Beim EU-Gipfel dreht sich für die 27 Staaten alles um das Thema Migration. Ob Abschiebelager helfen könnten, warum die Abschiebezentren in Drittstaaten umstritten sind, welche Rolle Deutschland auf dem Asyl-Gipfel spielt und was Bundeskanzler Scholz zu sagen hat.

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Die Migration ist eines der Hauptthemen des EU-Gipfels am Donnerstag. Deutschland und viele andere Länder sehen sich durch Wahlerfolge von Rechtspopulisten unter Handlungsdruck. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben allerdings so unterschiedliche Positionen, dass eine gemeinsame Gipfelerklärung laut Diplomaten am Ende scheitern könnte.

Das sagt Bundeskanzler Scholz beim EU-Gipfel zur Migrationspolitik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine vorgezogene Umsetzung des europäischen Asylsystems gefordert. Es sei wichtig, dass das im Frühjahr reformierte Asylsystem "nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert", sagte Scholz am Donnerstag bei seiner Ankunft beim EU-Gipfel in Brüssel. "Wir werden in Deutschland die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Deutschen Bundestag zuleiten. Aber es wäre gut, wenn das überall in Europa früher befolgt werden kann", fügte er hinzu.

Mit Blick auf die innerhalb der EU umstrittenen Rückführungszentren in Drittländern zeigte Scholz sich skeptisch. Konzepte, die nur "wenige kleine Tropfen darstellen, wenn man die Zahlen anguckt," seien für große Länder wie Deutschland keine Lösung, sagte Scholz. Dabei werde Deutschland aber weiter die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, "um Effizienz zu steigern", etwa Abschiebungen, die mit dem europäischen Recht vereinbar seien.

Was ist bei dem Gipfel geplant?

Diskussionsgrundlage ist ein Zehn-Punkte-Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den sie in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs skizziert hat. Darin setzt von der Leyen unter anderem auf wirksamere Abschiebungen. Nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat wurden im vergangenen Jahr mehr als 480.000 Drittstaatsangehörige zum Verlassen der EU aufgefordert, nur in jedem fünften Fall kam es jedoch zur Rückkehr ins Heimatland.

Könnten Abschiebelager helfen?

Abschiebezentren in Drittstaaten sind einer der heikelsten Vorschläge in der Debatte. Sie sollen verhindern, dass Migranten in die EU gelangen. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sieht sich als Vorreiterin: Sie hat mit dem EU-Beitrittskandidaten Albanien geschlossene Asyllager vereinbart, in denen die italienischen Behörden tausende Asylanträge pro Jahr bearbeiten wollen. Am Dienstag wurden dafür erstmals 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch nach Albanien gebracht.

Warum sind die Zentren umstritten?

Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl oder das International Rescue Committee (IRC) warnen vor einem Umgehen der EU-Standards und Menschenrechtsverstößen in solchen exterritorialen Abschiebezentren. Aber auch eine Reihe von EU-Staaten lehnen das Konzept ab, nicht nur aus rechtlichen Gründen. Diplomaten betonen, bis auf Albanien habe sich bisher kein Drittstaat zu solch einer Zusammenarbeit bereit erklärt. Großbritannien hatte zuletzt Pläne für Abschiebungen ins afrikanische Ruanda gestoppt.

Was schlägt von der Leyen noch vor?

Wie von Deutschland und 16 weiteren Schengen-Staaten gefordert, will die CDU-Politikerin die sogenannte Rückführungsrichtlinie von 2008 überarbeiten. Im Kern sollen die Mitgliedsländer ihre Abschiebebeschlüsse gegenseitig anerkennen. Bisher reisen abgelehnte Bewerber häufig in ein anderes Land und stellten dort einen neuen Antrag. Zudem wirbt von der Leyen dafür, Visa für Drittländer stärker als "Hebel" zu nutzen, damit diese ihre Staatsangehörigen zurücknehmen.

Lässt sich das Asylrecht auch aussetzen?

Das hat Polens Regierungschef Donald Tusk kurz vor dem Gipfel angekündigt und damit bei der EU-Kommission für Unruhe gesorgt. Tusk beruft sich darauf, dass Russland und Belarus Migranten etwa aus Syrien gezielt über die polnische Grenze schleusen. Allerdings ist das Asylrecht seit dem Zweiten Weltkrieg Bestandteil europäischer und internationaler Verträge. Grund sind die massiven Fluchtbewegungen, die vor allem Nazi-Deutschland auslöste.

Könnte es dennoch Ausnahmen geben?

Solche Ausnahmen – in der EU Opt-outs genannt – haben die Niederlande und Ungarn bei der EU-Kommission beantragt. Bedingung wäre eine langwierige EU-Vertragsänderung, der am Schluss alle Mitgliedsländer zustimmen müssten. Viele Staaten fürchten aber den Zusammenbruch des gemeinsamen Asylsystems, wenn einzelne ausscheren.

Welche Rolle spielt Deutschland auf dem Gipfel?

Streit gibt es um die Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen, die die "Ampel" Mitte September eingeführt hat. Partner wie Polen und Griechenland wollen Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machen, diese rasch zu beenden.

Im vergangenen Jahr seien 300.000 Menschen irregulär nach Deutschland gekommen. "Das ist zu viel", betonte Scholz. "Die Reduzierung der irregulären Migration ist die Voraussetzung für die Offenheit, die wir brauchen, auch für Arbeitskräftezuwanderung", fügte er hinzu.

Die EU-Mitgliedsländer hatten sich erst im Frühjahr mühsam auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) geeinigt, die unter anderem Abschiebungen in Lagern direkt an den EU-Außengrenzen vorsieht. Diese Reform soll ab Juni 2026 gelten. Manche Länder treten allerdings für eine vorgezogene Umsetzung ein. Organisationen wie Amnesty International und Rechtsexperten warnen, dass die geplanten Lager an den EU-Außengrenzen Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in der EU verletzen könnten. (afp/bearbeitet von nap)

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