Paukenschlag bei den Grünen: Die Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour treten zurück. Damit übernehmen sie Verantwortung für schwere Wahlniederlagen. Finden sie in der Koalition Nachahmer?

Eine Analyse
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Im politischen Berlin sind Geheimnisse schwer zu hüten. Den Grünen ist das am Mittwoch erstaunlich lange gelungen. Um 9:30 Uhr verschickt die Pressestelle eine Einladung zu einer Pressekonferenz um 10:30 Uhr – ein untrügliches Zeichen, dass es Spektakuläres zu verkünden gibt.

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Rücktritt Grüne
Keine Nachfragen: Omid Nouripour und Ricarda Lang verlassen die Pressekonferenz. © Fabian Sommer/dpa

Gegen 10:15 Uhr verkünden dann erste Medien, was kommen wird: ein geschlossener Rücktritt des Parteivorstands. Auch wenn darüber schon länger gemunkelt wurde: Damit haben die Grünen dann doch viele überrascht.

Omid Nouripour erfasst als Erster das Wort, sichtlich angefasst, mit belegter Stimme – ein ungewöhnliches Bild eines Politikers, der eigentlich auf jeden Vorwurf eine schlagfertige Antwort hat. Lange hatten die Grünen den Eindruck erweckt, das Rezept gegen Anfeindungen, Dauerkrach in der Koalition und vier Wahlniederlagen in Folge laute: Augen zu und durch. Damit machen die Parteivorsitzenden jetzt Schluss.

Nouripour spricht von der "tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade". "Es braucht einen Neustart." Die Statements dauern nur wenige Minuten. Fragen der Journalisten sind nicht zugelassen. Ricarda Lang sagt nur noch: "Es war mir, es war uns eine große Ehre, dieser Partei zu dienen."

In der Konsequenz ein überraschender Schritt

Ab 15. November findet in Wiesbaden der nächste Bundesparteitag statt – bis dahin will der sechsköpfige Vorstand noch geschäftsführend im Amt bleiben. Dann aber sollen neue Vorsitzende gewählt werden.

Die ohnehin fragile Ampelkoalition dürfte damit jetzt ein Problem mehr haben: Eine der drei Parteien muss in den nächsten Wochen eine neue Führung suchen. Oder kracht das Bündnis jetzt vollkommen zusammen? Die Grünen hatten in den vergangenen Monaten ohnehin den Eindruck, der Koalitionspartner FDP suche nur einen Vorwand für den Ausstieg – vielleicht haben die Grünen ihn nun selbst geliefert.

In der Konsequenz ist der Schritt überraschend. Über eine Ablösung von Bundesgeschäftsführerin Emily Büning war in der Partei schon länger spekuliert worden: Sie tritt in der Öffentlichkeit wenig souverän auf. Lang und Nouripour aber sind in der Partei eigentlich beliebt – auch wenn die Wahlniederlagen und das Abrauschen in den Umfragen arg an ihrem Image gekratzt haben. Das bisherige Spitzenduo war aber zumindest eingeübt und öffentlich bekannt.

Erste Namen für Nachfolge kursieren

Ihre Nachfolger werden dort nun aufholen müssen. "Table.Media"-Chefredakteur Michael Bröcker spekulierte am Mittwoch noch vor der Verkündung bereits über mögliche Nachfolger: Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, und Felix Banaszak, Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen.

Angenommen, die beiden würden wirklich ihre Hüte in den Ring werfen: Es wären interessante Personalien mit einer klaren Botschaft: Die Grünen wollen trotz des massiven Gegenwinds weiterregieren. Die Staatssekretärin Brantner gilt als ehrgeizig. Sie hat 2021 im Wahlkreis Heidelberg ein Direktmandat gewonnen und steht für den mächtigen, von Realpolitikern dominierten Landesverband Baden-Württemberg. Schon vor der Ampelkoalition knüpfte sie Kontakte mit FDP-Politikern.

Der Haushalts- und Klimapolitiker Felix Banaszak wird zwar dem linken Parteiflügel zugerechnet. Der 34-jährige Duisburger war aber auch 2018 bis 2022 Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen Grünen und hat in dieser Funktion den dortigen Koalitionsvertrag mit der CDU ausgehandelt. NRW gilt seitdem als Vorzeigeland für eine Koalition, die nur noch wenige Anhänger hat: Schwarz-Grün.

Ein weiteres Beben für die fragile Ampel

Vor Personalspekulationen stellt sich aber zunächst die Frage nach der Zukunft der Koalition. Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, hatte bei einem Pressegespräch eine Stunde vor dem Rücktritt noch verkündet: Man habe in dieser Koalition noch viel vor, es gebe im Jahr bis zur Bundestagswahl 2025 noch viele Gesetze auf den Weg zu bringen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, seit Kurzem FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament, will die Koalition ebenfalls nicht infrage stellen: "Der anscheinend angelaufene Erneuerungsprozess ist ein innerparteilicher Prozess der Grünen", schreibt sie im Netzwerk X.

Doch die Grünen-Chefs setzen mit ihrem Schritt auch ihre Kollegen unter Druck: Schließlich haben SPD und FDP ebenso an Zustimmung verloren. Vor allem in der SPD wurde zuletzt ebenso über personelle Konsequenzen gesprochen. Ob Ricarda Lang und Omid Nouripour Nachahmer finden? Ob andere Führungspersönlichkeiten in der Koalition ebenfalls Konsequenzen ziehen? Das werden die nächsten Wochen zeigen.

Verwendete Quellen

  • Pressestatement bei Bündnis 90/Die Grünen
  • Pressegespräch mit Irene Mihalic
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf X
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