Trotz Skandalen und Verbotsrufen kann die AfD auf immer mehr Wählerzuwachs blicken. Bei "Markus Lanz" sprach AfD-Chef Tino Chrupalla über die Zukunft seiner Partei und eckte damit nicht nur bei dem ZDF-Moderator, sondern auch den übrigen Gästen an.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die AfD erzielt momentan Rekordumfragewerte trotz der Einstufung des Verfassungsschutzes als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Bei "Markus Lanz" äußerte sich Tino Chrupalla über eine mögliche Kanzlerkandidatur und wehrte sich gegen den Vorwurf, er würde Alice Weidel hassen.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

In einer aktuell vom Meinungsforschungsinstitut Verian durchgeführten Umfrage liegt die AfD in Ostdeutschland mit 32 Prozent deutlich vor den gängigen Traditionsparteien. Sie liegt acht Prozentpunkte vor der zweitplatzierten CDU und sogar satte 20 Punkte vor der Kanzlerpartei, der SPD.

Dieses Ergebnis bewog Markus Lanz dazu, auf die nächste Bundestagswahl 2025 zu blicken. Er beleuchtete dabei auch die Wirtschaftsstrategie der umstrittenen Partei, die mittlerweile auch im Westen des Landes immer mehr Wähler für sich gewinnt.

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Das sind die Gäste

  • Tino Chrupalla, Politiker: "Diese EU, wie sie jetzt aktuell fungiert, funktioniert so nicht mehr."
  • Anne Hähnig, Journalistin: "Die AfD ist immer dann zur Stelle, wenn andere Parteien strategisch unsicher oder gar planlos werden."
  • Marcel Fratzscher, Ökonom: "Ausgerechnet die Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der Wirtschaftspolitik der AfD leiden."
  • Michael Wolffsohn, Historiker: "Die AfD ist eindeutig eine anti-amerikanische und pro-russische Partei."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf die AfD-Doppelspitze, bestehend aus Tino Chrupalla und Alice Weidel, konnte sich Markus Lanz die Frage nicht verkneifen, wer der potenzielle Kanzlerkandidat der Partei sein könne. Eine Frage, auf die Chrupalla nicht klar antworten wollte: "Über die nächste Bundestagswahl reden wir dann wahrscheinlich erst Ende nächsten Jahres. Es sei denn, dass diese Ampelkoalition sich endlich aus dem Amt begibt."

In einem Punkt war sich der AfD-Chef jedoch sicher: "Ich gehe nach den aktuellen Umfrageergebnissen, wo wir ja deutlich vor der aktuellen Kanzlerpartei stehen, davon aus, dass wir einen Kanzlerkandidaten stellen sollten. (...) Ich denke, das erwarten auch die Wähler."

Dem musste Journalistin Anne Hähnig zustimmen: "Anstelle der AfD würde ich auch einen Kanzlerkandidaten stellen. Sie steht bei 20 Prozent in den Umfragen. Sie ist zweitstärkste Kraft, und sie weiß natürlich auch, dass das eine neue Berichterstattung provozieren würde." Lanz fragte deshalb interessiert bei Chrupalla nach: "Würden Sie es machen?" Der Politiker hielt sich erneut bedeckt: "Das entscheidet bei uns die Partei." Auch die Frage, ob er Alice Weidel den Vortritt lassen würde, prallte an Chrupalla ab. Er konterte genervt: "Sie wollen das jetzt herauslocken, aber wir sind in dem Findungsprozess bei Weitem noch nicht so weit."

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Für Chrupalla sei klar, dass sowohl er als auch Alice Weidel geeignet für die Kanzlerkandidatur wären, da sie momentan "das erfolgreichste politische Duo" seien, "was wir aktuell in Deutschland haben". Er ergänzte süffisant: "Schade, dass es nicht zwei Kanzlerkandidaten geben kann." Lanz ließ sich davon jedoch nicht täuschen und hakte nach: "Wie ist Ihr Verhältnis zu Frau Weidel?" Dazu sagte der AfD-Mann: "Wir haben ein sehr gutes, partnerschaftliches, auch sehr freundschaftliches Verhältnis. (...) Es ist ein Führungsduo, was funktioniert und was auch harmoniert."

Ein Satz, der den ZDF-Moderator stutzig machte: "Es harmoniert? Ich höre aus Ihrer Partei, dass Sie sich hassen." Chrupalla reagierte lachend: "Ich hasse keine Menschen und Frau Weidel schon überhaupt nicht!" Markus Lanz konterte prompt: "Sie können sich nicht leiden." Ein Vorwurf, den der Politiker erneut von sich wies: "Nein, das ist absoluter Unsinn. Wer Sie da informiert, der hat Sie falsch informiert." Er ergänzte streng: "Wir können uns richtig gut leiden."

Während der AfD-Mann weiter von Alice Weidel schwärmte, übte Historiker Michael Wolffsohn scharfe Kritik an ihrer Person sowie der Partei an sich: "Die zunehmende öffentliche Identifizierung und Verharmlosung von Diktatoren, ob das Herr Putin ist oder Herr Erdogan (...), da kann ich einfach nicht mit." Auch Anne Hähnig stimmte zu: "Wir sehen eine fortschreitende Radikalisierung dieser Partei."

Umfrage: AfD liegt in Ostdeutschland deutlich vor der CDU

Im Osten Deutschlands liegt die AfD mit 32 Prozent deutlich vor allen anderen Parteien, zeigt eine aktuelle Umfrage. Die Ampelparteien verlieren dagegen massiv an Boden. (Bildcredit: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON)
An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Dass die AfD trotz ihrer Radikalisierung immer mehr Wähler für sich gewinnt, brachte Lanz schließlich zu der Frage, welches Wirtschaftsmodell die AfD verfolge und ob sie Europa abschaffen würde. Dies verneinte Tino Chrupalla mit den Worten: "Wir wollen die Grenzen nicht schließen. Wir wollen die Grenzen kontrollieren. Das ist ein großer Unterschied." Ökonom Marcel Fratzscher unterbrach den Politiker wütend: "Sie wollen Europa abbauen!"

Chrupalla ließ sich davon jedoch nicht beirren und sagte: "Lassen Sie mich bitte ausreden. Natürlich wollen wir Freihandel." Er machte dennoch deutlich: "Diese EU, wie sie jetzt aktuell fungiert, funktioniert so nicht mehr." Auf die wiederholte Frage, ob dies bedeute, dass er Europa abschaffen würde, sagte Chrupalla kryptisch, dass er sich "ein Europa der souveränen Länder" vorstelle, das "auf der wirtschaftlichen Basis" zusammenarbeite.

Marcel Fratzscher konterte fassungslos: "Europa ist deutlich mehr als Freihandel von Gütern und Dienstleistungen." Der Ökonom ergänzte entrüstet: "Was Sie fordern, diese Abschottung, das würde zu einem massiven, wirtschaftlichen Schaden führen! Nicht nur bei den Exporten, sondern auch bei den Fachkräften. Das ist die Realität, wenn Sie das Europa durchsetzen, das Sie fordern."

Darauf konterte Tino Chrupalla unter anderem, dass er gegen das Werben um Fachkräfte im Ausland sei. "Wie sollen eigentlich diese Menschen integriert werden können? Wer soll die Sprachkurse machen? Wer soll sie beschulen? Wir haben ja nicht mal für die eigene Bevölkerung genügend Lehrer."

Fachkräfte aus dem Ausland zu akquirieren halte er zudem für äußerst fragwürdig, denn: "Für mich ist das moderner Kolonialismus. Das muss ich wirklich kritisieren." Lanz hakte überrascht nach: "Kolonialismus?" Chrupalla nickte energisch: "Ja, in der Form, dass wir anderen Ländern die Fachkräfte abwerben, die sie selber in diesen Ländern bräuchten. Ich finde, das ist keine Politik, die Nachhaltigkeit erzeugt."

Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch außenpolitisch überraschte der AfD-Mann den ZDF-Moderator, als er über Israel als deutsche Staatsräson sagte: "Ich höre diesen Begriff immer wieder, aber mir kann niemand genau erklären, was es eigentlich bedeutet." Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der die viel zu späte Reaktion der AfD auf den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober kritisierte.

Weil Chrupalla im Zusammenhang mit dem Terrorangriff von "Kriegstoten" sprach, platzte es aus Michael Wolffsohn heraus: "Ihr Vokabular zeigt, dass Sie die Wirklichkeit intellektuell nicht erfassen. Und wenn Sie das nicht können, dann verhüte Gott, dass Sie politische Verantwortung bekommen. Nicht nur in Bezug auf den Nahen Osten, sondern auf dieses Deutschland überhaupt!" Diese "mangelnde Professionalität in jedem Bereich" sei laut Wolffsohn "beängstigend". Chrupalla entgegnete den Vorwürfen nüchtern: "Das entscheiden immer noch die Wähler."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz stellte Tino Chrupalla mehrfach an den Pranger und lockte ihn nicht nur mit Blick auf die Wirtschaftsstrategie der AfD aus der Reserve. Chrupalla schaffte es dennoch, trotz der teils spitzen Fragen, keine wirklich stichfesten Antworten zu geben.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

AfD-Chef Tino Chrupalla konnte bei "Markus Lanz" keine konkreten politischen Pläne und Ziele seiner Partei formulieren. Michael Wolffsohn stellte daher schockiert fest: "Sie flüchten sich in Floskeln hinein. Sie sagen Ursachenbekämpfung, ohne, dass sie genaue Punkte benennen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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