Die Taurus-Debatte spaltet das politische Berlin. Besonders in der Ampelregierung selbst gehen die Meinungen auseinander. Eine erneute Abstimmung zur Taurus-Lieferung könnte also spannend werden.

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Nach dem heftigen Schlagabtausch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen zu deutschen Taurus-Lieferungen im Bundestag hat Röttgen betont, "kein Sonderwissen" über den Marschflugkörper zu haben, das er nicht mit der Öffentlichkeit teile. "Der Bundeskanzler hat dadurch, dass er gesagt hat, es gibt ein Wissen, das die Öffentlichkeit nicht hat, auch wieder ein neues Thema in die Debatte gebracht", sagte Röttgen am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin.

Röttgen attackiert Scholz nach Debatte im Bundestag

Er frage sich: "Was ist da an Wissen, das ich jedenfalls nicht habe, das es aber geben muss, da der Kanzler dies behauptet hat", sagte der CDU-Politiker. Scholz hatte Röttgen am Mittwoch im Bundestag vorgeworfen, die Öffentlichkeit zu täuschen, weil dieser über Geheimwissen verfüge, über das aber nicht offen gesprochen werden könne.

Röttgen, der eine Taurus-Lieferung befürwortet, bekräftigte: "Es steht fest, dass deutsche Soldaten nicht notwendig sind, um diese Waffe zum Einsatz zu bringen." Zudem könnten die Waffen so programmiert werden, dass sie nur innerhalb der Ukraine eingesetzt werden könnten. Wenn Scholz der Ukraine nicht traue, müsse er dies ehrlich sagen, betonte Röttgen.

Er warf Scholz zudem vor, den Deutschen Angst vor einer Eskalation des Kriegs zu machen. "Wenn der eigene Kanzler den Menschen unseres Landes Angst macht, als Mittel und Instrument seiner Durchsetzung, ist das Ergebnis der Umfrage für mich keine Überraschung", sagte der CDU-Außenpolitiker mit Blick auf die aktuell hohen Zustimmungswerte für den Kanzler in der Bevölkerung.

Merz wirft Scholz Kalkül vor

Ähnlich sieht es auch CDU-Chef Friedrich Merz. Er warf dem Kanzler vor, in der Frage der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine mit Kriegsängsten der Bevölkerung zu spielen. "Wir müssen der Ukraine mehr helfen, diesen Krieg zu gewinnen. Denn es steht schlecht im Augenblick um dieses Land", sagte Merz am Mittwochabend in der Sendung "RTL direkt".

"Er spielt hier mit Kriegsängsten auch der deutschen Bevölkerung und erklärt sich selbst gleichzeitig als denjenigen, der sie unter Kontrolle bringt und im Griff behält. Das ist alles nicht sehr glaubwürdig." Merz hielt Scholz widersprüchliche Aussagen zu dem Thema vor und beschrieb den Kanzler "hochgradig nervös" und "dünnhäutig".

Merz unterstrich, jeder habe Angst vor einer Eskalation des Ukraine-Krieges. Gerade deshalb müsse man Russland aber die Grenzen aufzeigen. Nicht zu helfen, erhöhe die Kriegsgefahr. "Wenn die Ukraine verliert, verlieren wir alle. Und dann kommt der Krieg näher", warnte Merz.

Die Taurus-Lieferung an die Ukraine spaltet die deutsche Politik. Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag war es am Mittwoch zu einem Schlagabtausch gekommen. Die Union warf Scholz Widersprüchlichkeit und eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. "Sie spielen nicht mit klaren Karten", beschuldigte Röttgen den Kanzler. Auch in Grünen- und FDP-Kreisen wird die Taurus-Lieferung befürwortet.

FDP und Grüne in Taurus-Frage gespalten

So sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr, seine Partei werde dem CDU-Antrag auf eine Taurus-Lieferung nicht zustimmen, "wir halten es aber für richtig in der Sache, keine Frage, aber diese symbolischen Anträge bringen uns in Wahrheit ja nicht weiter".

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verteidigte Scholz und warf der Union vor, das Thema für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. "Mir ist ein Regierungschef ganz lieb, der gerade bei Themen wie Krieg und Frieden besonnen agiert – auch wenn ich persönlich beim Taurus eine andere Meinung habe. Es ist ärgerlich, wenn die Union dieses Thema für parteipolitische Zwecke missbraucht", sagte Djir-Sarai der "Welt". Es gehe der Union nicht um die Ukraine, sondern einzig um Parteitaktik. "Vor dem Hintergrund der ernsten Situation in Europa ist das schäbig."

Für den Unionsantrag wollte zuletzt erneut die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann votieren. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte Zustimmung erkennen lassen und erklärt, mindestens zwölf FDP-Abgeordnete könnten für den Unionsantrag stimmen, wenn darin nicht auf die Ampel und den Kanzler eingeprügelt werde.

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, erwartet beim Votum über den Antrag der Unionsfraktion aber keine Ja-Stimmen aus den eigenen Reihen. "Ich rechne nicht mit Abweichlern aus unserer Fraktion bei der Abstimmung", sagte Mihalic am Mittwoch in Berlin. Allen sei bewusst, dass der Antrag der CDU/CSU-Fraktion "rein innenpolitisch motiviert" sei. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte ein Ja zu dem Antrag noch vor einigen Tagen aber nicht ausgeschlossen.

Am Donnerstag stimmt der Bundestag erneut über einen Antrag der Unionsfraktion zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ab. Die Vorlage fordert, das weitreichende Waffensystem "endlich unverzüglich" der Ukraine zur Verfügung zu stellen. (afp/dpa/the)

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