Unter dem Eindruck der heftigen Bombenangriffe auf die Ukraine diskutiert "Hart aber fair" über Möglichkeiten, der Ukraine zu helfen. SPD-Chefin Saskia Esken will auch einen Militäreinsatz auf ukrainischem Boden nicht ausschließen, ein Experte skizziert ein mögliches Szenario – und ruiniert Frank Plasberg den Abend.

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Zur Abwechslung beginnt "Hart aber fair" an diesem Montagabend mit einem vergleichsweise angenehmen Thema: Corona. WDR-Journalist Vassili Golod wird Minuten vor der Sendung positiv getestet – und kurzerhand in Frank Plasbergs Büro verfrachtet. "Ein schönes Büro", witzelt Golod noch, dann muss der in Charkiw geborene Journalisten über das reden, was für ihn "unerträglich" ist: den Krieg in der Ukraine.

"Auf der Flucht vor Putin: Wie können wir helfen?", fragt Frank Plasberg seine Runde. SPD-Chefin Saskia Esken schließt dabei den Einsatz von Nato-Truppen nicht mehr aus, und ein Politikwissenschaftler ruiniert dem Gastgeber den Abend.

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Das sind die Gäste bei "Hart aber fair"

  • Von einem "Völkermord vor den Augen Europas" spricht der Gouverneur des ukrainischen Oblast Chernivtsi, Sergij Osachuk. "Putin will uns seine Sicht auf die Welt aufzwingen, auf unsere Geschichte, unser Dasein." Sein Appell an Deutschland: Mehr Waffen, mehr Sanktionen.
  • "Wir haben mit den Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet schon eine rote Linie deutscher Außenpolitik überschritten", sagt SPD-Chefin Saskia Esken. Der Konflikt dürfe auf keinen Fall ausgeweitet werden.
  • Markus Kaim, Experte für internationale Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erwartet noch "fürchterliche Bilder" und weitere zivile Opfer. Eine Chance gibt er der Ukraine nicht, trotz "heldenhaften Kampfes": "Gegen die nackte Gewalt wird es nicht ausreichen."
  • Vassili Golod ist in Charkiw geboren, Freunde mussten von dort fliehen, sein Großvater lebt in Russland. Der Krieg breche ihm "doppelt das Herz", sagt der WDR-Journalist. Ein direktes militärisches Eingreifen der Nato hält er für zu gefährlich: "Meine rote Linie wäre aber der Einsatz von Chemiewaffen."
  • Die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linkspartei) berichtet vom "Wettlauf" um die Unterbringung der tausenden Flüchtenden, die Tag für Tag in der Hauptstadt ankommen. Sie fordert einen nationalen Verteilungsmechanismus: "Die Bundesrepublik wird sich noch auf viel höhere Zahlen einstellen müssen."
  • Um krebskranke Kinder, die evakuiert wurden, kümmert sich Dirk Reinhardt, Direktor der Kinderklinik am Universitätskrankenhaus Essen. Die Kinder seien wahnsinnig erschöpft und hätten Angst um Väter und Großeltern in der Ukraine. "Wir wussten, dass wir nicht nur Krebserkrankungen behandeln müssen, sondern auch Traumata."

Der Moment des Abends

Nein. Niemals. Unter keinen Umständen.

Das sind - sinngemäß – bislang die Standardantworten deutscher Politiker und Experten, wann immer die Frage nach einem direkten militärischen Eingreifen der Nato aufkommt. Umso verdutzter blickt Frank Plasberg drein, als SPD-Chefin Saskia Esken plötzlich zu einer anderen Formel greift: "Wir sollten zu nichts niemals sagen, aber nach derzeitigem Stand wäre das ein Beitrag zur Eskalation, und da sollten wir vorsichtig sein.

"Sag niemals nie", "Stand jetzt": Solche Formulierungen laden förmlich zu wilden Spekulationen ein, zumal in dieser unübersichtlichen Lage. Plasberg hat "aufmerksam zugehört" und hakt nach, Esken bleibt im Prinzip bei ihrer Aussage: "Die Situation ist so, dass wir zu nichts niemals sagen, weil wir nicht wissen, wie es sich weiter entwickelt." Was bedeutet: Es gäbe Szenarien, in denen eine Nato-Intervention denkbar wird.

Wie es ausschauen könnte, skizziert Markus Kaim später in einem Gedankenspiel: "Es gibt die nicht unberechtigte Sorge, dass Russland Massenvernichtungswaffen einsetzt, Chemie- oder Biowaffen. Das wäre ein Paradigmenwechsel." Außerdem habe die Ukraine im Prinzip das Recht, das Militär fremder Staaten zu Verteidigungszwecken aufs eigene Territorium "einzuladen", wie es Syrien mit Russland getan habe.

Alles Spekulation, wie Kaim noch eilig hinzufügt. Aber: "Wir sind in Woche drei des Krieges. Frau Esken war so offen und ehrlich zu sagen: In Woche drei etwas auszuschließen, ist schwierig."

Das Rededuell des Abends

Frieren gegen Putin – wäre das nicht ein kluger und gleichzeitig völlig friedlicher Schachzug gegen die Kriegsmaschinerie des Kremls? Der Vorschlag kommt von einer Zuschauerin, die es nicht schlimm findet, bei nur 18 Grad im Wohnzimmer zu sitzen, wenn sie dafür weniger russisches Gas verbraucht.

Persönlicher Verzicht, eine nette Idee, meint Politikwissenschaftler Markus Kaim: "Aber das geht ein bisschen an den Dimensionen vorbei." Der Hauptkonsument der russischen Energie seien nämlich nicht die Haushalte, sondern die Industrie. Klar könne auch die Industrie zum Verzicht angehalten werden – aber dann würden die Kosten der Produkte steigen und letztlich Arbeitsplätze gefährdet.

Für Vassili Golod kein schlagendes Argument: "Das Embargo wäre ein wichtiger Schritt." Den Krieg mitzufinanzieren, sei "untragbar", Deutschland müsse alle Möglichkeiten ausschöpfen, der Ukraine zu helfen.

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So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Der Service-Gedanke gehört zur DNA von "Hart aber fair", regelmäßig klären Verbraucherschützer im Studio die Zuschauer über ihre Rechte auf. Der Sendungstitel "Wie können wir helfen?" hätte vermuten lassen, dass die Nummern von Spenden-Hotlines eingeblendet werden oder Vertreter des Roten Kreuzes Tipps geben, was jetzt wo am dringendsten gebraucht wird – aber nichts dergleichen, stattdessen beantwortet die Redaktion in einem kurzen Einspieler ganze drei Fragen.

Die wichtigste Antwort: Ja, auch privat untergebrachte Geflüchtete erhalten Geld - "damit können sie sich an den Nebenkosten beteiligen". Deutscher wird's nicht: Helfen ja, aber die Nebenkostenabrechnung muss stimmen. Übrigens: Wer nach der Sendung immer noch nicht weiß, wie er helfen kann, folge dem weisen Satz von George W. Bush jun.: "Just send your cash."

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Was aber hilft gegen den Kriegsherren im Kreml? Frank Plasberg fragt die Runde hoffnungsvoll nach einem "Riss" in der russischen Gesellschaft, und wird von Markus Kaim gründlich enttäuscht. "Das ist 'Wishful Thinking'". Wunschdenken also, und auch wenn man nicht genau weiß, wieviel das mit Daten und Fakten zu tun hat: Russische Umfrageinstitute registrieren eher einen Popularitätsschub für Präsident Wladimir Putin.

Und die Sanktionen? Wirken, sagt Kaim. "Die Frage ist aber: Wirken sie auf das Kalkül von Putin? Da habe ich meine Zweifel." Schließlich halte der Kreml immer noch an seinen Maximalforderungen fest. "Von daher bleibe ich bei meinem skeptischen Grundtun und ruiniere ihren Abend damit".

Wo nicht "Wishful Thinking" die Runde dominiert, basteln die Gäste an einer ziemlich langen To-Do-List für die heimische Politik, die sich offenbar noch auf hunderttausende, wenn nicht Millionen Flüchtende einstellen muss. Noch sei Euphorie zu spüren, berichtet Katja Kipping. "Aber wir müssen unsere Leute auf eine Langstrecke vorbereiten."

Vassili Golod fordert Kitaplätze für die Kinder und Sprachkurse für die Mütter und die älteren Menschen – alles Dinge, die sich eigentlich von selbst verstehen, sich aber nicht von selbst erledigen. Und uns also noch über Jahre, wie Kipping prophezeit, beschäftigen werden.

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US-Präsident Biden: Wir müssen Dritten Weltkrieg verhindern

Eine direkte militärische Konfrontation in der Ukraine zwischen dem US-Militär und den russischen Streitkräften muss nach Ansicht von Präsident Joe Biden verhindert werden, damit es nicht zu einem "dritten Weltkrieg" kommt. Das US-Militär und die Nato-Partner werden "jeden Zentimeter" des Bündnisgebiets geeint und "mit voller Macht" verteidigen, schrieb Biden am Freitag auf Twitter. "Aber wir werden in der Ukraine keinen Krieg mit Russland führen. Eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland ist der dritte Weltkrieg - und etwas, das zu verhindern, wir uns bemühen müssen", schrieb der Demokrat. Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied.
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