In Deutschland werden alle Kräfte mobilisiert, die es im Kampf gegen das Coronavirus braucht – das ist eine wichtige Botschaft in der Talkrunde von Maybrit Illner. Fernseharzt Eckart von Hirschhausen lässt aber auch die Bürger nicht aus der Pflicht.
Seit gut einer Woche befindet sich Deutschland im Ausnahmezustand. Spätestens seit der Schließung von Schulen, Läden und großen Teilen der Gastronomiebranche dürfte auch dem letzten Bürger bewusst geworden sein, dass das Coronavirus das Leben jedes Einzelnen verändert.
Seitdem sind auch in den politischen Talkrunden Betroffenheit und bisweilen Ratlosigkeit zu spüren. Bei
Wer sind die Gäste?
Hubertus Heil : Eine Ausgangssperre wolle auch die Bundesregierung nicht, sagt der Bundesarbeitsminister. Dafür müssten jetzt aber alle die Regeln des sozialen Abstandhaltens befolgen. Der SPD-Politiker verspricht zudem, dass die Sozialsysteme Beschäftigten oder Selbstständigen in wirtschaftlichen Notlagen Hilfe bieten: "Wir sind nicht in Amerika, wo die Menschen ins Bodenlose fallen in solchen Situationen."- Susanne Johna: Die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund berichtet, dass die meisten Krankenhäuser sich bereits auf eine Infektionswelle einstellen. Sie sieht dort aber noch Luft nach oben: Manche Kliniken würden nicht zwingend notwendige Operationen noch nicht verschieben. Das sei aber dringend nötig: "Wenn wir die Krankenhäuser erst einmal auf Volllast fahren, ist nicht mehr die Zeit, Personal einzuarbeiten."
Christian Drosten : Der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin ist inzwischen eines der bekanntesten Gesichter der Corona-Krise in Deutschland. Er macht Hoffnung, dass Deutschland keine Verhältnisse wie in Italien bevorstehen, wo inzwischen mehr als 3.400 Menschen am Virus gestorben sind und das Gesundheitssystem überlastet ist. In Deutschland habe man den Ausbruch früher erkannt, so Drosten: "So eine Talkrunde im Vorlauf hat es in Italien nicht gegeben."Eckart von Hirschhausen : Zum Glück werde in dieser Krise deutlich, welche Berufsgruppen wirklich systemrelevant seien, sagt der Arzt und Fernsehmoderator. Er weist darauf hin, dass Krankenpflegerinnen und -pfleger in den vergangenen Jahren zum Beispiel in die Schweiz gegangen sind: "Da arbeiten in der Pflege 80.000 Menschen, die in Deutschland so schlecht behandelt wurden, dass sie abgewandert sind."- Kristin Shi-Kupfer: Die China-Expertin wirft einen kritischen Blick auf Peking, das inzwischen behauptet, das Virus im Griff zu haben und die Industrieproduktion wieder hochfahren will. "Die chinesische Regierung wirkt alles andere als sicher", sagt sie: Die Krise habe auch die Bevölkerung an der Staatsführung zweifeln lassen.
Was ist der Moment des Abends?
Der Appell, soziale Kontakte zu meiden, ist nicht neu. Er war in den vergangenen Tagen vielmehr rund um die Uhr in der Öffentlichkeit zu hören. Aber Eckart von Hirschhausen bringt ihn an diesem Abend doch besonders eindrücklich auf den Punkt: "Es werden in Deutschland in den nächsten Wochen Menschen sterben. Und die werden nicht an einem Mangel an Klopapier sterben, sondern an einem Mangel an gesundem Menschenverstand, an einem Mangel an Beatmungsgeräten und ausgebildeten Menschen."
Das Wissen der Bevölkerung, wie man sich in dieser Krise zu verhalten habe, wachse, glaubt der Mediziner. "Aber bei der Übersetzung in Verhalten – da mangelt es noch."
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Was ist das Ergebnis?
Meinungsverschiedenheiten, Streit und Diskussionen sparen sich die Gäste in der Runde, Maybrit Illner führt unaufgeregt und mit präzisen Fragen durch die Sendung. Nicht alles, was hier zur Sprache kommt, ist neu. Wer die Berichterstattung der Medien in den vergangenen Tagen aufmerksam verfolgt hat – und das dürfte für viele Menschen gelten – erfährt an diesem Abend nicht allzu viel Neues.
Trotzdem erfüllt die Sendung eine wichtige Funktion: Sie demonstriert den Zuschauerinnen und Zuschauern, welche Kraftanstrengungen Staat, Wirtschaft und vor allem die vielen Beschäftigten im Gesundheitswesen gerade vollbringen: Ein Land krempelt kollektiv die Ärmel hoch.
Susanne Johna berichtet von pensionierten Ärztinnen und Ärzten, die sich zum Dienst melden. Christian Drosten schildert die vielen (und leider zeitaufwendigen) Anstrengungen, Medikamente und Impfstoffe gegen das Coronavirus zu finden.
Arbeitsminister Heil schließlich räumt ein: "Ich kann nicht versprechen, dass wir am Ende wirklich jeden Arbeitsplatz gerettet haben." Aber man kämpfe darum. Er demonstriert auch, dass der oft schwerfällige deutsche Staat in dieser Notsituation Flexibilität beweist: Mediziner zum Beispiel sollen von lästigen und aufwendigen Datenerhebungs- und Dokumentationspflichten entlastet werden, um mehr Zeit für die Arbeit an den Patienten zu erhalten.
Eine besonders drängende Frage allerdings kann auch an diesem Abend noch nicht beantwortet werden: Wann wird der Staat die drastischen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus wieder aufheben können?
Es gebe Modellrechnungen, die davon ausgehen, dass der Kampf zwei Jahre dauern werde, sagt Christian Drosten. Er betont danach direkt: "Das ist natürlich nicht durchzuhalten." Doch das öffentliche Leben wird wohl noch länger stillstehen, als es uns lieb ist.
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