- Versäumnisse sowohl in der Coronakrise als auch in der Energiepolitik holten ein ehemaliges Kabinettsmitglied bei "Markus Lanz" ein.
- Jens Spahn stellte sich dabei Themen, die offenbar nicht abgesprochen waren.
- Ungläubiges Lachen erntete der CDU-Politiker für Aussagen zum Klimaschutz.
Drei Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist die kritische Bilanz der deutschen Gesundheitspolitik noch immer nicht abschließend gezogen. Zu den Vorwürfen zählen unter anderem schlechte Verhandlungen und zu wenig Kontrolle, was die Geldverteilung angeht. Nicht nur dieses Thema wurde zum überraschenden Mittelpunkt bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Die Corona-Politik hat in den vergangenen drei Jahren immer wieder für heftige Diskussionen im Land gesorgt. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei häufig Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Auch knapp über ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt muss sich der CDU-Politiker für sein Krisenmanagement verantworten. Bei "Markus Lanz" platzte Spahn während der leidenschaftlichen Diskussion mit dem ZDF-Moderator mehrmals fast der Kragen, als er versuchte, sein damaliges Handeln zu erklären. Doch nicht nur beim Thema Corona saß Jens Spahn auf dem heißen Stuhl: Auch, als es um die Klimapolitik und die Energiewende ging, wurde der einzige Mann in der Runde scharf kritisiert. Einig waren sich die Gäste am Donnerstagabend lediglich, als es um die Messerattacke in Norddeutschland ging, bei der am Mittwoch zwei Menschen ums Leben gekommen waren.
Das sind die Gäste
- Jens Spahn, CDU-Politiker und früherer Gesundheitsminister, stellte eine kühne These auf: "Wir sind schon immer und auch in Zukunft die wahre Klimaschutz-Partei."
- Eva Quadbeck, Journalistin und Chefredakteurin des "RedaktionsNetzwerks Deutschland", sagte: "Die Pandemie war ein Brennglas für unsere Gesellschaft."
- Claudia Kemfert, Energieökonomin und Expertin für Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), zog eine bittere Bilanz: "Die Energiewende wurde von der CDU massiv ausgebremst."
- Kathrin Witsch, Journalistin und "Handelsblatt"-Redakteurin, bekräftigte: "Deutschland war immer das Land der Industrie."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Zu Beginn der Sendung stichelte Markus Lanz in Richtung Jens Spahn: "Wie groß ist der Phantom-Schmerz, dass Sie in der Regierung gar nichts mehr zu entscheiden haben? Ist das hart, wenn man so ausgebremst wird?" Der ehemalige Gesundheitsminister demonstrierte Gelassenheit: "Es ist ja schon eine Weile her. Es wäre traurig, wenn ich mich jetzt noch jeden Tag damit beschäftigen würde. Aber es fehlt schon, aus Debatten zu Entscheidungen zu kommen."
Lanz fuhr fort: "Wie oft holt Sie Ihre Corona-Politik noch ein?" Jens Spahn antwortete verblüfft: "Ich weiß nicht genau, worauf Sie gerade hinauswollen." Der ZDF-Moderator listete daraufhin die vermeintlichen Verfehlungen aus Spahns Amtszeit auf, darunter zu viele Maskenbestellungen für einen zu teuren Stückpreis. Jens Spahn verteidigte seine Corona-Politik vehement, ließ aber auch eine Irritation erkennen: "Ich bin wegen der Klimapolitik eingeladen worden, aber ich kenne Sie ja." Markus Lanz gab sich friedfertig: "Ich will Ihnen das nicht zum Vorwurf machen, ich will es nur verstehen."
Daraufhin schaltete sich "RND"-Journalistin Eva Quadbeck in die Diskussion ein und ergänzte: "Sie wissen, wie hart die Lobby im Gesundheitssystem ist und dass jede kleine Lücke ausgenutzt wird. Da hätte man an einigen Stellen mehr Kontrollen machen müssen." Jens Spahn verteidigte sich mit den Worten: "Aufarbeiten ja, da bin ich immer dabei. Aber man muss sich immer vor Augen halten, in welcher Zeit wir leben." Als Lanz das Argument von Quadbeck wiederholte, reagierte Spahn angefasst: "Sie wären der Erste gewesen, der über Wochen eine Sondersendung gemacht hätte, wenn nicht genug Tests hier gewesen wären!"
Als Lanz bekräftigte: "Der Punkt ist die fehlende Kontrolle", fragte Spahn trotzig: "Wie hätten Sie denn gehandelt, Herr Lanz?" Der ZDF-Moderator ließ sich nicht beirren und listete auf, wie viele Firmen während der Corona-Pandemie Millionenbeträge erwirtschaftet haben. Der Ex-Minister sichtlich verärgert: "Hätten Sie mir vorher gesagt, dass wir über das Thema sprechen, dann hätte ich mich noch einmal etwas besser in den Sachverhalt hineindenken können. Das ist für mich jetzt zwei, drei Jahre her." Das Argument ließ Markus Lanz nicht gelten: "Das ist doch eine große, aktuelle Situation!"
Abschließend erklärte Jens Spahn mit ernstem Blick in Richtung Markus Lanz: "Ich teile den Befund, dass es effizienter geht. Aber ich teile ganz bestimmt nicht den Punkt, dass das Gesundheitssystem keinen guten Job geleistet hat. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nichts mehr zum Gesundheitssystem zu sagen. Deshalb können Sie froh sein, dass ich das jetzt gemacht habe."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Ähnlich hitzig ging die Auseinandersetzung beim Thema Klimaschutz weiter. Als Markus Lanz den ehemaligen Gesundheitsminister zu dessen neuem Betätigungsfeld befragte ("Warum jetzt Klima?"), antwortete der Bundestagsabgeordnete selbstbewusst "Alle Entscheidungen, die mit Klimaschutz in Deutschland zu tun haben, sind christlich-demokratisch geführt. Das geltende Klimaschutzgesetz ist von der Union gemacht worden."
Als die anwesenden Gäste der Talkshow anfingen zu lachen, merkte der ZDF-Moderator fast schon schnippisch an: "Wenn Sie jetzt nach links gucken, sehen Sie rollende und sich überschlagende Augen." Jens Spahn schien davon unbeeindruckt und antwortete knapp: "Das ist ja okay."
War der ehemalige Gesundheitsminister beim Thema Corona noch mit Eva Quadbeck aneinandergeraten, musste er beim Thema Klimapolitik harsche Kritik von Claudia Kemfert einstecken. Der Energieökonomin platzte der Kragen, als Jens Spahn behauptete: "Wir sind schon immer und auch in Zukunft die wahre Klimaschutz-Partei."
"Das ist ja wirklich ein Witz!", erwiderte Kemfert bei "Markus Lanz". Sie ergänzte energisch: "Die Energiewende wurde von der CDU massiv ausgebremst. Die Konsequenz, die wir jetzt haben, ist eine gigantische Energiekrise. Die Krise kommt auch daher, dass Sie Knebelverträge mit Russland gemacht haben. Sie haben so viele Fehler gemacht, die aufgearbeitet werden müssen."
Spahn beharrte auf einer gänzlichen anderen Sicht der Dinge: "Grund für die Krise ist die Energiewende. Wir brauchen als Brücke das Gas. Die Ampel hätte uns noch abhängiger von russischem Gas gemacht." Kemfert hielt dagegen: "Wir haben immer vor der russischen Abhängigkeit gewarnt. Sie haben es trotzdem getan! Dieser Fehler kostet uns 300 Milliarden Euro. Die Warnungen waren die ganze Zeit da! Der Preis der verschleppten Energiewende ist jetzt gigantisch."
Daraufhin reagierte Jens Spahn überraschend kleinlaut und gab zu: "Ja, es sind Fehler gemacht worden. Das akzeptiere ich." Statt sich damit zufriedenzugeben, legte Claudia Kemfert nach und sagte in Richtung Spahn: "Sie denken analog. Sie denken an eine alte Energiewelt. In Ihrer Denkwelt gibt es keinen Klimaschutz! Sie denken nur an konventionelle Energie." Als die Diskussion kein Ende nahm und kein gemeinsamer Nenner gefunden werden konnte, schaltete sich Markus Lanz ein: "Lassen Sie uns zum Schluss festhalten, dass die Schuld nicht bei Herrn Spahn liegt. Er war Gesundheitsminister. Ich würde sagen: Liebe und Harmonie am Ende dieser Sendung."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Lanz konnte seine Gäste mehrmals aus der Reserve locken - allen voran Jens Spahn. Er ließ nicht locker und stichelte wiederholt in Richtung des ehemaligen Gesundheitsministers, der offenkundig nicht mit einem Fokus auf die Corona-Politik gerechnet hatte. Schade nur, dass die Diskussionen über die Coronakrise sowie zur Energiewende schlussendlich aufgrund von Zeitmangel im Sande verliefen. Auffällig war, dass Jens Spahn als einziger männlicher Gast der Runde von allen Seiten in die Mangel genommen wurde und am Donnerstagabend nur wenig Zeit zum Durchatmen hatte.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Während sich die Gäste bei "Markus Lanz" weder beim Thema Corona noch bei der Klimapolitik einig wurden, analysierte die Runde die jüngste Messerattacke in einem Regionalzug in Norddeutschland mit großer Ernsthaftigkeit. Journalistin Eva Quadbeck fasste die Misere bündig zusammen: "Man ist es den Opfern schuldig, dass man die Debatte so führt, dass sie auch zu einem Ziel kommt. Unsere Debatten starten häufig und dann macht man sich nur noch gegenseitig Vorhaltungen. Und das ist dann das Ende unserer Debatten. Bei dem Thema muss man sicherlich über konsequente Abschiebungen reden. Man muss auch darüber reden, wie wir die Gesellschaft vor gemeingefährlichen Menschen schützen - egal von welcher Herkunft." Markus Lanz stimmte zu und ergänzte abschließend: "Das Thema wird uns noch länger beschäftigen, da bin ich mir sicher." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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