Die SPD ruft einen "Aufbruch in eine neue Zeit" aus. Bedeutet das auch einen Ausstieg aus der großen Koalition aussteigen? Das Treffen der Genossen ist ein Schicksalsparteitag. Zumindest ein Kampf ist dabei bereits abgewendet.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Zum Auftakt des SPD-Parteitags hat die scheidende Vorsitzende Malu Dreyer zur Geschlossenheit aufgerufen und die Erfolge der SPD in der großen Koalition herausgestrichen. "Wir machen das, zu was wir als Partei verpflichtet sind: Wir gestalten Politik", sagte Dreyer in ihrer Eröffnungsrede am Freitag in Berlin vor den rund 600 Delegierten.

Sie lobte ausdrücklich die SPD-Minister und die Erfolge der SPD in der Bundesregierung. Darauf sei sie "mächtig stolz", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. "Es macht nämlich einen Unterschied, wer regiert." Zugleich warb sie für einen Neuanfang, die SPD dürfe nicht mehr als "Taktikpartei" wahrgenommen werden.

Die in den Umfragen schwer gebeutelte SPD will auf dem dreitägigen Parteitag ihre neue Spitze wählen und ihren Kurs in der Koalition bestimmen. Die Delegierten sollen die GroKo-Kritiker Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans offiziell zu neuen Vorsitzenden wählen.

Die linke Bundestagsabgeordnete und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister hatten sich beim Mitgliederentscheid gegen Vizekanzler Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz durchgesetzt. Es wird mit Spannung erwartet, ob der Parteitag die GroKo-Kritiker mit einem guten Ergebnis wählt. Der Parteitag entschied sich am Mittag mit großer Mehrheit, die Satzung zu ändern, um eine Doppelspitze mit einer Frau und einem Mann zu ermöglichen.

Walter-Borjans stellt schwarze Null und Schuldenbremse infrage

Der angehende SPD-Chef Norbert Walter-Borjans will indes zugunsten von nötigen Investitionen notfalls auch auf die Schuldenbremse im Grundgesetz verzichten. "Wenn die schwarze Null einer besseren Zukunft für unsere Kinder entgegensteht, dann ist sie falsch, dann muss sie weg", sagte er am Freitag auf dem SPD-Parteitag in Berlin. "Und das gilt, machen wir uns nichts vor, wenn wir es nicht irgendwo umschiffen wollen, dann gilt es auch für die Schuldenbremse."

Kein wachsendes Unternehmen würde sich so einer Investitionsbremse unterwerfen. Die Schuldenbremse besagt, dass Bund und Länder einen im Grundsatz ausgeglichenen Haushalt haben müssen, geringfügig neue Schulden sind aber auch damit erlaubt. Finanzminister Olaf Scholz hatte die schwarze Null, also einen Haushalt ohne neue Schulden, zuletzt immer wieder verteidigt. Der Bund habe auch so die Möglichkeit für Rekordinvestitionen, hatte er betont.

Keine Kampfabstimmung zwischen Kühnert und Heil

Zudem räumte die Führung zu Beginn des Parteitags einen zentralen Konflikt des Konvents ab: Die SPD will eine Kampfabstimmung bei den Posten der stellvertretenden Vorsitzenden vermeiden. Erwartet worden war zunächst, dass die Delegierten zwischen Juso-Chef Kevin Kühnert und Arbeitsminister Hubertus Heil als Stellvertreter entscheiden müssen.

Stattdessen wurde Parteikreisen zufolge nun angepeilt, dass es künftig fünf Stellvertreter gibt. Damit wäre der Weg für Kühnert und Heil frei. Heil steht für den Regierungskurs der SPD, Kühnert gilt als führender Kritiker der großen Koalition bei der SPD.

Dreyer forderte ihre Partei auf, wieder mehr Profil zu zeigen. Die SPD sei eine Wertepartei, "das ist doch unsere politische DNA". Sie lobte die SPD-Leistung in der Regierung und nannte Beispiele wie die Grundrente, den Kohleausstieg und beitragsfreie Kitas.

"Das ist für mich verantwortliche Politik für die Zukunft." Sie appellierte an die Partei, sich an das Votum für die große Koalition von Anfang 2018 zu halten: "Diese Solidarität bedeutet auch, einmal getroffene Entscheidungen gemeinsam zu tragen und gemeinsam umzusetzen."

Vor allem Olaf Scholz sei für den Erfolg der SPD verantwortlich. Ohne sein Verhandlungsgeschick hätte die SPD in der großen Koalition nicht so viel erreicht. "Du bist und bleibst eine wichtige Stütze unserer Partei, lieber Olaf."

An Esken und Walter-Borjans gerichtet sagte Dreyer, die beiden übernähmen eine Partei, die verändern, gestalten und zusammenführen wolle. Sie wünsche ihnen Glück und Kraft.

Klingbeil fordert einen Neuanfang

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil rief zum Neuanfang im Umgang miteinander auf und kritisierte den Stil der vergangenen Jahren. "Wir haben uns oft nicht von der besten Seite als Partei präsentiert", sagte er.

Es sei ruppig zugegangen, mit der inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden Andrea Nahles sei die SPD nicht gut umgegangen. Das müsse sich sofort ändern. "Heute muss der Aufbruch sein", forderte Klingbeil. "Wir müssen einen alten Stil in dieser Partei überwinden, der Ego-Shooter und Einzelkämpfer in den Mittelpunkt stellt."

Ein Leitantrag des Vorstands befasst sich mit der künftigen Aufstellung der SPD in der großen Koalition. Ein in der Partei heftig diskutierter Ausstieg aus der GroKo wird darin nicht empfohlen. Stattdessen werden Forderungen dazu aufgestellt, was die SPD künftig gegenüber der Union erreichen will.

Das Führungsduo Esken und Walter-Borjans will mit der Union aber unter anderem über Nachbesserungen am Klimapaket, höhere Investitionen und einen Mindestlohn von perspektivisch 12 Euro verhandeln. Die Gegner des Bündnisses mit CDU/CSU wollen eine Abstimmung über ein Ende der Koalition erreichen.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus verlangte von der SPD Klarheit über die Zukunft der großen Koalition. "Stabile politische Verhältnisse sind wichtig für Deutschland", sagte der CDU-Politiker kurz vor Beginn des SPD-Parteitags dem "Spiegel".

"Lange Personaldiskussionen und eine Hängepartie zum Fortbestand der GroKo sind da das Letzte, was wir brauchen." Die CDU/CSU-Fraktion stehe zum Koalitionsvertrag und wolle die Regierungsarbeit bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen. Aber: "Wir werden die Koalition nicht nach links verschieben." (dpa/ank/mgb)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Kay Nietfeld/dpa