- Sandra Maischberger ist zurück aus der Winterpause und startete mit starkem Tobak ins neue Jahr.
- Die Silvester-Ausschreitungen in Berlin sorgten vor allem in puncto Migrationshintergrund der Täter für hitzige Debatten, beim Fortgang des Krieges zankten sich CDU-Mann Kiesewetter und Politikwissenschaftler Varwick.
- Der Moment des Abends aber gehörte der regierenden Berliner Oberbürgermeisterin Franziska Giffey.
In der Silvesternacht gab es in Berlin gewalttätige Ausschreitungen, bei denen Einsatzkräfte attackiert wurden. Feuerwehr und Polizei wurden beispielsweise mit Böllern beworfen. Beobachter sprechen von einer "neuen Dimension der Gewalt". Gegenstand der Debatte ist vor allem die Herkunft der Täter – auch in der Sendung bei
Das ist das Thema bei "Maischberger"
Knallharter Einstieg ins neue Jahr: Bei Maischberger kamen am Dienstagabend (10.) zuerst die Silvester-Krawalle in Berlin auf den Tisch. "Geraten Berlins soziale Brennpunkte außer Kontrolle?" und "Wie können gewalttätige Ausschreitungen verhindert werden?" Außerdem ging es um das Neujahrsvideo von
Das sind die Gäste
- Franziska Giffey (SPD): Die regierende Berliner Bürgermeisterin gab zu, dass man in Berlin mit dem erlebten Grad an Respektlosigkeit und der Härte der Attacken nicht gerechnet hatte. Einem Böllerverbot erteilte sie eine Absage: "Wenn Sie ein Böllerverbot aussprechen, müssen Sie es auch durchsetzen und umsetzen können", erinnerte sie. Das sei nur mit entsprechendem Personal möglich und wenn der Verkauf eingeschränkt werde. "Man muss den Verkauf einschränken, auch über Berlin hinaus", forderte sie deshalb, machte aber auch deutlich: "So ein Silvester darf es nicht noch einmal geben!". Weil ein Böllerverbot nicht von allen Bundesländern mitgetragen würde, müsse man mindestens die Regelungen für Schreckschusspistole verschärfen.
- Roderich Kiesewetter (CDU): "Besser spät als nie", kommentierte der CDU-Außenpolitiker die beschlossenen Marder-Panzer-Lieferungen an die Ukraine. Weil man gezögert habe, seien aber viele Opfer entstanden, die nicht hätten sein müssen. Die Hoffnung auf die Unterstützung aus Deutschland sei unter den Ukrainern sehr groß. Moskau müsse verlieren lernen, wie Deutschland 1945, meinte Kiesewetter: "Russland muss begreifen, dass es ein Kriegsverbrechertribunal gibt, dass Reparationen gezahlt werden, dass es seine kolonialen Ansprüche aufgeben muss", bekräftigte er.
- Johannes Varwick: Der Politikwissenschaftler war sich sicher: "Wir sind dabei, einen Ritt auf der Rasierklinge zu machen. Es fallen Tabus jeden Tag." Varwick machte eine "Salami-Taktik" aus und erklärte: Es seien nun Dinge möglich, die vor kurzem noch als Beitrag zur Eskalation gegolten hätten. "Wir müssen mehr über politische Lösungsmöglichkeiten reden", forderte er. "Jetzt reden wir über Schützenpanzer, morgen über Kampfpanzer, übermorgen über Kampfflugzeuge und vielleicht über Luftunterstützung und Bodentruppen, wo soll das denn enden?", fragte er sichtlich aufgebracht.
Oliver Kalkofe : "Man hat sich schon früher bisweilen gefühlt, als wäre man in einem schlechten amerikanischen Action-Film", sagte der Comedian und Schauspieler über seine Silvester-Erfahrungen in Berlin. Bei den jetzigen Ausschreitungen sei offensichtlich eine Menge Frust rausgelassen worden. Kalkofe sprach von "Social Media mit Explosivkörpern". Man müsse die Vorgänge richtig aufarbeiten und die Fakten auf den Tisch legen - "aber erst dann darüber debattieren", so Kalkofe. Er schob hinterher: "Die Vornamen-Debatte ist einer CDU unwürdig."- Alev Doğan: "Ich war wahnsinnig wütend, als ich die Bilder gesehen habe", sagte die Chefreporterin von "The Pioneer" über die Silvester-Krawalle. "Der Punkt Migration ist ein relativ kleiner Punkt", meinte sie jedoch. Es handele sich in erster Linie um ein Gewalt-Problem. So zu tun, als ob es in erster Linie eine Frage der Herkunft sei, entlaste die Täter von ihrer individuellen Verantwortung.
- Alexander Kissler: Der Journalist von der "Neuen Züricher Zeitung" sagte: "Wir müssen über gescheiterte Integration, über die Schattenseite von Migration reden. Da kommen wir nicht drum rum." Man müsse Täter, Elternhäuser und Rechtsstaat in den Blick nehmen. Der Rechtsstaat nehme sich selbst nicht ernst genug. "Der Rechtsstaat ist zurückgewichen vor dem Mob, es gab barbarisches Chaos", analysierte er die Geschehnisse, als Polizisten sich beispielsweise in ein Café flüchteten.
Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"
Giffey überzeugte an diesem Abend mit klaren Worten: Sie benannte Probleme, wehrte sich aber gegen Pauschalisierungen. In diesem Moment wurde das besonders deutlich: "Ja, die Täter waren zu einem sehr großen Anteil mit Migrationshintergrund. Muss man ganz klar sagen, so wie es die Bevölkerung eben in Nord-Neukölln ist", leitete sie ein.
Es handele sich um "Jungs aus dem Kiez", sie seien dort geboren und aufgewachsen. "Das sind Jungs, die Berliner sind, haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Debatte "die müssen jetzt zurück" führt zu gar nichts. Es sind Deutsche", betonte Giffey. Man finde in den sozialen Brennpunkten eine Bildungsferne vor, gepaart mit sozialer Armut, gepaart mit sozialer Segregation, gepaart mit einem Sich-Einrichten in der eigenen Community. "Im "Wir" und "Ihr" und in der Problematik, dass man eben dann sehr wenig nur teilhat an demokratischen Prozessen", so die SPD-Politikerin.
"Wir können uns die Debatte nicht so leicht machen zu sagen: "Na klar, der Vorname, und dann ist jemand in einer Schublade drin", mahnte sie. Das werde denjenigen nicht gerecht, die erfolgreiche Integrationsarbeit geleistet hätten oder einen erfolgreichen Lebenslauf geschafft hätten. Sie wehre sich dagegen, alle über einen Kamm zu scheren. Im Studio gab es dafür lauten Beifall.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Maischberger hatte ein Propaganda-Video aus Russland einspielen lassen, in dem im Silvester-Programm die Expansionsphantasien Moskaus und der Krieg gefeiert werden. Kalkofe kommentierte: "Wie soll man mit jemandem, der so etwas jetzt gerade zum Jahreswechsel zeigt und dessen Einstellung so ist, ernsthafte Friedensgespräche führen? Das ist erschreckend."
Er fuhr fort: "Wir denken ja auch: Es muss sich langsam doch in Russland auch mal etwas tun. Es muss doch die Wahrheit mehr ans Licht kommen. Es muss doch das Volk sich auch mal wehren, es müssen doch die Mütter auch mal auf die Straße gehen und sich dagegen wehren, was mit ihren Kindern da passiert, die da an die Front geschickt werden", so der Comedian.
Doğan stimmte nur in einem Punkt zu: "Das ist Propaganda par excellence", sagte sie, setzte aber nach: "Ich halte es für ganz schwierig, aus diesem sehr sicheren Land – trotz Silvester in Berlin – heraus zu sagen, "die Mütter müssen auf die Straße und demonstrieren etc." Ich glaube, wir machen uns keine Vorstellung, wie krass das ist, in so einem Land zu leben."
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Das war eine solide Leistung von Maischberger. Ihr gelang die Balance zwischen "Diskussion anregen" und "auf Sachlichkeit drängen". Gerade beim Punkt Migration und Integration war das nicht immer einfach. Erst schien sie etwas vorsichtig und verhalten, im Einzelgespräch mit Giffey wollte sie dann aber deutlich wissen, warum der Migrationshintergrund der Täter aus der Silvesternacht höher als im Bevölkerungsdurchschnitt gewesen sei.
Sie ließ Giffey zwar Raum, ihre Erfolge auszuführen, und erinnerte sie aber auch an die vergeigte Berlin-Wahl nagelte die SPD-Politikerin auf ihre Aussage fest: "So ein Silvester wird es nicht mehr geben." Maischberger fragte: "Worauf haben Sie sich dann mit sich selber geeinigt für nächstes Silvester?"
Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"
Guter Start ins neue Jahr für Maischberger, denn die Sendung brachte die Debatte voran. Das Studio machte in Bezug auf die Silvester-Krawalle eine neue Qualität der Gewalt aus und beschrieb eindrücklich die explosive Stimmung. Deutlich wurde auch, dass Berlin seine Hausaufgaben machen muss, manche Entscheidungen (Stichwort Böllerverbot) aber auf Bundesebene debattiert werden müssen.
Außerdem heißt es teilweise noch "Abwarten, und dann Debattieren", denn noch nicht alle Fakten liegen über die Tatnacht auf dem Tisch. Ein bisschen weniger Berlin-Bashing hätte es insgesamt aber sein dürfen.
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