• Die Lobby-Affäre um Philipp Amthor (CDU) brachte Schwung in das Vorhaben eines Lobby-Registers.
  • Bis zum Herbst vergangenen Jahres sollte es kommen, nun könnte es auf der Zielgeraden scheitern.
  • An welchen Detailfragen es gewaltig hakt, erklären die Verhandler Matthias Bartke (SPD) und Patrick Schnieder (CDU).

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Für Philipp Amthor (CDU) kam die Lobby-Affäre genau zum falschen Zeitpunkt: Kurz vor dem Sprung an die Spitze seiner Partei brachten die "Spiegel"­-Recherchen über seine Tätigkeiten für das US-Unternehmen "Augustus Intelligence" die Karriere des CDU-Youngsters ins Wanken.

Rückblick: Im Gegenzug für Lobby-Tätigkeiten hatte Amthor von der Firma, die mit Künstlicher Intelligenz handelt, einen Direktorenposten und Aktienoptionen erhalten. 2018 soll Amthor in einem Brief an den Bundeswirtschaftsminister um politische Unterstützung für das Start-up gebeten haben.

Nach Bekanntwerden der Lobby-Tätigkeit räumte der 27-Jährige mit Ambitionen auf den CDU-Parteivorsitz in Mecklenburg-Vorpommern Fehler ein und gab die Aktienoptionen zurück.

Timo Lange: "Scheitern noch möglich"

Dem Vorhaben eines Lobby-Registers aber verlieh der Vorfall neuen Schwung, lenkte die Aufmerksamkeit in der medialen Debatte auf die Umsetzung: Im Sommer vergangenen Jahres kündigten die Koalitionsfraktionen von SPD und Union an, noch im Herbst komme ein verbindliches Lobby-Register samt scharfen Transparenzregeln für Abgeordnete.

Ende Februar 2021 aber ist das Lobby-Register noch immer nicht da. In entscheidenden Punkten herrscht noch keine Einigkeit. Ist das Lobby-Register ad acta gelegt? "Ein Scheitern ist noch möglich", meint Timo Lange von LobbyControl, einer Initiative, die sich für Transparenz, eine demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit einsetzt. Die Verhandlungen, wie genau das Lobby-Register aussehen solle und für wen es gelte, zögen sich seit Monaten hin. "Aus den Ankündigungen, das Lobby-Register schnell nach der Sommerpause auf den Weg zu bringen, ist nichts geworden. Das ist bedauerlich", sagt Lange im Gespräch mit unserer Redaktion.

Lobby-Arbeit auf zwei Ebenen

Warum aber geht es in Sachen Lobby-Register nicht voran? Schließlich hatte sich – nach jahrelanger Skepsis aufseiten der Konservativen – nach der Amthor-Affäre eine politische Mehrheit gefunden, das verpflichtende Transparenzinstrument auf den Weg zu bringen.

"Der erste Gesetzentwurf, der zwischen SPD- und Unionsfraktion verhandelt wurde, hat nur die Lobby-Arbeit gegenüber dem Bundestag erfasst", erklärt Lange. Die meisten Gesetze würden aber in den Ministerien der Regierung formuliert. "Dort gibt es viel Lobby-Arbeit", weiß der Experte. Ein Lobby-Register, welches die Bundesregierung ausklammere, erfülle deshalb noch nicht einmal die Minimalanforderungen.

Erweiterung auf Bundesregierung

"Wenn wir mit einem Lobby-Register mehr Transparenz in die Politik bringen wollen, muss das auf zwei Ebenen passieren: Dem Bundestag und der Bundesregierung", sagt auch Matthias Bartke, Obmann der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Er ist im Bundestag mit den Verhandlungen mit der Unionsfraktion befasst.

"Für den Bundestag wurde es im gemeinsamen Gesetzesentwurf bereits umgesetzt: Alle Lobbyisten, die Einfluss auf Abgeordnete und auf deren Mitarbeiter nehmen, müssen sich registrieren lassen. Gleichzeitig ist über eine Schwarze Liste ersichtlich, welche Lobbyisten keine Informationen über die finanziellen Hintergründe preisgeben. Lobbyisten, die sich gar nicht registrieren oder falsche Angaben machen, bekommen ein Bußgeld." Was für den Bundestag schon vereinbart sei, müsse auch für die Bundesregierung samt ihrer Ministerien gelten.

Streit über Detailfragen

SPD und Union entschieden daher, das Gesetz noch einmal zu überarbeiten, um auch die Regierung mit in den Verantwortungsbereich zu nehmen. Seitdem gibt es jedoch Streit über Detailfragen. "Es hakt bei der Frage, für wen die Registrierungspflicht gilt. Unsere Forderungen sind weitgehender als die der Union", sagt Bartke und erläutert: "Die Union möchte nur, dass sich Lobbyisten eintragen, die Einfluss auf Minister und Staatssekretäre nehmen. Das ist uns aber zu wenig."

Denn Lobbyisten würden sich nicht in erster Linie an Minister und Staatssekretäre wenden, sondern an die Personen, die den Entwurf auch tatsächlich erarbeiteten – Referenten und Abteilungsleiter. "Sie sind beliebte Objekte der Einflussnahme. Deshalb müssen mindestens die Lobbyisten, die Abteilungsleiter aufsuchen, mit in die Registrierungspflicht genommen werden", fordert Bartke.

Abteilungsleiter auch betroffen?

CDU-Politiker Patrick Schnieder, Obmann im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, sieht das anders. "Das Lobby-Register steckt auf Regierungsebene fest. Justizministerin Lambrecht bremst", sagt er.

Nach der Einigung auf Fraktionsebene sei das Innenministerium als federführendes Ressort gebeten worden, eine Formulierungshilfe zu erstellen, wie der Gesetzestext angepasst werden müsse, um die Anwendbarkeit auch auf die Bundesregierung des Lobbyregistergesetzes zu erreichen. "Bei den Abstimmungen zwischen den beteiligten Ressorts hat Lambrecht Forderungen erhoben, die wir als Fraktionen schon geeint hatten", sagt Schnieder.
Er erklärt, warum die Union von einer Registrierungspflicht auch auf der Ebene unter den Staatssekretären nichts hält: "Ein Lobby-Register soll Transparenz schaffen, aber keine Hürden bauen. Die Forderung der SPD würde aber die Kontaktaufnahme zu Abgeordneten und zur Regierung erschweren", meint der CDU-Politiker.

Zu hoher bürokratischer Aufwand

Außerdem müsse der bürokratische Aufwand austariert werden. "Aus unserer Sicht ist es nicht erforderlich, dass sich jeder bei einem Kontakt mit der Verwaltung registrieren muss", sagt Schnieder. Beispielsweise gäbe es Vereine und Unternehmen in Förderprogrammen, die regelmäßig bei Sachbearbeitern Nachfragen stellten. "Es wäre unangemessen, wenn sie sich immer wieder registrieren müssten. Es reicht aus, wenn die politisch Verantwortlichen betroffen sind", erklärt Schnieder weiter.

Doch die Frage, wen das Lobbyregistergesetz betrifft, ist nicht der einzige Knackpunkt. Ärger gibt es auch um den "Exekutiven Fußabdruck". Bartke erklärt: "Bei einem Gesetzentwurf sollen alle Abläufe und Stellungnahmen beigefügt werden oder online einsehbar sein, die Verbände und Lobbyisten eingebracht haben."

Scheitern auf der Zielgeraden?

Unions-Politiker Schnieder lehnt das nicht ab, sagt aber: "Das ist Sache der Bundesregierung, sie kann es in ihrer Geschäftsordnung regeln." Fahrplan der Regierungsfraktionen deshalb: Der Bundestag solle eine Entschließung machen, in der er die Bundesregierung auffordert, eben jenen exekutiven Fußabdruck umzusetzen.

"Wir wollen dafür eine Frist setzen, die Union aber nicht", sagt SPD-Politiker Bartke. Schnieder wiederum meint: "Das Lobbyregistergesetz ist ein wesentlicher Fortschritt in puncto Transparenz. Es wäre schade, wenn es nicht inkrafttreten könnte und wegen Kleinigkeiten auf der Zielgeraden scheitert."

Über die Experten: Timo Lange ist Campaigner bei LobbyControl. Lange ist Diplom-Politikwissenschaftler und arbeitet seit Mai 2011 für LobbyControl, zunächst in Köln als EU-Referent. Seit April 2012 ist er im Berliner Büro zuständig für die Themenfelder Transparenz- und Lobbyregulierung.
Dr. Matthias Bartke ist SPD-Politiker, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Hamburg-Altona und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Seit Januar 2016 ist Bartke Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Patrick Schnieder ist CDU-Politiker, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Bitburg und Rechtsanwalt. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion und Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Timo Lange, Diplom-Politikwissenschaftler
  • Gespräch mit Dr. Matthias Bartke, SPD-Politiker
  • Gespräch mit Patrick Schnieder, CDU-Politiker
  • Bundestag.de: "Koalition und AfD wollen ein Lobby­re­gis­ter beim Bundestag einführen", 11.09.2020
  • Bundestag: Drucksache 19/22183. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Registers für Lobbyisten, Nichtregierungsorganisationen und Lobbydienstleister (Lobbyregistergesetz – LobRegG)
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