In wenigen Wochen wird Franziska Giffey ihren Posten als Regierende Bürgermeisterin Berlins räumen und in eine Große Koalition unter CDU-Bürgermeister Kai Wegner eintreten. Ein durchaus "ungewöhnlicher Schritt" - und kein leichter, wie sie bei "Markus Lanz" erklärt. Der Moderator und ein weiterer Gast vermuten Kalkül.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die krachende Wahlniederlage der SPD in Berlin - und ihre politischen Folgen: Die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey entschied sich gegen ein Rot-Rot-Grün-Bündnis unter ihrer Führung und für eine Koalition mit der CDU.

Mehr aktuelle News

Den Machtverzicht bezeichnete sie bei "Markus Lanz" selbst als "ungewöhnlichen Schritt". Schließlich gehe es um etwas Größeres - Berlin. "So selbstlos? Wir reden immer noch über Politik", zeigte sich nicht nur Lanz misstrauisch und vermutete einen machtpolitischen Schachzug.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Anfang des Jahres fuhren die Sozialdemokraten ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis in der Berliner Stadtgeschichte ein, während die CDU es schaffte, die Stimmen vieler enttäuschter Bürger einzusammeln. Bei "Markus Lanz" musste sich die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey deshalb kritischen Fragen zur Niederlage stellen und sprach offen über die geplante Koalition mit der CDU.

Am Rande der Debatte lieferte sich Giffey zudem ein Wortgefecht mit dem ZDF-Moderator, als es um ihre künftige Position außerhalb des Roten Rathauses ging. Ebenfalls auf der Agenda: ein Austausch über die Zukunft der Städte.

Das sind die Gäste

  • Franziska Giffey, SPD-Politikerin und Berlins Regierende Bürgermeisterin: "Das Wahlergebnis war bitter."
  • Michael Bröcker, Journalist und Chefredakteur von "The Pioneer": "Das Kanzleramt ist maximal genervt von der Anspruchshaltung der Grünen."
  • Christine Lemaitre, Bauingenieurin: "Wir müssen das Leben in unseren Städten überdenken."
  • Fabienne Hoelzel, Architektin: "Die Autos müssen raus aus der Stadt."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung begrüßte Markus Lanz SPD-Politikerin Franziska Giffey mit den Worten: "Sie hat es als erste Frau überhaupt zur Regierenden Bürgermeisterin Berlins geschafft." Mit Blick auf das desaströse Ergebnis der Berlin-Wahl fragte Lanz jedoch gleichzeitig: "Wie lange machen Sie es noch?"

Franziska Giffey ließ sich davon nicht beirren und reagierte prompt: "Wir haben erfolgreich einen Koalitionsplan mit der CDU ausgehandelt. Am 27. April wird es die Regierungsneubildung geben und diese Zeit wird genutzt, um den Regierungswechsel gut vorzubereiten."

Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und wollte wissen: "Wie schwer ist Ihnen das gefallen?" Die amtierende Bürgermeisterin antwortete relativ nüchtern: "Das ist kein leichter Schritt. Aber es geht darum, ein Wahlergebnis zu respektieren und zu schauen, wo die Wähler Kritik zum Ausdruck gebracht haben. Das sind Dinge gewesen, die Veränderungen bedürfen."

Lanz merkte daraufhin zu Recht an: "Das wäre aber auch anders gegangen und Sie hätten Bürgermeisterin bleiben können." Ein Fakt, den Franziska Giffey nicht abstritt. Die Politikerin erklärte jedoch: "Ich habe mir jedoch angeschaut, was der beste Weg für die Stadt ist." Ein Satz, der den ZDF-Moderator zum Lachen brachte - und misstrauisch machte: "So selbstlos?"

Statt unsicher zu werden, konterte Giffey ruhig: "Das können Sie sich nicht vorstellen, oder?" Man habe das als Team so bewertet, dass man pragmatische, lösungsorientierte Politik besser mit der CDU machen könne, als es bisher der Fall war, erklärte Giffey. "Es geht um was Größeres, es geht um die Stadt und es geht um den Wähler-Willen." Zudem brauche es "Erneuerung" - was Lanz zur künftigen Zusammenarbeit der SPD mit dem CDU-Landesvorsitzenden Kai Wegner bringt.

Statt vom Berliner Bürgermeister in spe zu schwärmen, gestand Franziska Giffey am Donnerstagabend offen: "Es geht dabei nicht um eine Liebesheirat, aber es geht um die Verantwortung für die Stadt. Wenn ich mir das aussuchen könnte, würde ich alle Positionen mit SPD-Leuten besetzen, aber die Realität ist eine andere." Abschließend stellte sie klar: "Ich bin der Meinung, dass ein sozialdemokratisches Bündnis mit der CDU gut für die Stadt sein wird."

Journalist Michael Bröcker von "The Pioneer" zollte dem Verhandlungsgeschick Giffeys Respekt, weil das Koalitionspapier eigentlich kaum christdemokratische Akzente enthalte - "geschickt gemacht, politisch sehr klug." Zudem würde er "Frau Giffey zugestehen, dass es stimmt, dass aus ihren Poren nicht jeden Tag nur Machtgeilheit strömt."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Diskussion am Donnerstagabend wurde jedoch hitziger, als Bröcker hinter der Entscheidung für ein schwarz-rotes Bündnis mehr vermutete als nur die Liebe zur Stadt Berlin. Er erklärte im Gespräch mit Lanz: "Das Kanzleramt ist maximal genervt von der Anspruchshaltung der Grünen. Und das wäre ja die Alternative gewesen: Schwarz-Grün."

Lanz hakte interessiert nach: "In Wahrheit geht's darum, die Grünen kleinzuhalten und in Wahrheit geht's um die Wiederwahl von Olaf Scholz?" Bröcker nickte zustimmend: "Genau. Wenn sie sich für Rot-Rot-Grün entschieden hätten, hätte es einen wahnsinnigen Shitstorm gegeben. Von daher war der Schachzug sehr klug." Giffey widersprach nicht.

Lanz lenkte daraufhin das Gespräch auf den Wunsch der Berliner und Berlinerinnen nach mehr Sicherheit. Mit Blick auf die Silvesternacht, in der zahlreiche Angriffe auf Polizisten und Feuerwehrleute gemeldet wurden, kritisierte der ZDF-Moderator in Richtung Giffey: "Man parkt falsch und das Gesetz schlägt sofort zu, aber bei so etwas passiert weitestgehend nichts. Das kann's doch nicht sein!"

Lesen Sie auch: Nach Silvester-Ausschreitungen: Giffey kontert Anschuldigungen von Söder

Es gebe noch kein einziges Urteil, warf Bröcker ein. Die Politikerin reagierte verhalten und verteidigte sich: Natürlich sei ihr das ein wichtiges Anliegen, dem man sich annehmen müsse. Aber: "Es ist schwierig, die Beweislage zu ermitteln in so einer Nacht", erklärte Giffey - und wandte sich an den Moderator. "Es geht aber um Beweise, Herr Lanz, Sie können nicht einfach jemanden in Haft nehmen, wo Sie keine Beweise haben. Deswegen ist das Thema Beweisführung so wichtig, deswegen ist das Thema Bodycams so wichtig." Ein Argument, das für den Moderator nicht zählte: "Damit schieben Sie den Schwarzen Peter in Richtung Justiz."

Lanz forderte seinen Gast daraufhin heraus, als er ohne Vorwarnung fragte: "Das Thema ist Ihnen ein Anliegen. Also könnten Sie sich vorstellen, mal Bundesinnenministerin zu werden?" Franziska Giffey wollte sich darauf nicht einlassen: "Wir haben heute eine Diskussion über ein mögliches Bündnis und in diesem Bündnis möchte ich mitarbeiten. Alles andere steht im Moment überhaupt nicht zur Debatte. Jetzt steht an, dass Berlin mich braucht."

Lanz reagierte lachend: "Das war ein klares Ja!" Eine Aussage, von der sich Giffey nicht beeinflussen ließ. Sie konterte: "Ich finde es lustig, was Sie da hineininterpretieren." Lanz wollte dennoch wissen: "Könnte es denn passieren, dass diese Stelle frei wird?"

Michael Bröcker schaltete sich ein und erklärte: "Das könnte passieren, wenn Nancy Faeser ab Herbst in Hessen gebraucht wird." Lanz reagierte prompt in Richtung Giffey: "Bis dahin sehen wir Sie dann als neue Bau-Senatorin in Berlin? Das schreit doch nach Ihnen!" Die amtierende Bürgermeisterin beendete die Diskussion mit einem zaghaften Lächeln: "Nein, wir verteilen heute keine Posten!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz fokussierte sich am Donnerstagabend vor allem auf einen seiner vier Gäste: SPD-Politikerin Giffey. Die amtierende Berliner Bürgermeisterin musste sich jede Menge kritische Fragen des ZDF-Moderators gefallen lassen. Mit seiner spitzen Zunge schaffte es Lanz, Giffey einige vielsagende Gesichtsausdrücke und Aussagen zu entlocken, die einen möglichen Einblick in ihre politische Zukunft nach dem 27. April gewährten.

Der Austausch über den Städtebau der Zukunft kam allerdings deutlich zu kurz. Christine Lemaitre, Bauingenieurin und Expertin für nachhaltiges Bauen, und Architektin Fabienne Hoelzel dürften sich zumindest die ersten 35 Minuten gefragt haben: Was machen wir eigentlich hier?

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Am Donnerstagabend fokussierte sich Lanz in seiner Sendung nicht nur auf die mögliche Koalition der SPD und CDU in Berlin, sondern vor allem auch auf die Zukunft der aktuell noch amtierenden Berliner Bürgermeisterin Giffey. Nachdem diese verkündete, dass sie ihr Amt freiwillig ablegen will, spekulierte Lanz, ob sich Giffey insgeheim für den Posten der Bundesinnenministerin oder Berliner Bau-Senatorin begeistert.

Eine Mutmaßung, auf die sich die Politikerin nur bedingt einlassen wollte. Lanz beendete seine Sendung nach einer durchaus lebhaften Debatte schließlich mit einem Lächeln und den Worten in Richtung Giffey: "Viel Erfolg. Wir werden das sehr genau verfolgen, was als nächstes passiert."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.