Klimaschutz steht am Sonntagabend auf dem Programm bei Anne Will. Aber weil Kevin Kühnert zu Gast ist, geht es auch um seine umstrittenen Sozialismus-Thesen. Das ist nicht der einzige Grund, warum es irgendwann sehr laut und verwirrend wird.

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Anne Will: Was war das Thema?

85 Prozent der Deutschen finden laut ARD-Deutschlandtrend, dass die Bürger für den Klimaschutz ihren Lebensstil ändern müssen. Aber eine CO2-Steuer, die klimaschädliches Verhalten verteuern würde? Diesen Vorschlag finden nur 34 Prozent gut.

Die Idee aus der Politik lautet, Bürger an anderer Stelle zu entlasten, ihnen somit kein Geld aus der Tasche zu ziehen – und sie trotzdem zum CO2-Sparen anzuregen. Ob das funktionieren kann, diskutierte Anne Will mit ihren Gästen.

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Wer waren die Gäste?

  • Ioannis Sakkaros: Der Kfz-Mechatroniker organisiert in Stuttgart Gelbwesten-Proteste. Er ärgert sich über einiges: hohe Spritpreise, Diesel-Fahrverbote, zu niedrigen Mindestlohn.
    Die Aussage, dass eine CO2-Steuer Geringverdiener nicht belasten würde, bezeichnet er als "Volksverarschung". "Ein konkretes Beispiel wurde nicht genannt", sagt Sakkaros, "das ist für mich nicht glaubhaft."
  • Annalena Baerbock: Die Co-Vorsitzende der Grünen fordert eine sozial-ökologische Marktwirtschaft und radikalen Klimaschutz. "Wenn alles gut wäre, würde Deutschland seine Klimaziele doch nicht verfehlen."
    Sie wirbt für eine CO2-Steuer, die allerdings sozial verträglich sein müsse. Die meiste Zeit ist sie jedoch damit beschäftigt, auf die Einwürfe von Gelbwesten-Organisator Sakkaros zu reagieren.
  • Michael Kretschmer: Sachsens Ministerpräsident findet Klimaschutz zwar generell sinnvoll, die aktuellen Projekten sind aus seiner Sicht allerdings erst einmal ausreichend.
    Schließlich habe sein Bundesland zunächst den Kohleausstieg zu schultern – mit dem Klimaschutz seien jetzt andere Staaten an der Reihe, so der CDU-Politiker: "Mit jedem Euro, den wir dafür in Deutschland ausgeben, werden wir viel weniger erreichen, als wenn wir ihn in den Schwellenländern ausgeben."
  • Kevin Kühnert: Der Vorsitzende der Jusos hat in der abgelaufenen Woche die Schlagzeilen beherrscht, weil er in einem Interview laut über die Kollektivierung von Unternehmen wie BMW nachdachte.
    Auch beim Thema Klimaschutz zweifelt Kühnert am Versprechen, der Markt werde es schon richten: "Wenn der Markt so toll funktionieren würde, dann hätten wir doch schon längst die technischen Innovationen, die dafür sorgen, dass wir weniger ausstoßen."
  • Maja Göpel: Die Politökonomin ist Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen und unterstützt die Klimaschutz-Proteste der "Fridays-for-Future"-Bewegung. Göpel wirbt dafür, den Klimaschutz so voranzutreiben, dass er sozial gerecht ist.
    Leider verwendet sie aber so viele Fachbegriffe, dass der Durchschnittszuschauer nicht viel versteht.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Kevin Kühnerts Schwärmerei für sozialistische Politik bringt Ministerpräsident Michael Kretschmer sichtlich auf die Palme. "Ich habe den Sozialismus selbst erlebt", schimpft er. Unerhört sei es, die Deutschen mit solchen Begriffen auseinanderzutreiben.

"Infam" findet wiederum Kühnert, dass seine Thesen gleich "mit DDR, Venezuela und Kuba" in Verbindung gebracht werden. Der Juso-Chef schimpft zurück: "Wenn das die einzige Antwort ist, die Ihnen auf neun Millionen Menschen im Niedriglohnsektor einfällt, dann disqualifizieren Sie sich als Teilnehmer einer politischen Diskussion."

Schärfe gehört zu einer Diskussion dazu. Aber an diesem Abend wird es auch für eine Polit-Talkshow ungewöhnlich garstig. Der sächsische Ministerpräsident, der in diesem Jahr eine schwierige Landtagswahl gewinnen will, verspricht: Mit seiner Partei sei eine CO2-Steuer nicht zu machen – obwohl sich die CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bereist anders geäußert haben.

"Herr Kretschmer hat jetzt lang genug diese leeren Floskeln abgelassen", fährt ihn Kühnert später an und fragt: "Wir hören von Ihnen immer nur, was alles nicht geht. Was wollen Sie denn eigentlich?"

Wie hat sich Anne Will geschlagen?

Es ist nicht ihre beste Sendung. Als Kretschmer und Kühnert so wild durcheinanderreden, bis niemand mehr etwas versteht, geht sie kaum dazwischen. Und obwohl die Moderatorin ständig versucht, Fachbegriffe wie "Mengenkorridor" oder "Nudging" simultan zu übersetzen, gelingt es ihr auch nicht, die Wissenschaftlerin Göpel zu verständlicher Sprache zu bewegen.

Was war das Ergebnis?

"Ich finde es nicht bis ins Letzte verständlich", stellt Anne Will am Ende fest. Wie die Gegner haben auch die Befürworter der CO2-Steuer ihre Argumente nicht so dargelegt, dass der Zuschauer sie schlüssig nachvollziehen kann.

Dabei hatte ein Einspieler das Kunststück eigentlich anschaulich erklärt: Eine CO2-Steuer könnte so funktionieren, dass Geringverdiener und Familien davon sogar finanziell profitieren. Doch auch diese Erkenntnis wird schnell zerredet.

Letztlich hat keiner der Gäste eine besonders gute Figur abgegeben. Wenn es bei dem Thema immer so emotional zugeht, wird ein gemeinsamer Kampf gegen den Klimawandel eine ziemlich schwierige Angelegenheit.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde Kevin Kühnert versehentlich als Vorsitzender der SPD bezeichnet. Das ist falsch. Tatsächlich ist Kühnert Vorsitzender der Jusos. Wir haben den Fehler korrigiert.
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