Mit Blick auf die Flüchtlingszahlen schlagen viele deutsche Kommunalpolitiker schon seit Monaten Alarm. Bei "Markus Lanz" zeichnete CDU-Landrat Christian Engelhardt ein erschreckendes Bild der Situation in seinem Landkreis und plädierte für eine Obergrenze bei der Aufnahme von Asylsuchenden.
Das war das Thema bei "Markus Lanz"
Die jährliche Zuwanderung nach Deutschland hat seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine einen historischen Höchstwert erreicht. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 350.000 Asylanträge.
Der Zustrom hat drastische Folgen für viele deutsche Kommunen, etwa weil sie die Unterbringung der Menschen organisieren müssen und Wohnraum fehlt.
Das waren die Gäste
- Cordelia Koch, Bezirksbürgermeisterin von Berlin Pankow: "Flüchtlingspolitik ist weit mehr als warm, trocken und satt."
- Andreas Bausewein, Oberbürgermeister von Erfurt: "Wir steuern auf eine massive Wohnungsnot zu."
- Ursula Baum, Bürgermeisterin von Kaarst: "Es gibt Grenzen und die sind gerade erreicht – nicht nur beim Thema Migration."
- Christian Engelhardt, Landrat des Landkreises Bergstraße: "Der Fachkräftemangel ist die größte Bedrohung für das Funktionieren des Staates."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Zu Beginn der Sendung stellte der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein klar: "Migration ist derzeit das politisch bestimmende Thema im Land." Der SPD-Politiker merkte zwar an, dass viele Jahre alles "richtig gut" gegangen sei, "aber wir sind an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr funktioniert". Bausewein ergänzte mit strenger Miene: "Die Wohnungen sind de facto fast alle belegt." Da sich viele deutsche Landkreise mittlerweile "an der Grenze zur Wohnungsnot" befinden, gibt es aus seiner Sicht seitens der Politik noch "einiges zu tun", denn: "Wir sind an einem Punkt, wo die meisten Kommunen nicht mehr in der Lage sind, das noch zu meistern."
Ursula Baum, die Bürgermeisterin von Kaarst (NRW), nickte energisch und fügte hinzu: "Wir haben keinen Platz mehr. Ich habe kein Land mehr, wo ich bauen kann." Sie helfe sich daher mit einer alten Gesamtschule aus, die mittlerweile "in eine Flüchtlingsunterkunft umgebaut" wurde. Eine Übergangslösung, die kein Dauerzustand sein kann – zumindest nicht, wenn es nach CDU-Landrat Christian Engelhardt geht. Er stellte im Gespräch mit Lanz klar: "Wenn ich die Zuwanderung als Chance begreifen möchte für unsere Gesellschaft, für den Arbeitsmarkt, für unsere Zukunft, dann muss ich die Menschen integrieren können – und zwar mit den Ressourcen, die ich habe." Engelhardt weiter: "Deswegen stellen die Ressourcen, die ich habe, (...) die faktische Obergrenze dessen dar, was wir machen können."
Für den CDU-Landrat des hessischen Kreises Bergstraße ist daher klar, dass nur eine bestimmte Anzahl Asylsuchender integriert werden kann: "So ehrlich muss man sein! Wir können nur so viele Menschen in unserem Land leben lassen, wie wir integrieren können mit den Ressourcen an Fachkräften, an Lehrern, an Kindergärten, an Strukturen, die wir haben."
Engelhardt wetterte weiter, dass sich kein Mensch in Gemeinschaftsunterkünften integrieren könne. "Das heißt, die müssen in Wohnungen leben, die müssen unter anderen Menschen leben und nicht in einer Zeltstadt oder in einem Containerdorf. Und diesen Raum haben wir gar nicht", so der CDU-Mann sorgenvoll. Er stellte daher erneut klar: "In dieser Wohnraumsituation kann ich nicht mehr integrieren! Das heißt: Wir müssen über Grenzen reden."
Bausewein sah dies kritisch und sagte: "Ich glaube nicht, dass man bei Geflüchteten eine Obergrenze einziehen kann." Stattdessen forderte der SPD-Politiker: "Die Verfahren müssen beschleunigt werden." Schließlich gebe es Menschen, die vor zehn Jahren ihre Ablehnung bekommen haben und trotzdem noch in Deutschland seien.
Das war das Rede-Duell des Abends
Die prekäre Lage in den deutschen Landkreisen brachte Lanz auf die Frage, ob die Flüchtlingssituation Kommunalpolitiker in ihrer Arbeit lähme. CDU-Landrat Engelhardt nickte und gab zu: "Letztendlich haben wir in den letzten Jahren Krise an Krise. (...) Wir kommen kaum noch aus dem Krisenmodus heraus als Land." Er erlebe deshalb immer wieder weinende Mitarbeiter, die mit der "dauerhaften Belastungssituation nicht zurecht" kommen. "Wir brauchen mehr Leute, die bei uns arbeiten. Die finde ich nicht", so der Landrat, der verzweifelt hinzufügte, dass der "dauerhaft fehlende Gestaltungsspielraum" gepaart mit der "dauerhaften Überlastung" für ihn als Kommunalpolitiker "demotivierend" sei.
Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) aus Berlin-Pankow konterte: "Ich würde da widersprechen. (...) Das politische Thema sind die Geflüchteten, das ist richtig. Darüber wird sehr viel gesprochen. Je mehr das thematisiert wird, desto mehr beschäftigt das auch die Menschen und es wird auch als Problem empfunden. Aber wir können sehr viel gestalten." Lanz hakte sichtlich irritiert nach: "Sie meinen, es wird besser, wenn wir nicht darüber reden?" Koch wiegelte ab: "Nein, aber es ist die Frage, wie wir darüber reden."
Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der wissen wollte: "Wie sollten wir darüber reden?" Die Bezirksbürgermeisterin antwortete mit der schwammigen Frage: "Was ist unsere Chance in der Situation, wenn Menschen zu uns kommen und bei uns arbeiten wollen?"
Grund genug für Christian Engelhardt verbal einzuschreiten: "Ich will da widersprechen! Ich glaube, wir sollten anfangen, bei der Flüchtlingssituation zwischen der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt (...) und der humanitären Zuwanderung zu unterscheiden. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe!" Die Integration geflüchteter Menschen brauche Jahre – "damit löse ich die Fachkräfte-Problematik nicht".
So hat sich Markus Lanz geschlagen
In der lehrreichen Diskussionsrunde blickte Markus Lanz mit spezifischen Fragen in einige deutsche Kommunen und konnte so die einzelnen Probleme in Bezug auf die Flüchtlingskrise detailliert herausarbeiten. Das treffende Fazit des ZDF-Moderators: "Man lernt viel, wenn man den Blick mal nicht auf das Raumschiff Berlin richtet."
Das war das Fazit bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass sich aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen und der Wohnungsnot ein "Gefühl der Überforderung" im Land breitmacht. CDU-Landrat Christian Engelhardt sah daher als einzige Lösung schnellere Verfahren, um zu ermitteln, wer in Deutschland bleiben darf. Jenen müsse der Staat gutes Wohnen, Sprachkurse und die Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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