Der Bürgerkrieg in Syrien könnte bald beendet sein. Für viele syrische Flüchtlinge in Deutschland dürfte das aber noch kein Grund zur Rückkehr sein: Solange das Regime von Präsident Baschar al-Assad an der Macht ist, droht ihnen in ihrer Heimat weiterhin Gefahr.

Eine Analyse

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Nach mehr als sieben Jahren nähert sich der syrische Bürgerkrieg einem grausamen Ende. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad bereitet sich auf eine Offensive auf Idlib vor – die letzte große Rebellenhochburg.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt bereits vor einem weiteren Blutbad. Auch wenn die USA über einen Militärschlag nachdenken: Assad steht möglicherweise kurz vor einem Sieg.

Der Bürgerkrieg hatte auch für Europa weitreichende Konsequenzen: Nach Angaben des Mediendienstes Integration sind seit 2011 rund 800.000 Syrer nach Deutschland geflohen. Welche Folgen hätte es für sie, wenn in ihrem Heimatland nicht mehr gekämpft wird? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten.

Oppositionelle in Syrien weiter in Gefahr

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit: "Das Bundesamt ist gesetzlich verpflichtet, die Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen."

Das heißt: Wenn ein Flüchtling in seinem Heimatland nicht mehr verfolgt wird oder ihm keine sonstigen Gefahren drohen, kann er verpflichtet werden, wieder auszureisen.

Laut Christiane Fröhlich, Expertin für Friedens- und Konfliktforschung am GIGA Institut für Nahost-Studien, ist das in Syrien derzeit aber nicht der Fall.

"Nach allem, was wir wissen, hat die politische Verfolgung von Regimegegnern in Syrien nie aufgehört. Die Bedrohungslage wird in ganz vielen Fällen unverändert sein", sagt Fröhlich im Gespräch mit unserer Redaktion. "Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sagen: Solange Assad im Amt ist, können wir nicht zurück."

Auch allgemein bleibt die Gefährungslage hoch. Zwar gebe es seit einigen Monaten eine Rhetorik des Wiederaufbaus, so Fröhlich. Diese Rhetorik komme vom Assad-Regime, aber unter anderem auch von EU, UNO oder der Bundesregierung und "könnte darauf schließen lassen, dass der Krieg vorbei ist". Aber: "Gleichzeitig fallen immer noch Bomben und es herrscht Gewalt."

Syrische Flüchtlinge erhalten in Deutschland seit 2016 meistens den subsidiären Schutzstatus. Dieser wird Menschen gewährt, die zwar nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder den Asyl-Paragrafen des Grundgesetzes fallen – denen in ihrem Herkunftsland aber Bedrohung, Folter oder Todesstrafe drohen. Das gilt etwa für die Menschen, die der syrischen Opposition angehören.

Keine pauschale Ausweisung von Syrern

Das BAMF betreibt ein Informationszentrum, bei dem Erkenntnisse über die Situation in den Herkunftsländern zusammenlaufen. Diese Informationen stehen den Mitarbeitern zur Verfügung, die über den Aufenthalt von Flüchtlingen entscheiden. Eine pauschale Vorgehensweise für syrische Flüchtlinge gibt es nicht.

Das heißt: Falls der Bürgerkrieg eines Tages als beendet gilt, werden nicht automatisch alle Syrer abgeschoben. Eine solche Entscheidung ist immer von der individuellen Geschichte des Einzelnen abhängig.

Grundsätzlich können Syrer das Recht bekommen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Für anerkannte Flüchtlinge kann das nach drei Jahren, für Menschen mit subsidiärem Schutz nach fünf Jahren der Fall sein – aber nur, wenn sich an den Fluchtgründen im Heimatland nichts geändert hat und der Betroffene seinen Lebensunterhalt hierzulande sichern kann.

Es gebe viele Flüchtlinge, für die ein dauerhaftes Leben in Europa nicht in Betracht komme und die daher gerne nach Syrien zurückkehren möchten, sagt Christiane Fröhlich – "weil sie hier und in Syriens Nachbarländern nicht die Bedingungen vorgefunden haben, die sie sich erhofft hatten".

Vereinzelt seien Geflüchtete bereits zurückgegangen, nach Einschätzung von Fröhlich machen sie aber nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Die Situation in ihrer Heimat ist häufig einfach noch zu unsicher.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) unterstützt Flüchtlinge, die freiwillig zurückkehren möchten, in Form von Rückreise- und Starthilfen. In den Jahren 2014 bis 2017 sind über entsprechende Programme insgesamt rund 132.000 Menschen aus Deutschland ausgereist – allerdings kaum Syrer.

Denn eine freiwillige Rückkehr nach Syrien unterstütze man bisher nicht, erklärt eine Pressesprecherin: "Die IOM ist verpflichtet, den Migrantinnen und Migranten eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Dies ist aktuell im Fall von Syrien nicht gewährleistet."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Christiane Fröhlich, Wissenschaftlerin GIGA Institut für Nahost-Studien
  • Informationen von der Pressestelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
  • Informationen der Internationalen Organisation für Migration (IOM)
  • Mediendienst Integration: "Syrische Flüchtlinge"
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