• Nach der Razzia bei mehreren Reichsbürgern in Deutschland fordern unter anderem die Grünen und Innenministerin Nancy Faeser eine Verschärfung des Waffenrechts.
  • Justizminister Marco Buschmann lehnt das bisher ab.
  • Wie sinnvoll ist eine Verschärfung des Waffenrechts?

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Die Aufdeckung eines Umsturzplans durch Reichsbürger in Deutschland zieht erste mögliche rechtliche Konsequenzen nach sich. Unter anderem steht eine Verschärfung des Waffenrechts zur Diskussion. Zwar hatte sich Bundesjustizminister Marco Buschmann bisher dagegen gesperrt, aber der Druck auf ihn und die FDP steigt. Die Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion Irene Mihalic erklärte nun gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Waffenrechtsreformen der letzten Jahre entsprechend zu evaluieren. Wir setzen darauf, dass auch die FDP sich einer solchen ehrlichen Analyse nicht entgegenstellt."

Weiter sagte Mihalic: "Wir müssen sicherstellen, dass legale Waffen nicht in die Hände von Terroristen gelangen. Und gerade die rechtsextreme Szene hat anscheinend immer wieder gute Zugänge zu legalen Waffen. Das Problem müssen wir angehen." Laut Mihalic wurden bei mehr als 50 Personen der Reichsbürgerszene bei Durchsuchungen fast 100 Waffen in legalem Besitz gefunden. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte eine Reform des Waffenrechts an. So sollen halbautomatische, "kriegsähnliche" Waffen nicht mehr in Privatbesitz gelangen.

Experte: "Wir sind nicht in den USA"

Ist ein verschärftes Waffenrecht sinnvoll und würde es solche Umsturzpläne wie die der Reichsbürger vereiteln? Lars Winkelsdorf ist Experte für Schusswaffen und arbeitet als Waffensachverständiger und selbstständiger Fachdozent in der Sicherheitsbranche. Er hält eine Verschärfung des Waffenrechts für nicht zielführend. Gegenüber unserer Redaktion erklärt er: "Wir haben hier eine Diskussion über Verbote aus den USA, die einfach ins Deutsche übersetzt wurde. Wir sind aber nicht in den USA. Hier bei uns wird jeder, der eine Schusswaffe kaufen möchte, intensiv und streng geprüft."

Tatsächlich müssen hierzulande Kaufinteressenten nachweisen, dass keine Vorstrafen vorliegen, keine extremistischen Bestrebungen verfolgt werden und auch keine Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen vorliegt. Das sei im Falle der beschlagnahmten Waffen der Reichsbürger scheinbar nicht passiert: "Wenn die Behörden die Erkenntnisse gehabt haben, die sie offenbar hatten, hätten diese Menschen keine Waffen besitzen dürfen." Allerdings sei die Abfrage beim Verfassungsschutz oftmals eine Einbahnstraße: "Die Waffenbehörden müssen beim Verfassungsschutz nachfragen, aber der Verfassungsschutz muss Informationen nicht weitergeben", sagt Winkelsdorf.

Experte: "Nancy Faeser hat den falschen Hammer für die Schraube gewählt"

Ihm zufolge ist mehr Verwaltung der privaten Besitzer von legalen Feuerwaffen der falsche Ansatzpunkt. So sind in den vergangenen Jahren prominente Fälle von Waffenmissbrauch häufig bei Soldaten und Polizeibeamten aufgetreten, die Munition entwendet hatten, so wie bei einem Fall aus dem vergangenen Jahr, bei dem gegen 17 Beamte des LKA Niedersachsen ermittelt wurde. Auch beim aktuellen Fall der Razzia gegen Reichsbürger wird gegen ein Mitglied der Elitetruppe KSK der Bundeswehr ermittelt sowie gegen einen Beamten des Landeskriminalamts. Scheinbar wolle das Innenministerium vom Versagen ablenken, die eigenen Leute zu kontrollieren, sagt Winkelsdorf.

Ein weiteres Argument, das gegen eine Verschärfung spricht, ist der Schwarzmarkt. So werden einer Statistik aus dem Jahr 2014 zufolge 95 Prozent aller konfiszierten Tatwaffen illegal erworben. Auch eine Vielzahl alter Waffen lagert noch unkontrolliert in deutschen Schränken. Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht, aber eine Studie aus dem Jahr 2006 spricht von rund 20 Millionen illegalen Waffen in Deutschland im Vergleich zu rund fünf Millionen legalen. Illegale Waffen würden von der vom Innenministerium vorgeschlagenen Änderung aber nicht erreicht. Durch die Verschärfung des Waffenrechts könnten daher maximal fünf Prozent aller Gewalttaten reduziert werden, sagt Winkelsdorf. Über Innenministerin Faesers Pläne urteilt der Waffen-Experte daher: "Sie hat den falschen Hammer für die Schraube gewählt."

600 verschiedene Behörden, die sich mit dem Waffenrecht befassen

Winkelsdorfs Meinung nach wäre das geltende Waffenrecht daher ausreichend, es müsse aber richtig umgesetzt werden. Statt bei den Gesetzen müsse man bei der Absprache der Behörden ansetzen: "Wir haben in Deutschland etwa 600 verschiedene Behörden, die sich mit dem Waffenrecht befassen. Wir brauchen aber Profis beim Gesetzesvollzug." Der Waffensachverständige fordert eine zentrale Instanz, die das Waffenrecht kontrolliert und durchsetzt und bei der die Kompetenzen gebündelt werden wie beispielsweise beim Zoll oder dem Kraftfahrtbundesamt in Flensburg.

Dadurch könnten Kontrollen effizienter durchgeführt werden und es würde nicht zu mangelnden Absprachen zwischen den verschiedenen Behörden kommen, wie in der Vergangenheit oftmals geschehen. Am Ende sei es eben der Mensch, der die Waffe abfeuert; das sei der zentrale Punkt, an dem man ansetzen müsse, so Winkelsdorf.

Grünen-Politikerin Mihalic: "Durchführung der Kontrollen ist ein Problem"

Bei den Missständen in Sachen Absprache zwischen den Behörden sind sich nahezu alle einig, die sich mit dem Thema befassen. Auch die Regierungskoalition sieht Probleme bei der Durchsetzung des Waffenrechts. Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic: "Die Durchführung der Kontrollen, aber vor allem deren geringe Frequenz sind leider ein Problem. Doch auch mit Blick auf Zuverlässigkeitsprüfungen und die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und den Waffenbehörden müssen wir wahrscheinlich nachjustieren." Das sollte ihr zufolge im Rahmen einer Prüfung des Waffenrechts, also der vorgeschlagenen Verschärfung, geschehen.

Mihalic sieht wie Winkelsdorf ein Problem bei der Anzahl illegaler Waffen. Allerdings bestehe auch bei legalen Schusswaffen Handlungsbedarf, sagt die ehemalige Polizeibeamtin: "Die ersten Ermittlungsergebnisse im Zuge der Razzien bei Reichsbürgern zeigen, dass wir neben illegalem Waffenbesitz auch ein Problem mit legalem Waffenbesitz bei Reichsbürgern haben. Jede Waffe in den Händen von Verfassungsfeinden ist eine zu viel." Zusätzlich wäre ihr zufolge eine Unterscheidung zwischen legalem und illegalem Waffenbesitz bei Gewalttaten in der polizeilichen Kriminalstatistik sinnvoll.

Über die Gesprächspartner:
Lars Winkelsdorf arbeitet als Schießlehrer und selbstständiger Fachdozent in der Sicherheitsbranche. Seit 2005 ist er legitimierter Waffensachverständiger. Außerdem ist er Autor eines Fachbuches zur Schießausbildung. Seit 2003 arbeitet er als freier Journalist für Politmagazine, unter anderem für Frontal 21 (ZDF), Report München und die Tagesschau (ARD).
Irene Mihalic ist Bundestagsabgeordnete der Grünen. Seit 2021 ist sie Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Vor ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete war sie als Polizeibeamtin unter anderem im Polizeipräsidium Köln tätig.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Lars Winkelsdorf
  • Schriftliches Statement von Irene Mihalic
  • RND.de: Grüne dringen auf schärferes Waffenrecht
  • Spiegel.de: Das versteckte Arsenal
  • Zeit Online: Ermittlungen gegen Spezialkräfte des Landeskriminalamts Sachsen
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