Die Zukunft der Ampel-Koalition und die Lage im Nahen Osten waren die Themen bei "Markus Lanz" am Mittwochabend (9. Oktober). Als es um propalästinensische Demos und das israelische Vorgehen in Gaza ging, wurde es im ZDF-Studio hitzig.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nicht nur beim Thema Migration, sondern auch in Wirtschaftsfragen scheinen sich die Ampel-Parteien nicht einig zu werden. Bei "Markus Lanz" gab FDP-Politikerin Linda Teuteberg daher zu, dass sie ein Ende der Regierung vor der nächsten Bundestagswahl für möglich halte. Daneben lieferten sich Journalist Philipp Peyman Engel und Nahostexpertin Kristin Helberg ein hitziges Wortgefecht, als es um die Verhältnismäßigkeit in Gaza ging.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Der Ampelregierung steht ein weiteres gemeinsames Jahr bevor. Ein Bruch der Koalition scheint jedoch immer realistischer zu werden. Finanzminister Christian Lindner deutete bereits in einem Interview mit der "Rheinischen Post" an, dass ein vorzeitiges Ende der Ampel eine Option sein könne. Dabei sprach er mit Blick auf die wirtschaftlichen Herausforderungen und Debatten zur Migrationspolitik von einem "Herbst der Entscheidungen". Grund genug für Markus Lanz, auf den Zustand der Regierung zu blicken. Zudem debattierte er auch über die Situation in Nahost ein Jahr nach dem 7. Oktober 2023.

Das waren die Gäste

  • Linda Teuteberg, FDP-Politikerin: "Es ist seltsam, wie schnell im Falle Israels eine Täter-Opfer-Umkehr stattgefunden hat, und es ist erschreckend, wie groß dieses Beharren auf Verhältnismäßigkeit ist."
  • Kerstin Münstermann, Journalistin: "Ich war und ich bin wirklich immer an der Seite Israels, aber das Vorgehen im Gazastreifen halte auch ich mittlerweile für unverhältnismäßig."
  • Kristin Helberg, Nahostexpertin: "Netanjahus Strategie der reinen Gewalt macht weder Israel sicherer noch die Region insgesamt."
  • Philipp Peyman Engel, Journalist: "Israel wird vom Gros der Welt mit anderen Maßstäben bewertet auch von Deutschland."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf den Rücktritt der Grünen-Parteispitze sagte FDP-Politikerin Linda Teuteberg bei "Markus Lanz", dass sie "großen Respekt für eine deutliche, selbstbestimmte Entscheidung" habe, "Konsequenzen zu ziehen aus der Analyse der Situation der Partei und den Wahlergebnissen". Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der prompt wissen wollte: "Wie oft haben Sie an Christian Lindner gedacht?"

Teuteberg erwiderte: "Das breite ich nicht aus, wann ich worüber nachgedacht habe, sondern ich finde, wir haben die Aufgabe jetzt in dieser Koalition, die nötigen Entscheidungen zu treffen." Im Gespräch mit dem ZDF-Moderator machte die FDP-Politikerin mehrmals deutlich, dass vor allem das Thema Migration und Wirtschaft oberste Priorität habe. "Wir müssen jetzt für Deutschland tatsächlich Entscheidungen treffen und nicht nur Ankündigungen machen", sagte Teuteberg.

Lanz ließ jedoch nicht locker und ergänzte: "Und politische Verantwortung übernehmen ist doch das Stichwort!" Auf die Stichelei wollte sich die FDP-Politikerin nicht einlassen und sagte stattdessen: "Ich merke, worauf Sie hinauswollen." Lanz reagierte amüsiert: "Das finde ich gut! Dann können Sie ja mal versuchen, zu antworten."

Der ZDF-Moderator fragte weiter: "Wird das in der FDP nicht diskutiert, wenn man in Brandenburg irgendwie die Hälfte der Tierschutzpartei holt (...) bei den Stimmen?" Eine Tatsache, auf die Teuteberg schwammig antwortete: "Ich denke, da machen sich schon sehr viele Mitglieder auch Gedanken darüber." Es gebe zwar intern "keine organisierte, offizielle" Debatte, doch die Politikerin machte deutlich, dass man über die "dramatisch schlechten" Ergebnisse "eine Analyse führen" müsse, denn: "Ich glaube, die äußeren Faktoren alleine erklären nicht alles."

Grund genug für Lanz, erneut zu fragen, ob Teuteberg selbst an der Stelle von Lindner oder FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurückgetreten wäre. Die Politikerin wiegelte ab: "Ich spekuliere nicht darüber." Lanz hakte unbeirrt weiter nach: "Es geht um Sie. Sie können ja über sich selber mal spekulieren." Teuteberg blieb jedoch hartnäckig: "Auch das tue ich nicht." Lanz fragte daraufhin interessiert: "Schließen Sie aus, dass diese Ampel vor dem offiziellen Ende der Koalitionszeit platzt?"

Überraschend deutlich antwortete Teuteberg: "Nein, das schließe ich nicht aus. (...) Das kann passieren." Die Politikerin erklärte: "Nur, wenn wir jetzt bei Migration und Wirtschaft zu hinreichenden Beschlüssen kommen, dann macht das Sinn. Wenn nicht, dann nicht."

Das war das Rede-Duell des Abends

Ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel sagte Journalist Philipp Peyman Engel mit ernster Miene: "Es ist ein Ausnahmezustand, der tatsächlich bis heute andauert. Es war der 7. Oktober an sich, aber die Reaktionen darauf waren genauso schlimm. Und diese Reaktionen halten an. Wir sehen das auf den Straßen in Berlin." Lanz hakte nach: "Welche Reaktionen meinen Sie jetzt konkret?"

Der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen" antwortete: "Massive antisemitische Demonstrationen (...). Es werden antisemitische Schlachtrufe skandiert von jungen Muslimen, von jungen, deutschen, linksorientierten Menschen." Laut Engel sei die Polizei mittlerweile "nicht mehr in der Lage, das zu kontrollieren". "Das ist ein immenses Gewaltpotenzial", befand der Journalist.

Nahostexpertin Kristin Helberg mochte dem nicht zustimmen: "Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen, die auf die Straße gehen und einen Waffenstillstand für Gaza fordern, natürlich getrieben sind von ihrer eigenen Verzweiflung und Wut angesichts dessen, was in Gaza passiert." Laut Helberg stehe bei den propalästinensischen Demos die Israelfeindlichkeit nicht im Fokus. Eine Meinung, die Philipp Peyman Engel wütend machte: "Was ich dort sehe, ist massenhaft Antisemitismus, massenhaft Hass auf Israel. Ich würde mir wünschen, dass es propalästinensische Demonstrationen wären. Auch mir liegt das Wohl der Zivilbevölkerung in Gaza am Herzen!"

Linda Teuteberg stimmte zu und kritisierte die Meinung von Kristin Helberg: "Ich finde, Ihre Beschreibung des Geschehens auf unseren Straßen trifft die Realität nicht." Helberg ließ sich davon nicht beirren und konterte, dass seit geraumer Zeit über einen möglichen "Genozid in Gaza (...) international diskutiert" werde und eine Kritik an der israelischen Regierung demnach berechtigt sei. Linda Teuteberg warnte daraufhin eindringlich davor, "Antisemitismus zu verharmlosen und wegzudefinieren". Ein Vorwurf, den Helberg nicht auf sich sitzen lassen wollte: "Nein, er wird nicht wegdefiniert. Ganz im Gegenteil!"

Philipp Peyman Engel platzte in Bezug auf den Begriff "Genozid" der Kragen: "Wie passt das damit zusammen, dass die israelische Armee die Zivilbevölkerung vorwarnt? Dass die israelische Armee Fluchtrouten einrichtet?" Kristin Helberg erinnerte den Journalisten derweil an "die Tatsache, dass Neugeborene sterben, weil ihre Mütter unterernährt sind (...) und es im ganzen Gazastreifen kein sauberes Trinkwasser gibt".

Als Engel daraufhin über die Kriegsführung und die "Rolle der Hamas" in Gaza sprach, konterte Helberg, dass es "inzwischen unstrittig" sei, dass die israelische Reaktion in Gaza "nicht verhältnismäßig" sei und "es eine andere Absicht dahinter" gebe. "Israelische Soldaten filmen sich selbst dabei, wie sie Universitäten in die Luft jagen. Das sind keine militärischen Ziele", sagte Helberg wütend. Markus Lanz warnte trotzdem abschließend davor, dass sich niemand "diesen Begriff Genozid" in der Sendung zu eigen machen solle.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz hatte besonders bei der Debatte rund um den Krieg im Nahen Osten große Mühe, seine Gäste im Zaum zu halten. Immer wieder musste er sie lautstark mit den Worten ermahnen: "Nicht durcheinander bitte. Nicht durcheinander!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" stellte Journalist Philipp Peyman Engel mehrfach klar: "Israel möchte Frieden. Israel möchte keinen Krieg führen!" Journalistin Kristin Helberg hielt jedoch dagegen und sagte: "So schaffen Sie doch keinen Frieden, Herr Engel! Man schafft doch keinen Frieden, indem man Zehntausende Zivilisten tötet innerhalb von einem Jahr. Das können Sie nicht alles der Hamas und der Hisbollah anlasten."

Engel konterte darauf emotional: "Israel muss sich wehren gegen die Hisbollah, gegen den Iran, sonst wird es untergehen!" Der Journalist bezeichnete das Handeln der deutschen Politik in Bezug auf Israel als "bigott" und sagte, die Bundesregierung lasse "keine Gelegenheit aus", vor den Vereinten Nationen bei israelfeindlichen Resolutionen "mit Enthaltung" zu stimmen. Kristin Helberg konnte derweil den Stopp von deutschen Waffenlieferungen nachvollziehen und sagte: "Dieser Krieg, wie er in Gaza geführt wird, ist keine Selbstverteidigung mehr. Das ist nicht meine Meinung, sondern es gibt ein Kriegsvölkerrecht!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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