Mit dem Demokratiefördergesetz wollte die Ampelkoalition eigentlich das zivilgesellschaftliche Engagement nachhaltig stärken. Doch ein Gesetzentwurf liegt seit Frühling 2023 auf Eis.

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Zivilgesellschaft stärken, Vereine und Projekte langfristig absichern und so die Demokratie als Staats- und Gesellschaftsform stärken und gestalten. Das war das Ziel des Demokratiefördergesetzes der Ampelkoalition. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf haben Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bereits im Dezember 2022 vorgestellt – seit dem Frühjahr 2023 liegt er dem Bundestag vor. Voran geht es seither allerdings schleppend.

Unsicherheit und ständiger Papierkram

Für viele zivilgesellschaftliche Vereine und Projekte bedeutet das: weiterhin Unsicherheit. Denn die Finanzierung ist bislang meist zeitlich begrenzt und nicht selten kompliziert zu beantragen.

Die Folge: Durch die Kurzlebigkeit der Förderung stehen viele Projekte immer wieder vor dem Aus wenn sich keine Anschlussfinanzierung auftut. Geschultes Personal wechselt den Job, weil nicht klar ist, wie lange der eigene Arbeitsplatz noch sicher ist. Initiatoren verbringen viel Zeit damit, Anträge zu verfassen.

Lan Böhm, Leiterin des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe", nennt auf Anfrage dieser Redaktion ebenfalls vor allem die Dauer der Förderung als Flaschenhals. "Mindestens drei, besser fünf Jahre sind nötig, um zum Beispiel eine demokratische Organisationsentwicklung oder eine regionale Verankerung von Projektmaßnahmen zu ermöglichen."

Das Demokratiefördergesetz könnte aus Sicht von Böhm mehr Sicherheit bieten, damit Förderprogramme fortgeführt und kontinuierlich überprüft werden.

Demokratiefördergesetz sollte Planungssicherheit bringen

Im Gesetzentwurf heißt es: "Der Zuwachs an Planungssicherheit ermöglicht es, mit dem Gesetz einen wirkungsvollen Beitrag zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention, politischen Bildung sowie der Vermittlung rechtsstaatlicher, demokratischer und freiheitlicher Werte und des Empowerments zu leisten."

Doch Kritik an den Plänen regt sich innerhalb der Koalition. Namentlich die FDP äußert Skepsis gegenüber den Plänen.

Gyde Jensen ist bei den Liberalen für das Gesetz zuständig. Im Gespräch mit unserer Redaktion stellt sie klar, dass die FDP den Eckpunkten in ihrer jetzigen Form nicht zustimmen könne. "Es gibt Änderungsbedarf, auch wenn der Entwurf im Kabinett mit den Stimmen der FDP-Minister beschlossen wurde, sehen wir als Parlamentarier als Legislative die Notwendigkeit für Verbesserungen." Eine ganze Reihe an Änderungen habe die FDP eingefordert.

SPD-Politiker Felix Döring, der in seiner Fraktion für das Gesetz zuständig ist, fordert auf Nachfrage dieser Redaktion die Liberalen auf, dazu beizutragen, den "Gesetzgebungsprozess endlich abzuschließen". Das sei gerade vor dem Hintergrund der Debatte um islamistische Gewalt und den Anschlag in Solingen wichtig. "Präventionsarbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindlichkeit braucht dringend einen verlässlichen Rahmen", stellt Döring klar.

FDP fordert Bekenntnis zur Verfassung

Die FDP hatte mit Blick auf linksradikale Gruppierungen eine Extremismusklausel für das Gesetz gefordert: Die Liberalen befürchten, auch solche Gruppen könnten von den Förderungen profitieren.

SPD-Politiker Döring kann diese Zweifel nicht verstehen. Er hält eine Extremismusklausel für unnötig: "Bereits heute gilt: Fördermittel dürfen nur für solche Aktivitäten genutzt werden, die den Zielen des Grundgesetzes entsprechen und diesen förderlich sind." Mittel würden nicht an radikale Gruppierungen ausgezahlt – und sollte sich im Nachgang herausstellen, dass gegen diesen oder andere förderrechtliche Grundsätze verstoßen wurde, könnte das Geld zurückverlangt werden.

Gyde Jensen besteht dagegen auf die Extremismusklausel: "Die Zeit, in der wir leben, erfordert aus unserer Sicht ein klares Bekenntnis zur Verfassung und gegen Antisemitismus." Aus Sicht von Jensen muss nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober und dem seither anhaltenden Krieg im Nahen Osten diese Staatsräson auch Einzug in ein Gesetz zur Förderung der Demokratie finden.

Die Liberale macht zudem deutlich: Die Förderung von Demokratieprojekten in Deutschland sei nicht davon abhängig, dass das Gesetz verabschiedet wird.

Förderprogramm "Demokratie leben" wird verlängert

Unter anderem wird das Programm "Demokratie leben", das bereits seit 2015 bundesweit Projekte zum Schutz der Demokratie fördert, verlängert. Wie ein Sprecher des zuständigen Bundesfamilienministeriums auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt, wurden die Ziele und Strukturen neu justiert und dabei vor allem ein Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen gelegt. Grundlage seien die Erfahrungen der vergangenen Förderperioden gewesen.

Neu sei unter anderem: In einzelnen Programmbereichen könnten die Förderzeiträume auf acht Jahre ausgedehnt werden. Das dürfte mehr Planungssicherheit bedeuten. Allerdings nur für ausgewählte Projekte. Denn generell gilt beim Haushalt der Grundsatz der zeitlichen Bindung. Das bedeutet: Ausgaben dürfen nur bis zum Ende eines Haushaltsjahres festgezurrt werden.

In der neuen Programmperiode solle die lokale Demokratiearbeit darüber hinaus weiter gestärkt und dafür ein bundesweites Netzwerk aufgebaut werden. Neue Initiativen sollen in Zukunft besser durch das Programm unterstützt werden.

Von Einigung weit entfernt

Warum braucht es also auch ein Demokratiefördergesetz? "Das Demokratiefördergesetz soll einen einheitlichen Rahmen für Maßnahmen des Bundes schaffen, kein neues Förderprogramm", sagt SPD-Politiker Döring dazu. Es gehe darum, alle Maßnahmen inklusive der Förderprogramme in den Bereichen Demokratieförderung, Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung und politische Bildung auf die gleiche Grundlage zu stellen und die Transparenz über die Aktivitäten des Bundes zu steigern.

Gyde Jensen blickt verhalten auf eine Einigung bis zum Ende der Legislaturperiode. Die Änderungsforderungen ihrer Partei müssten angenommen werden, für einen aus ihrer Sicht schlechten Kompromiss ist die FDP-Politikerin nicht zu haben. Mit Blick auf die zahlreichen Knackpunkte, vor denen die Ampel-Parteien stehen, wirkt eine Einigung beim Demokratiefördergesetz in der verbleibenden Zeit der Legislatur unwahrscheinlich.

Verwendete Quellen

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