Heribert Prantl prangerte bei Caren Miosga Dogmatismus und Fundamentalismus in der Ukraine-Debatte an. Eine Friedens- und Konfliktforscherin enthüllte, warum die öffentliche Debatte von der Frage nach Waffenlieferungen bestimmt wird.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP ist wahrscheinlich das bekannteste Gesicht der Pro-Ukraine-Fraktion in der deutschen Politik. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses setzt sich seit der russischen Invasion im Mai 2022 für eine schnellere und größere Unterstützung des Landes durch Deutschland ein. Sie legte sich dabei auch immer wieder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und anderen Mitgliedern aus dem "Team Vorsicht" an.

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Das war das Thema

Mehr als zwei Jahre nach Ausbruch des Krieges gerät die Ukraine aufgrund nachlassender Waffenlieferungen und Personalmangels auf dem Schlachtfeld zunehmend in die Defensive. Die Rufe nach Friedensverhandlungen werden lauter. Das Thema bei Caren Miosga: "Ist Deutschlands Unterstützung für die Ukraine grenzenlos, Frau Strack-Zimmermann?"

Das waren die Gäste bei "Miosga"

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Verteidigungspolitikerin warb dafür, dass Deutschland die Schuldenbremse trotz in Zukunft wohl weiter steigender Ausgaben für den Militäretat nicht aufweicht. "Dann würde ein Wall brechen. Dann würde ununterbrochen in diesen Haushalt gelangt" (aus den anderen Ressorts – d. Red.), befürchtet Strack-Zimmermann. Sie will stattdessen die Wirtschaft "entfesseln" und in anderen Bereichen des Haushalts kürzen. Schließlich zog die FDP-Frau über die AfD her. Die Partei zehre von den Problemen in Deutschland und ist in ihren Augen nicht an deren Lösung interessiert. "Das finde ich extrem verwerflich."
  • Nicole Deitelhoff: Die Friedens- und Konfliktforscherin erklärte, warum die öffentliche Debatte von der Frage nach Waffenlieferungen und nicht von diplomatischen Initiativen bestimmt wird. Initiativen fänden hinter verschlossener Tür statt und seien nicht so "greifbar" - anders als ein Panzer. Dennoch konnte sie bestätigen, dass im Hintergrund intensive Gespräche geführt werden. Aber der Weg zu einem Frieden ist noch weit. "Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir in ernsthafte Verhandlungen einsteigen", so Deitelhoff. So bereitet die Schweiz gerade eine Friedenskonferenz vor – ohne Beteiligung Russlands.
  • Heribert Prantl: Der Journalist der Süddeutschen Zeitung kritisierte den Dogmatismus und Fundamentalismus in der Diskussion um Ukraine-Unterstützung und Waffenlieferungen. "Dass man die andere Position als Verrat und Schande bezeichnet, das ist falsch". Ein Vorwurf, der direkt an Strack-Zimmermann gerichtet war. "Friedensverhandlungen sind kein Verrat", betonte Prantl. Der Logik, dass man erst in die Position des Stärkeren kommen muss, um zu verhandeln, konnte er wenig abgewinnen. "Ich werde mit dem Teufel verhandeln, wenn es darum geht, das Töten zu beenden"

Das war der Moment des Abends

Marie-Agnes Strack-Zimmermann arbeitet gerne mit ihrem Kabinettskollegen Boris Pistorius (SPD) zusammen. "Ich bin froh, dass er Verteidigungsminister ist", sagte sie bei Caren Miosga über den Mann, der die angekündigte Zeitenwende des Kanzlers bei der Bundeswehr in die Tat umsetzen soll. Das Lob für den Amtsinhaber nutzte Strack-Zimmermann zur Abrechnung mit Christine Lambrecht. "Das Jahr mit seiner Vorgängerin war ein verlorenes Jahr". Eine an sich unnötige Breitseite gegen die SPD-Politikerin, die bei Kritikern als Fehlbesetzung auf dem Posten galt.

Das war das Rededuell des Abends

Heribert Prantl konnte mit der Rhetorik von Strack-Zimmermann nicht viel anfangen. "Ich kenne ganz viele Menschen, denen machen Sie Angst", sagte der Journalist. "Mir machen Sie keine Angst, Frau Strack-Zimmermann", schob Prantl hinterher. Er habe dennoch das Gefühl: "Sie kriegen nicht genug." Das sollte wohl heißen: Sie fordert immer weitere Waffensysteme, inzwischen den Marschflugkörper Taurus, und mit dieser Strategie könnte der Krieg noch Jahre weitergehen, ohne große Veränderung der Lage.

Prantl ist sich sicher, dass die FDP-Politikerin in der Art und Weise, wie sie die Diskussion führt, nur jene überzeugt, die schon überzeugt sind, aber "die anderen nicht". Deitelhoff sprang Prantl zur Seite. Menschen, die gegen Waffenlieferungen sind, etwa 30 Prozent der Bevölkerung, würden lächerlich gemacht und nicht ernst genommen.

Schließlich antwortete Strack-Zimmermann auf Prantls Kritik. "Herr Prantl, ich nehme die Angst, von der Sie sprachen, zutiefst ernst, zutiefst ernst". Aber sie blieb dabei und betonte noch einmal, dass sie angesichts der russischen Verbrechen für die Ukraine kämpfen wird, solange sie in der Politik ist. Geht es nach ihr, ist Deutschlands Unterstützung für die Ukraine grenzenlos.

So hat sich Caren Miosga geschlagen

Durch ihre Hartnäckigkeit kitzelte die Gastgeberin aus Strack-Zimmermann bei der x-ten Nachfrage das Eingeständnis heraus, dass ihre Nicht-Einladung zum Europa-Wahlkampf nach Thüringen durch die dortige Parteispitze "vielleicht" eine Retourkutsche sein könnte. Der Grund: Strack-Zimmermann hatte den Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich 2020 nach dessen Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD umgehend scharf kritisiert. Punkt für Miosga.

Völlig berechtigt wies sie die FDP-Frau auch darauf hin, dass sie auf Prantls Vorwurf des Dogmatismus und Fundamentalismus nicht eingegangen sei. "Gerade hatte ich das Gefühl: Sie haben ihm gar nicht zugehört."

Beim Vier-Augen-Gespräch mit der Verteidigungspolitikerin beförderte sie die selbstironische Seite Strack-Zimmermanns an die Oberfläche. Auf ihre direkte Art angesprochen sagte sie: "Bevor ich einen Herzinfarkt bekomme, lasse ich es lieber raus". Würde sie auch anderen raten. Dass sie mal Fan von CSU-Legende Franz-Josef Strauß war, wusste wohl kaum ein Zuschauer: "Das war besser als jedes Fußballspiel mit Bayern München", beschrieb Strack-Zimmermann einen Auftritt des 1988 verstorbenen Bayern in ihrer Heimat Düsseldorf.

Das ist das Fazit

Am Ende quetschte Miosga zwar ein paar nette Worte von Strack-Zimmermann über Prantl und umgedreht heraus. Doch das durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Positionen in der TV-Sendung und wohl auch in vielerorts im Lande mit Blick auf die Ukraine-Unterstützung festgefahren sind. Waffen oder Frieden, schwarz oder weiß. Nicole Deitelhoff beobachtet eine extrem polarisierte Debatte. Viele Menschen sind nicht bereit, sich in eine abweichende Position hineinzuversetzen und der Gegenseite mal einen Punkt zuzugestehen.

Vermittler braucht es manchmal im Kleinen wie im Großen. Im Ukraine-Krieg wurde in der Sendung mehrfach China genannt, dass an einem langfristigen Konflikt in Europa kein großes Interesse haben dürfte und noch am ehesten Druck auf Moskau ausüben könnte. Heribert Prantl fand ein passendes Bild, das den Prozess zum Frieden verdeutlicht. "Wir müssen den Faden in das Löchlein einfädeln." Und das kann bekanntlich manchmal etwas länger dauern.

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