Die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hatte schlechte Laune – und das war gut so. Dass sich SPD und CDU bei "Hart aber fair" bestens vertrugen, machte einmal mehr deutlich, wie belebend eine angriffslustige Opposition sein kann.
Die SPD hat wieder mal einen neuen Vorsitzenden, genauer gesagt deren zwei. Und zwei Hauptfragen muss die dahinsiechende Regierungspartei unter
Worum es ging bei "Hart aber fair"?
Nach der Wahl der neuen SPD-Parteivorsitz-Doppelspitze fragt sich nicht nur
Das waren die Gäste bei
Lars Klingbeil (Generalsekretär der SPD)Ralph Brinkhaus (Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Deutschen Bundestag)Katrin Göring-Eckardt (Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag)- Eva Quadbeck (Journalistin, Leiterin Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post")
- Peter Zudeick (Journalist, Moderator und Autor)
Klingbeil versucht nicht nur bei Plasberg, die Machtzentren seiner Partei zu moderieren.
Im Bundestag sitzen Fraktion und Minister, im Willy-Brandt-Haus residiert die Partei unter den neuen Vorsitzenden – und die wollen nicht unbedingt dasselbe.
Die Aktie SPD: Plasberg provoziert Klingbeil
Plasberg stichelt gleich zu Anfang, fragt Klingbeil, ob er Aktien eines Unternehmens kaufen würde, das derart oft die Chefs auswechsle wie die SPD – Klingbeil ist seit zwei Jahren im Amt und hat nun mit Esken und Walter-Borjans die Chefs Nummer sieben und acht.
In letzter Zeit, gibt Klingbeil zu, habe seine Partei zu sehr in der "Binnenfixierung" verharrt. Nun aber, nach dem Parteitag, wisse man, "wofür die SPD steht", man werde sehen, was in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner durchkomme, "der Rest geht ins Wahlprogramm".
Und weil es Klingbeils Job ist, auch in der Öffentlichkeit die Machtzentren seiner Partei in der Waage zu halten, wurde er kaum konkreter, wenn es darum ging, welche Veränderungen den nun wirklich aus der Neubesetzung an der Spitze der SPD resultieren könnten.
Das klingt ein wenig langweilig und hört sich vor allem sehr wenig nach Veränderungs- und Aufbruchsenergie bei den Sozialdemokraten an.
Brinkhaus fährt Schmusekurs gegenüber dem Koalitionspartner
Deren Hoffnung, an der Gegenwehr des Koalitionspartner das eigenen Profil weiter schärfen zu können, macht einer zunichte, der es mit der SPD einfach nur gut zu meinen scheint: Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Der 51-Jährige agiert bei Plasberg durchgängig als verständnisvoller Vermittler, denkt überhaupt nicht daran, Konflikte auszusprechen, sondern diskutiert alle Probleme mit dem Koalitionspartner sanftmütig weg.
Die Parteien, gibt er zu bedenken, beschlössen "öfter mal, was etwas härter ist". Dazu braucht es offenbar gar keine rebellischen Jusos – "das ist ja bei uns auch so gewesen auf dem Parteitag."
Harmonischer als durch Klingbeil und Brinkhaus hätte sich die GroKo bei Plasberg kaum vertreten lassen können. Sich an Brinkhaus zu reiben, fiel Klingbeil offensichtlich schwer.
Es gab jedoch einen Moment - den, als Brinkhaus auf den Mindestlohn zu sprechen kam -, als die Koalitions-Kuschelei kurz durchbrochen wurde. Brinkhaus wies weit von sich, das Thema zu behandeln, "weil ein SPD-Parteitag dazu Forderungen aufgestellt hat."
Göring-Eckardt sprengt die harmonische GroKo-Zweisamkeit
Der ansonsten offensichtliche Wille, Konflikte zu übergehen und dafür die produktive Arbeitsroutine der GroKo hervorzuheben, sorgte nicht nur für gepflegte Langeweile beim Zuschauer, sondern ärgerte die grüne Fraktionsvorsitzende erheblich.
Ohne Göring-Eckardt wäre die Show wohl zum freundlichen Abendplausch geworden. Die Grüne warf Brinkhaus genervt vor, er wolle alle Konflikte und Probleme "runtermoderieren" und bestand darauf, dass die Große Koalition noch eine Menge Probleme zu lösen habe. Union und SPD hätten "das Vertrauen in die Politik verspielt. Dies gilt es, zurückzugewinnen."
Die Regierungskoalition müsse endlich "klar sagen, was sie will", forderte Göring-Eckardt, "das wäre eine große Freude für alle."
Kritik bekam explizit die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ab. Sie hatte nach der Wahl der neuen CDU-Spitze darauf hingewiesen, die Grundrente sei noch nicht verabschiedet und werde das auch erst, wenn man wisse, wie es mit der Koalition weitergehe.
Quadbeck gefällt Göring-Eckardts Angriffslust
Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin der "Rheinischen Post", empfand diese Ansage als "schlaue, bewusste, strategische Provokation" an die Adresse der SPD. Kramp-Karrenbauer, giftete Göring-Eckardt, nehme damit 1,5 Millionen Rentner "in Geiselhaft".
Quadbecks Kollegen Zudeick blieb es vorbehalten, die Möglichkeiten der SPD-Führung, eine andere Politik durchzusetzen, skeptisch zu beleuchten.
Zudeick prophezeit der SPD "bald wieder die gleichen Querelen"
Im Gegensatz zwischen der Riege der SPD-Minister im Bundestag und der Parteiführung sieht der Autor und Kommentator das größte Problem. Beispiel Schuldenbremse und schwarze Null: "Wenn die SPD-Führung gegen ihren eigenen Finanzminister arbeitet, gibt es bald wieder die gleichen Querelen wie vorher."
Die Diskussion um Schuldenbremse oder Mehrausgaben beschäftigte die Runde über längere Zeit und nährte die Vermutung, dass die große Koalition demnächst wohl doch noch Geld in die Hand nehmen wird.
Zwar war man sich einig, dass der Staat derzeit über enorme Steuereinkünfte verfügt und es vor allem darum gehe muss, bereits bewilligte Gelder abzurufen und zu investieren.
Doch Brinkhaus zeigte auch auf, wo Union und SPD-Finanzminister Möglichkeiten zur Geldbeschaffung finden könnten: "Zwischen Schuldenbremse und schwarzer Null liegen noch ein paar Milliarden".
Das hörte sich fast genauso an, wie es wenig zuvor Zudeick angedeutet hatte: Um die Schuldenbremse, hatte er gesagt, könne der Finanzminister sich ja ein wenig "herumtricksen."
Dazu meldete sich auch Klingbeil zu Wort und betonte, die Koalition dürfe nicht am "Dogma der schwarzen Null" festhalten.
Die Streitthemen sind die gleichen wie vor dem Parteitag der SPD
Ansonsten gab es die gleichen Themen wir vor dem SPD-Parteitag: Klimapaket, Grundrente, Digitalisierung.
Nach 75 Minuten blieb das wenig befriedigende Gefühl, dass es der SPD schwerlich gelingen wird, die GroKo aus dem Fahrwasser des "Weiter so" zu lenken. Nach einem Neuanfang in der Politik der Großen Koalition hörte sich das nicht wirklich an.
Was man dagegen mit etwas Fantasie aus Frau Göring-Eckhardts ungeduldigem Missmut herauslesen konnte: Dass – Plasberg deutete es an – die Meinungsumfragen für die Zeit nach der nächsten Bundestagwahl eine schwarz-grüne Koalition durchaus möglich erscheinen lassen.
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