Seine Gegner teilen kräftig aus, sein Anhänger nimmt ihn gegen alles und jeden in Schutz: Wie Donald Trump die Menschen spaltet, zeigt sich nicht nur in der amerikanischen Gesellschaft – sondern am Montagabend auch bei "Hart aber fair".
Seit einem halben Jahr hat das Coronavirus den politischen Talksendungen seinen Stempel aufgedrückt: Heftiger Streit war selten, die Runden glichen eher konzentrierten Lagebesprechungen. Am Montagabend aber fällt der lange Schatten des amerikanischen Präsidenten ins Fernsehstudio von "Hart aber fair" – und schon geht es wieder ganz anders zu: bissig und unversöhnlich.
Wer sind die Gäste bei "Hart aber fair"?
Tamika Campbell: "Der ist aggressiv, fördert Rassismus, Arschlochigkeit und Unbenehmen", lautet das Urteil der aus New York stammenden Komikerin über
George Weinberg: Der Sprecher der Auslandsorganisation der US-Republikaner ist großer Trump-Fan und zweifelt an der Unabhängigkeit der Medien: Journalisten würden mehrheitlich links der Mitte stehen. Für Frank Plasberg hat er am Ende trotzdem ein bisschen Lob übrig: "Sie haben mich eingeladen. Dafür danke ich Ihnen."
Christiane Meier: Auch die Leiterin des ARD-Studios New York lässt kein gutes Haar am amerikanischen Präsidenten: "Das, was er abgeliefert hat, steht gegen alles, wofür Amerikaner stehen: für Anstand, Mitgefühl, Fairness."
Ansgar Graw: Der Herausgeber des Debattenmagazins "The European" hofft zwar, dass Trump nicht wiedergewählt wird. Sollte das doch passieren, sei das aber auch keine Katastrophe für das Land: "Die Demokratie, die Institutionen in Amerika sind stärker", sagt der frühere US-Korrespondent.
Frank Kracht: Der Bürgermeister des Ostseebads Sassnitz hat einen Brief von drei US-Senatoren bekommen. Sie drohen ihm "vernichtende" Sanktionen an, weil in seinem Hafen ein Schiff liegt, das Rohre für die russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 verlegt. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern habe das schon verurteilt, freut sich Kracht. "Ich hoffe, die Bundesregierung wird genauso klare Worte finden."
Was ist der Moment des Abends?
Trump macht manchmal sprachlos. Das wird bei den Redebeiträgen von Tamika Campbell deutlich. "Oh my God", seufzt sie: "I just don't know what to say about this man" – sie wisse nicht mehr, was sie über diesen Mann sagen soll. Das ist so verständlich wie gefährlich: Wenn Trumps Gegner nicht mehr die richtigen Worte finden, um ihn zu kritisieren, dann hat er eigentlich schon gewonnen.
Was ist das Rededuell des Abends?
Aufgeheizt wird die Situation, als der Republikaner George Weinberg aus dem Staatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorliest. Sein Vorwurf lautet, auch die deutschen Medien seien voreingenommen und würden zu negativ über Trump berichten: "Das Problem ist, dass Journalisten auch in Deutschland Politik machen", findet er.
Wenn die Medien auf Lügen des Präsidenten hinweisen, ist das aber noch keine Politik – darauf weist der frühere USA-Korrespondent Ansgar Graw hin. Als Beispiel nennt er Trumps Behauptung, auf der Feier zu seiner Amtseinführung 2016 seien mehr Menschen in Washington gewesen als bei Barack Obama. Alle Fernsehbilder hätten klar gemacht, dass das vollkommen falsch sei, sagt Graw: "Da können Sie doch nicht erwarten, dass Journalisten – egal ob sie pro-demokratisch oder pro-republikanisch sind – so tun, als würden sie diese Lügen glauben."
Trump sei ein Lügner, lautet das Urteil des Journalisten, der ansonsten durchaus Zustimmung zu manchen politischen Entscheidungen des Präsidenten andeutet. "Der lügt so normal wie wir atmen."
Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?
Der Moderator legt an diesem Abend den Akzent auf "hart" statt auf "fair" – zumindest wenn er mit Republikaner George Weinberg spricht. Seine Abneigung kann Plasberg gegenüber dem Trump-Fan schlecht verbergen. Menschlich ist das zwar verständlich, als Moderator überschreitet Plasberg aber mindestens einmal eine Grenze. "Was muss man ausschalten können, wenn man Trump wählen wird: den Verstand oder das Herz?", will er zu Beginn von Weinberg wissen. Ganz am Ende legt er noch einmal nach: "Wie kann man Kinder und Enkelkinder zur Wahrheit erziehen, wenn man einen solchen Präsidenten unterstützt?"
Damit erreicht Plasberg vor allem eines: Sein Gast fühlt sich unfair behandelt, angegriffen und macht dicht. Diese provokative Frage werde er nicht beantworten, sagt der Republikaner.
Plasberg müsste sich in der Nachbereitung auch selbst eine Frage stellen: Bei aller berechtigten Abneigung gegen den US-Präsidenten: Ist dieser Stil der richtige Weg, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die anderer Meinung sind als man selbst?
Was ist das Ergebnis?
Frank Plasbergs Ziel, "wissbegierig statt nur verachtend" über Trump zu sprechen, wird die Sendung keineswegs gerecht. Der Frage, warum Dutzende Millionen Amerikaner einen Mann wählen, dem in seiner Amtszeit 20.000 Lügen nachgewiesen wurden, beantwortet die Runde nämlich nicht. Die Wissbegierde kommt auf jeden Fall zu kurz.
Eines demonstriert die Sendung aber sehr deutlich: Wie schwierig es für Gegner wie Befürworter ist, ohne Schaum vor dem Mund über den Mann zu reden, der die USA und die ganze Welt spaltet. Der Komödiantin Tamika Campbell fällt zu Trump nicht viel mehr ein, als resigniert zu sagen: "The man is full of shit." ("Der Mann ist voller Scheiße.")
Journalistin Christiane Meier kocht zwar merklich das Blut, wenn sie Trump-Unterstützer Weinberg reden hört. Weil sie offenbar nicht aus der Rolle der objektiven Beobachterin fallen will, bleibt sie aber zu höflich, um gute Gegenargumente bringen zu können.
Der Republikaner Weinberg wiederum macht auf erschreckende Weise deutlich, wie die Trump-Fans agieren: Sie nehmen den Präsidenten auch für seine infamsten Lügen in Schutz. Sie übernehmen sein Gerede vom "China-Virus" und vom angeblichen linksextremistischen Mob, der die Großstädte unsicher macht. Und schuld sind im Zweifel bei ihnen immer die Medien.
Dass sich verfeindete Lager aufeinander zu bewegen, dass gesellschaftliche Gräben überbrückt werden, ist bei so einer Debattenkultur nicht möglich. Nach dieser Sendung bleibt umso mehr zu hoffen, dass der unversöhnliche Ton der politischen Diskussionen in den USA hierzulande keine Schule macht.
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