicht zuvor in den Zertifikatehandel einlesen konnte, ist hier verleitet abzuschalten, obwohl es um ein wichtiges Thema geht. Schade eigentlich.
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