Wie bei den meisten anderen Politikern dreht sich bei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder derzeit alles um die Coronakrise. Im Interview verrät der 53-Jährige, warum die Exit-Strategie aus dem Ausnahmezustand nicht vollständig einheitlich sein muss und was die Pandemie für ihn bedeutet - persönlich wie politisch.

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Bund und Länder beraten nach Ostern über Wege aus dem Corona-Ausnahmezustand. Die Situation ist aber in den Ländern extrem unterschiedlich. Braucht es wirklich eine bundeseinheitliche Linie?

Ministerpräsident Markus Söder: Wir müssen abwarten, ob sich die Zahlen weiter stabilisieren. Tatsächlich ist die Situation regional unterschiedlich - in Bayern und Baden-Württemberg ist sie anders als in Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein.

Dort ist das Infektionsgeschehen von Anfang an deutlich niedriger gewesen. Insofern muss auch das gemeinsame Konzept in Deutschland den unterschiedlichen Situationen gerecht werden.

Also muss es keinen Konsens aller Länder geben, wann etwa die Schulen und Kitas wieder eröffnen?

Es sollte so viel gemeinsam geschehen wie möglich. Leider scheren jetzt schon einzelne Länder aus. Wir sollten in Deutschland aber eine Linie behalten. Im Moment kommen wir besser durch die Krise als andere Länder.

Aber Ungeduld kann zu erheblichen Rückschlägen führen. Die Balance von Freiheit und Sicherheit ist zentral. Wer aus Ungeduld zu früh und zu viel lockert, riskiert Leben. Das hat die EU in ihrem neuen Corona-Strategiepapier ausdrücklich bestätigt.

Die Infektionszahlen gehen inzwischen ja auch in Bayern zurück. Im Vergleich mit den anderen Ländern, auch mit NRW, sieht es aber nicht so gut aus. Woran liegt das?

Wir liegen an der Grenze zu Österreich und in der Nähe zu Italien. Von dort hat sich Corona über ganz Deutschland ausgebreitet. Wir hatten zudem nicht nur viele Urlauber, sondern auch unzählige Tagesausflügler.

Deshalb hatten wir in Südbayern auch zu Beginn mehr Infektionen als in anderen Landesteilen. (...) Und: Wir testen mehr als andere und liegen damit im internationalen Vergleich mit vorne.

Das ergibt zunächst eine höhere Infektionszahl, hilft aber langfristig, die Pandemie nachhaltiger zu beschränken. Übrigens liegt Bayern bei den neuesten Zahlen unter dem Bundesdurchschnitt - sowohl bei den Infektionen als auch bei den Todesfällen.

Und auch die Zahl der Genesenen ist erstmals höher als die der Neuinfektionen.

Für Bayern haben Sie aber bereits angedeutet, dass viele Einschränkungen noch länger dauern werden. Wie könnte so ein Stufenplan aussehen? Braucht es die Ausgangsbeschränkungen noch?

Mein Eindruck ist, dass die bayerische Bevölkerung den Schutz der Gesundheit nach wie vor höher einschätzt als eine unüberlegte Exit-Strategie. Erst wenn uns die Virologen grünes Licht geben, können wir vorsichtig erleichtern.

Klar ist aber auch: Jede Verbesserung muss mit Auflagen der Hygiene und Sicherheit verbunden werden. Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben.

Zum Beispiel?

Wir müssen die besonders sensiblen Bereiche beachten. Hier hat etwa Österreich nichts gelockert, sondern sogar verlängert. Das sind Gastronomie und Veranstaltungen, Schulen sowie Alten- und Pflegeheime.

Man kann bei Schülern kaum eine Mundschutz- oder Abstandspflicht durchsetzen, und in der Gastronomie ist der Mundschutz per se sinnwidrig.

Und in Alten- und Pflegeheimen sollten wir auf keinen Fall eine unvorsichtige Veränderung erwägen, denn hier müssen wir unsere älteren Menschen noch besser schützen. Was und wann jedoch tatsächlich passiert, werden wir nächste Woche entscheiden.

Muss nach der Corona-Krise das deutsche Gesundheitswesen nicht umgestellt werden - weg vom bisherigen Kostendruck, so wie es auch bei systemrelevanten Bereichen wie der Polizei üblich ist?

Zum einen glaube ich, dass unser Gesundheitssystem viel besser vorbereitet war als viele andere in der Welt. Aber wir müssen nun noch einen deutlichen Zahn zulegen.

Wir brauchen einerseits eine Notfall-Versorgung, wenn es um Medikamente und Material und Produktionskapazitäten im eigenen Land geht. Daneben brauchen wir eine bessere Bezahlung im gesamten Medizinsektor.

Dazu gehört auch eine bessere Krankenhausfinanzierung, um für Notfälle und Intensivmedizin besser ausgestattet zu werden.

Das klingt nach einer großen Gesundheitsreformen - die wird aber kaum noch in dieser Legislatur zu schaffen sein, oder?

Na ja, wenn Sie sehen, was in den vergangenen Wochen alles geschafft wurde, lässt sich das sicherlich umsetzen.

Gesundheitsminister Jens Spahn, den ich sehr schätze, denkt ja über so etwas nach. Er hat meine volle Unterstützung. Wir von der CSU werden das auch begleiten und voranbringen.

Sie persönlich genießen im Zuge der Krise bundesweit viel Zuspruch. Stimmen Sie dem Satz zu, dass Krisen Kanzler machen?

Ich bewerte im Moment keine Haltungs- und Stilfragen oder lese Umfragen. Die einzigen Werte, die mich interessieren, sind die Infektionszahlen.

Ich glaube übrigens, dass im Moment in Deutschland jeder das Beste leistet: ob es Pfleger, Ärzte und Krankenschwestern, die Rettungssanitäter oder Polizisten sind.

Das Gleiche gilt für die Gesundheitsämter, die Bundesregierung oder alle Ministerpräsidenten. Die Frage, wie es im nächsten Jahr weitergeht, spielt überhaupt keine Rolle für mich.

Im Übrigen haben wir eine starke Kanzlerin, die Bayern sehr unterstützt. Mein Platz ist und bleibt in Bayern.

Kommen wir zu den wirtschaftlichen Aspekten. Sie fordern eine Autoprämie zum Ankurbeln klimafreundlicher Fahrzeuge. Welche Größenordnung und für welchen Zeitraum schwebt Ihnen das vor?

Wir brauchen ein Automobil-Programm. Ein Bestandteil muss eine Anschaffungsprämie sein, um den Austausch von alten und neuen Autos zu fördern.

Das ist eine Riesenchance, den klimafreundlichen Antrieben zum Durchbruch zu verhelfen, und zwar in der Breite. Zugleich können wir damit die technologische Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie im internationalen Vergleich stärken.

Verglichen mit der Abwrackprämie vor zehn Jahren muss die Prämie nun höher sein und auch länger gewährt werden. Denn die Krise ist heute viel tiefgreifender. Die gesamte Wirtschaft ist betroffen und wir haben eine deutlich größere globale Herausforderung.

Wie ist Ihre Prognose: Können sich die Menschen in diesem Jahr auf einen Sommerurlaub freuen? Lohnt es sich, zu buchen?

Das lässt sich nicht abschließend prognostizieren. Wo und wie der Urlaub stattfinden kann, hängt schlicht und einfach von der Corona-Lage ab.

Aber eines ist klar: Es gibt tolle Ferienziele in Bayern oder in Deutschland. Bevor wir über den Sommerurlaub nachdenken, schauen wir erstmal, wie wir aus den Osterferien kommen.

Wie geht es Ihnen derzeit, und was vermissen Sie am meisten?

Persönlich geht es mir gut, aber es ist eine extrem fordernde Zeit. Was mir natürlich fehlt, ist mal Essen zu gehen, Freunde zu treffen oder beispielsweise ins Kino zu gehen.

Und wie bei vielen wäre auch mal wieder ein Friseurbesuch notwendig.

Was machen Sie an Ostern?

Wir sind daheim. Da werde ich mit der Familie spazieren gehen, mal mit dem Hund rausgehen - aber vor allem intensiv überlegen, was nach den Osterferien passieren kann.

Und natürlich werde ich mir einige schöne Filme gönnen. Filme, die einen aufbauen und Optimismus vermitteln.

(Ein Interview von Verena Schmitt-Roschmann - dpa/thp)

Zur Person: Markus Söder (53) ist seit Januar 2019 CSU-Chef und seit März 2018 bayerischer Ministerpräsident. Er folgte in beiden Ämtern auf Horst Seehofer, der seither Bundesinnenminister ist. Unter Edmund Stoiber war Söder auch Generalsekretär. Söder hat vier Kinder und gehört seit 1994 dem bayerischen Landtag als Abgeordneter an. Er lebt in seiner Heimatstadt Nürnberg und ist seit 1999 verheiratet.
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