Russische Medien streuen offenbar gezielt Falschinformationen, um der deutschen Regierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu schaden. Welche Absichten stecken hinter den Aktivitäten? Und welche Folgen könnten solche Kampagnen haben?

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Der Ukraine-Konflikt, die Flüchtlingskrise oder die Silvesternacht in Köln - russische Medien vermitteln diesbezüglich oft ihre eigene Sicht der Dinge. Vor allem Russia Today (RT) oder Sputnik sind zuletzt durch Desinformationskampagnen aufgefallen.

Wie im Fall eines angeblich entführten und von Flüchtlingen vergewaltigten Schulmädchens mit russlanddeutschen Wurzeln aus Berlin. Deutschland sei unfähig seine eigene Bevölkerung zu beschützen und würde aus Rücksicht auf die Flüchtlinge Fakten verschweigen, hieß es. Am Ende stellte sich heraus, dass die 13-Jährige freiwillig bei einem Bekannten übernachtet hatte.

Hinter solchen Falschmeldungen stecken einflussreiche Medienmacher wie Dmitri Kisseljow. Der Putinvertraute und Generaldirektor der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja ("Russland heute"), gab gegenüber "New Republic" schon vor zwei Jahren ganz offen zu, dass er den "Informationskrieg" für die "Hauptform der Kriegsführung" halte.

Rossija Sewodnja war 2013 gegründet worden, um eine regimetreue Berichterstattung auf Portalen wie RT im Sinne Moskaus noch professioneller und effektiver zu lenken.

Lügenpresse-Anhänger werden bedient

Für Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist die Motivation hinter den russischen Aktivitäten ziemlich klar: "Diese Medien sollen angeblich unterdrückte Themen und alternative Meinungen in unsere Diskussion einbringen."

Ihr Ziel sei es, Zweifel an der Politik Deutschlands, der EU oder der USA zu streuen. Häufig würden Gruppen oder Personen zu Wort kommen, die das westliche Gesellschaftsmodell in Frage stellten.

So berichtete "Spiegel Online" über den angeblichen deutschen "Professor" Lorenz Haag, der in russischen Medien gerne als kritischer Gesprächspartner auftritt. Hierzulande sei Haag wie weitere dubiose "Deutschland-Kenner" ein Phantom: Eine Lehrtätigkeit an einem Institut habe sich nicht ermitteln lassen.

Indem sie Berichte über angeblich unterdrückte Themen verbreiteten, würden die Auslandsmedien des Kreml bewusst "auf der Klaviatur der Lügenpresse-Anhänger spielen", erklärt Meister im Gespräch mit unserer Redaktion.

Manche Berichte stützten gezielt verschwörungstheoretische Ansichten. Die russlanddeutsche Community informiert sich besonders über solche Online-Portale wie RT Deutsch oder den dazugehörigen TV-Kanal, der eigenen Angaben zufolge von 70 Millionen Zuschauern aus 38 Ländern konsumiert wird.

Plattform für populistische Gruppierungen

Aber nicht nur über die Medien versucht Russland Einfluss auszuüben. In einigen EU-Staaten wird Moskau die finanzielle Unterstützung rechter Gruppierungen nachgesagt, so im Fall des rechtspopulistischen Front National in Frankreich.

In der deutschen Presse wurde jüngst über Verbindungen der AfD zum Kreml spekuliert. RT Deutsch nahm Kundgebungen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in sein Programm auf. "Es werden populistische Gruppierungen im linken und rechten Spektrum gestärkt, indem man ihnen in den Medien eine Plattform bietet", stellt Russlandexperte Meister fest.

Solche Kampagnen, wie im Fall der Berliner Schülerin, seien nicht zu unterschätzen. "Immerhin reden wir in Deutschland von zirka sechs Millionen russischsprachigen Einwohnern aus den ehemaligen postsowjetischen Staaten." Eine Zahl, die unter Umständen sogar bei Wahlen ein Zünglein an der Waage sein könnte.

Ganz konkret würde durch gezielte Desinformation der gesellschaftliche Unfrieden – in einer ohnehin durch die Flüchtlingskrise politisch aufgeladenen Zeit – weiter gestärkt. "Damit soll die Bundesregierung und insbesondere die Kanzlerin geschwächt werden", behauptet Meister.

Von einer Destabilisierung möchte der Politologe aber nicht sprechen. Dafür seien die Auswirkungen bisher zu gering. Dennoch beschäftigen sich nun auch Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz mit den Aktivitäten Moskaus, weil sich die Belege für eine gezielte Beeinflussung in Deutschland in letzter Zeit gehäuft haben.

Neuer Kalter Krieg?

Sorge bereitet Meister auch die grundsätzliche Entfremdung zwischen Russland und der EU sowie zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Dies sei eine "gefährliche Situation", weil Moskau derzeit jede mögliche Gelegenheit nutze, "um die Handlungsfähigkeit des Westens zu testen und dabei keine roten Linien kennt."

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz gar von einem "neuen Kalten Krieg" zwischen seinem Land und dem Westen. Russland fühlt sich durch die Osterweiterung von EU und Nato provoziert. Beides galt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 noch als ausgeschlossen.

Im Propagandakrieg hat Europa dem großen Nachbarn im Osten jedenfalls wenig entgegenzusetzen. 2015 erwog die EU wegen der russischen Medienkampagne im Ukraine-Krieg die Gründung eines unabhängigen, russischsprachigen TV-Senders, der "objektive Nachrichten" senden sollte. Aus den Plänen ist bis heute nichts geworden.

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